immer mehr als Vaterhülfe und Muttertreue fin- den. Denket an mich, ihr Lieben! ich hinterlasse euch zwar nichts; aber ihr waret mir lieb, und ich weiß, daß ich euch auch lieb bin.
Da meine Bibeln und mein Gebetbuch, sind fast alles, was ich noch habe; aber haltet es nicht gering, Kinder! Es war in meinem schweren Le- ben mir tausendmal Trost und Erquickung. Las- set Gottes Wort euch euern Trost seyn, Kinder! und euere Freude; und liebet einander, und helfet und rathet einander, so lang ihr leben werdet; und seyd aufrichtig, treu, liebreich und gefällig gegen alle Menschen, so wird's euch wohl gehen im Leben.
Und du, Rudi! behalte dem Betheli die grös- sere, und dem Rudeli die kleinere Bibel; und dem Kleinen die zwey Betbücher zum Angedenken von mir.
Ach, dir habe ich keines, Rudi! Aber du hast keines nöthig: du vergissest meiner nicht.
Dann ruft sie noch einmal dem Rudeli: Gieb mir deine Hand, du Lieber! Gelt, du nimmst doch niemand nichts mehr?
Nein doch auch, Großmutter! glaub mir's doch auch: ich werde gewiß niemand nichts neh- men, sagte der Rudeli, mit heissen Thränen.
Nun ich will dir's glauben, und zu Gott für dich beten, sagte die Mutter. Sieh Lieber! da geb ich
deinem
immer mehr als Vaterhuͤlfe und Muttertreue fin- den. Denket an mich, ihr Lieben! ich hinterlaſſe euch zwar nichts; aber ihr waret mir lieb, und ich weiß, daß ich euch auch lieb bin.
Da meine Bibeln und mein Gebetbuch, ſind faſt alles, was ich noch habe; aber haltet es nicht gering, Kinder! Es war in meinem ſchweren Le- ben mir tauſendmal Troſt und Erquickung. Laſ- ſet Gottes Wort euch euern Troſt ſeyn, Kinder! und euere Freude; und liebet einander, und helfet und rathet einander, ſo lang ihr leben werdet; und ſeyd aufrichtig, treu, liebreich und gefaͤllig gegen alle Menſchen, ſo wird’s euch wohl gehen im Leben.
Und du, Rudi! behalte dem Betheli die groͤſ- ſere, und dem Rudeli die kleinere Bibel; und dem Kleinen die zwey Betbuͤcher zum Angedenken von mir.
Ach, dir habe ich keines, Rudi! Aber du haſt keines noͤthig: du vergiſſeſt meiner nicht.
Dann ruft ſie noch einmal dem Rudeli: Gieb mir deine Hand, du Lieber! Gelt, du nimmſt doch niemand nichts mehr?
Nein doch auch, Großmutter! glaub mir’s doch auch: ich werde gewiß niemand nichts neh- men, ſagte der Rudeli, mit heiſſen Thraͤnen.
Nun ich will dir’s glauben, und zu Gott fuͤr dich beten, ſagte die Mutter. Sieh Lieber! da geb ich
deinem
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immer mehr als Vaterhuͤlfe und Muttertreue fin-
den. Denket an mich, ihr Lieben! ich hinterlaſſe
euch zwar nichts; aber ihr waret mir lieb, und ich
weiß, daß ich euch auch lieb bin.
Da meine Bibeln und mein Gebetbuch, ſind
faſt alles, was ich noch habe; aber haltet es nicht
gering, Kinder! Es war in meinem ſchweren Le-
ben mir tauſendmal Troſt und Erquickung. Laſ-
ſet Gottes Wort euch euern Troſt ſeyn, Kinder!
und euere Freude; und liebet einander, und helfet
und rathet einander, ſo lang ihr leben werdet;
und ſeyd aufrichtig, treu, liebreich und gefaͤllig
gegen alle Menſchen, ſo wird’s euch wohl gehen
im Leben.
Und du, Rudi! behalte dem Betheli die groͤſ-
ſere, und dem Rudeli die kleinere Bibel; und
dem Kleinen die zwey Betbuͤcher zum Angedenken
von mir.
Ach, dir habe ich keines, Rudi! Aber du haſt
keines noͤthig: du vergiſſeſt meiner nicht.
Dann ruft ſie noch einmal dem Rudeli: Gieb
mir deine Hand, du Lieber! Gelt, du nimmſt doch
niemand nichts mehr?
Nein doch auch, Großmutter! glaub mir’s
doch auch: ich werde gewiß niemand nichts neh-
men, ſagte der Rudeli, mit heiſſen Thraͤnen.
Nun ich will dir’s glauben, und zu Gott fuͤr dich
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/127>, abgerufen am 22.11.2024.
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