Der Lärm ist groß, Nachbaren! Man muß oh- ne Aergerniß leben, sagte der Vogt; es ist heiliger Abend.
Mache die Fensterläden zu, Frau! und lösche die Lichter gegen der Gasse -- Es ist besser, wir gehen in die hintere Stube, Nachbaren! Ist's warm dort, Frau?
Frau. Ja, ich habe daran gedacht, und ein- heitzen lassen.
Vogt. Gut. Nehmet alles vom Tisch in die hintere Stube.
Da nahmen die Frau und die Nachbaren Glä- ser, Flaschen, Brod, Käs, Messer und Teller und Karten und Würfel, und trugen alles in die hin- tere Stube, in deren man, geschähe auch ein Mord, auf der Gasse nichts hört.
Da sind wir jezt sicher vor Schelmen, die vor den Fenstern horchen, und vor den heiligen Knech- ten *) des Schwarzen.
Aber ich bin durstig wie ein Jagdhund, Wein her!
Die Frau bringt ihn.
Und
*) Er meynt Chorrichter, Stillständer, Kirchenälte- sten, deren Pflicht es ist, dem Pfarrer solche nächtliche Ungebühren anzuzeigen; und dieser ist's, den der gottlose Vogt, nach einem wirklich eingerissenen Ton, den Schwarzen nennt.
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Der Laͤrm iſt groß, Nachbaren! Man muß oh- ne Aergerniß leben, ſagte der Vogt; es iſt heiliger Abend.
Mache die Fenſterlaͤden zu, Frau! und loͤſche die Lichter gegen der Gaſſe — Es iſt beſſer, wir gehen in die hintere Stube, Nachbaren! Iſt’s warm dort, Frau?
Frau. Ja, ich habe daran gedacht, und ein- heitzen laſſen.
Vogt. Gut. Nehmet alles vom Tiſch in die hintere Stube.
Da nahmen die Frau und die Nachbaren Glaͤ- ſer, Flaſchen, Brod, Kaͤs, Meſſer und Teller und Karten und Wuͤrfel, und trugen alles in die hin- tere Stube, in deren man, geſchaͤhe auch ein Mord, auf der Gaſſe nichts hoͤrt.
Da ſind wir jezt ſicher vor Schelmen, die vor den Fenſtern horchen, und vor den heiligen Knech- ten *) des Schwarzen.
Aber ich bin durſtig wie ein Jagdhund, Wein her!
Die Frau bringt ihn.
Und
*) Er meynt Chorrichter, Stillſtaͤnder, Kirchenaͤlte- ſten, deren Pflicht es iſt, dem Pfarrer ſolche naͤchtliche Ungebuͤhren anzuzeigen; und dieſer iſt’s, den der gottloſe Vogt, nach einem wirklich eingeriſſenen Ton, den Schwarzen nennt.
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Der Laͤrm iſt groß, Nachbaren! Man muß oh-
ne Aergerniß leben, ſagte der Vogt; es iſt heiliger
Abend.
Mache die Fenſterlaͤden zu, Frau! und loͤſche
die Lichter gegen der Gaſſe — Es iſt beſſer, wir
gehen in die hintere Stube, Nachbaren! Iſt’s warm
dort, Frau?
Frau. Ja, ich habe daran gedacht, und ein-
heitzen laſſen.
Vogt. Gut. Nehmet alles vom Tiſch in
die hintere Stube.
Da nahmen die Frau und die Nachbaren Glaͤ-
ſer, Flaſchen, Brod, Kaͤs, Meſſer und Teller und
Karten und Wuͤrfel, und trugen alles in die hin-
tere Stube, in deren man, geſchaͤhe auch ein
Mord, auf der Gaſſe nichts hoͤrt.
Da ſind wir jezt ſicher vor Schelmen, die vor
den Fenſtern horchen, und vor den heiligen Knech-
ten *) des Schwarzen.
Aber ich bin durſtig wie ein Jagdhund, Wein
her!
Die Frau bringt ihn.
Und
*) Er meynt Chorrichter, Stillſtaͤnder, Kirchenaͤlte-
ſten, deren Pflicht es iſt, dem Pfarrer ſolche
naͤchtliche Ungebuͤhren anzuzeigen; und dieſer
iſt’s, den der gottloſe Vogt, nach einem wirklich
eingeriſſenen Ton, den Schwarzen nennt.
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/172>, abgerufen am 16.02.2025.
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