Der Vogt aber, da er allein war, mußte, so sehr er auch nicht wollte, doch bey sich selber auch seufzen, und sagte: daß mir jezt auch das noch hat begegnen müssen; ich hatte doch heut sonst genug.
Er verhärtete sich aber bald wieder, und sagte dann weiter:
Der arme Schelm dauert mich, wie er sich plagt! Aber er hat nicht Recht, es geht ihn nichts an, wie ihn der Richter verstanden hat. Der Teufel möchte Eide schwören, wenn man den Sinn so genau und so scharf heraus klauben wollte. Ich weiß auch, wie andere Leute, und eben die, so das am besten verstehn müssen, den Eid nach ihren Auslegungen nehmen, und ruhig sind; wo ein jeder anderer armer Schelm, der wie der Wüst denkt, meynen müßte, er sähe mit seinen Augen Sonnen- klar daß sie ihn verdrehen; und doch wollte ich, ich hätte diese Gedanken jezt aus dem Kopf, sie ma- chen mich verdrüßlich. Ich will zurück und ein Glas Wein trinken. So sagte er, und that treulich, was er gesagt hatte.
§. 23.
Der Vogt aber, da er allein war, mußte, ſo ſehr er auch nicht wollte, doch bey ſich ſelber auch ſeufzen, und ſagte: daß mir jezt auch das noch hat begegnen muͤſſen; ich hatte doch heut ſonſt genug.
Er verhaͤrtete ſich aber bald wieder, und ſagte dann weiter:
Der arme Schelm dauert mich, wie er ſich plagt! Aber er hat nicht Recht, es geht ihn nichts an, wie ihn der Richter verſtanden hat. Der Teufel moͤchte Eide ſchwoͤren, wenn man den Sinn ſo genau und ſo ſcharf heraus klauben wollte. Ich weiß auch, wie andere Leute, und eben die, ſo das am beſten verſtehn muͤſſen, den Eid nach ihren Auslegungen nehmen, und ruhig ſind; wo ein jeder anderer armer Schelm, der wie der Wuͤſt denkt, meynen muͤßte, er ſaͤhe mit ſeinen Augen Sonnen- klar daß ſie ihn verdrehen; und doch wollte ich, ich haͤtte dieſe Gedanken jezt aus dem Kopf, ſie ma- chen mich verdruͤßlich. Ich will zuruͤck und ein Glas Wein trinken. So ſagte er, und that treulich, was er geſagt hatte.
§. 23.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0149"n="124"/><p>Der Vogt aber, da er allein war, mußte, ſo<lb/>ſehr er auch nicht wollte, doch bey ſich ſelber auch<lb/>ſeufzen, und ſagte: daß mir jezt auch das noch<lb/>
hat begegnen muͤſſen; ich hatte doch heut ſonſt<lb/>
genug.</p><lb/><p>Er verhaͤrtete ſich aber bald wieder, und ſagte<lb/>
dann weiter:</p><lb/><p>Der arme Schelm dauert mich, wie er ſich<lb/>
plagt! Aber er hat nicht Recht, es geht ihn nichts<lb/>
an, wie ihn der Richter verſtanden hat. Der Teufel<lb/>
moͤchte Eide ſchwoͤren, wenn man den Sinn ſo<lb/>
genau und ſo ſcharf heraus klauben wollte. Ich<lb/>
weiß auch, wie andere Leute, und eben die, ſo das<lb/>
am beſten verſtehn muͤſſen, den Eid nach ihren<lb/>
Auslegungen nehmen, und ruhig ſind; wo ein jeder<lb/>
anderer armer Schelm, der wie der Wuͤſt denkt,<lb/>
meynen muͤßte, er ſaͤhe mit ſeinen Augen Sonnen-<lb/>
klar daß ſie ihn verdrehen; und doch wollte ich, ich<lb/>
haͤtte dieſe Gedanken jezt aus dem Kopf, ſie ma-<lb/>
chen mich verdruͤßlich. Ich will zuruͤck und ein<lb/>
Glas Wein trinken. So ſagte er, und that treulich,<lb/>
was er geſagt hatte.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><fwplace="bottom"type="catch">§. 23.</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[124/0149]
Der Vogt aber, da er allein war, mußte, ſo
ſehr er auch nicht wollte, doch bey ſich ſelber auch
ſeufzen, und ſagte: daß mir jezt auch das noch
hat begegnen muͤſſen; ich hatte doch heut ſonſt
genug.
Er verhaͤrtete ſich aber bald wieder, und ſagte
dann weiter:
Der arme Schelm dauert mich, wie er ſich
plagt! Aber er hat nicht Recht, es geht ihn nichts
an, wie ihn der Richter verſtanden hat. Der Teufel
moͤchte Eide ſchwoͤren, wenn man den Sinn ſo
genau und ſo ſcharf heraus klauben wollte. Ich
weiß auch, wie andere Leute, und eben die, ſo das
am beſten verſtehn muͤſſen, den Eid nach ihren
Auslegungen nehmen, und ruhig ſind; wo ein jeder
anderer armer Schelm, der wie der Wuͤſt denkt,
meynen muͤßte, er ſaͤhe mit ſeinen Augen Sonnen-
klar daß ſie ihn verdrehen; und doch wollte ich, ich
haͤtte dieſe Gedanken jezt aus dem Kopf, ſie ma-
chen mich verdruͤßlich. Ich will zuruͤck und ein
Glas Wein trinken. So ſagte er, und that treulich,
was er geſagt hatte.
§. 23.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/149>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.