Neben diesen Mitteln aus zahlreichen Einzelwerthen ist es rathsam, auch auf die Schwankungen einen Blick zu werfen. So stiess Morton unter allen Racenschädeln auf einen kleinsten von 63 und auf einen grössten von 114 Cubikzoll (engl.) Rauminhalt 1). Barnard Davis aber besitzt einen altrömischen Schädel mit nur 62 Cubikzoll und einen irischen mit 121,6. Ein andrer irischer Schädel im Museum Bateman erreicht sogar 124,2 Cubikzoll 2). Selbst innerhalb eines Volkstammes können die grössten Sprünge vorkommen, da toskanische Schädel noch tief an Rauminhalt hinter dem engsten Australierschädel zurückbleiben. Bei einem 23jährigen Florentiner Dienstmädchen traf Paolo Mantegazza nur 1046 Cub. Cm., bei einem erwachsenen Florentiner aber 1727 Cub. Cm. und bei einem angeblich etruskischen Krieger sogar 1750 Cub. Cm. 3)
Sollte die geringe mittlere Geräumigkeit des Schädels in einem ursächlichen Zusammenhang stehen mit einer verzögerten geistigen Entwicklung, so dürften wir erwarten, dass auch die Schädel der Alteuropäer geringere Maasse wie die ihrer Nachkommen aufweisen würden. An dazu ermuthigenden Thatsachen ist kein Mangel. Broca will eine zunehmende Geräumigkeit der heutigen Pariser Schädel (1462--1484 Cub. Cm.) gegen solche aus dem 12. Jahr- hundert (1426 Cub. Cm.) gefunden haben 4). Schädel von Altgriechen, nämlich der einer wohlhabenden Dame Namens Glykera aus der makedonischen Zeit mit nur 1150 Cub. Cm., sowie eines Mannes mit 1280 Cub. Cm., die kürzlich in Athen ausgegraben wurden, begünstigen diese Ansicht 5). Umgekehrt haben His und Rütimeyer für ihren Disentis- oder alemannischen Typus, dem drei Viertel der heutigen Schweizer angehören, im Mittel 1377 Cub. Cm., für den Hohbergtypus, angeblich Altrömer, 1437 Cub. Cm. und für den
1)Huxley, Stellung des Menschen in der Natur. S. 87.
2) Thesaurus craniorum, p. 360, p. 65.
3) Archivio per l'antropologia. Firenze 1871. vol. I. p. 53 sq.
4) Nach Broca bei Carl Vogt, Vorlesungen über den Menschen, Bd. 1, S. 105--108.
5) Siehe darüber Virchow's Bericht in den Verhandl. der Berliner anthropol. Gesellschaft. 1872. S. 174 ff.
Das menschliche Gehirn.
engl. Cubikzoll
Cubikcentim.
bei Europäern
92,1
1835
„ Amerikanern
89
1774
„ Asiaten
88,7
1768
„Afrikanern
86,2
1718
„Australiern
81,7
1628
Neben diesen Mitteln aus zahlreichen Einzelwerthen ist es rathsam, auch auf die Schwankungen einen Blick zu werfen. So stiess Morton unter allen Racenschädeln auf einen kleinsten von 63 und auf einen grössten von 114 Cubikzoll (engl.) Rauminhalt 1). Barnard Davis aber besitzt einen altrömischen Schädel mit nur 62 Cubikzoll und einen irischen mit 121,6. Ein andrer irischer Schädel im Museum Bateman erreicht sogar 124,2 Cubikzoll 2). Selbst innerhalb eines Volkstammes können die grössten Sprünge vorkommen, da toskanische Schädel noch tief an Rauminhalt hinter dem engsten Australierschädel zurückbleiben. Bei einem 23jährigen Florentiner Dienstmädchen traf Paolo Mantegazza nur 1046 Cub. Cm., bei einem erwachsenen Florentiner aber 1727 Cub. Cm. und bei einem angeblich etruskischen Krieger sogar 1750 Cub. Cm. 3)
Sollte die geringe mittlere Geräumigkeit des Schädels in einem ursächlichen Zusammenhang stehen mit einer verzögerten geistigen Entwicklung, so dürften wir erwarten, dass auch die Schädel der Alteuropäer geringere Maasse wie die ihrer Nachkommen aufweisen würden. An dazu ermuthigenden Thatsachen ist kein Mangel. Broca will eine zunehmende Geräumigkeit der heutigen Pariser Schädel (1462—1484 Cub. Cm.) gegen solche aus dem 12. Jahr- hundert (1426 Cub. Cm.) gefunden haben 4). Schädel von Altgriechen, nämlich der einer wohlhabenden Dame Namens Glykera aus der makedonischen Zeit mit nur 1150 Cub. Cm., sowie eines Mannes mit 1280 Cub. Cm., die kürzlich in Athen ausgegraben wurden, begünstigen diese Ansicht 5). Umgekehrt haben His und Rütimeyer für ihren Disentis- oder alemannischen Typus, dem drei Viertel der heutigen Schweizer angehören, im Mittel 1377 Cub. Cm., für den Hohbergtypus, angeblich Altrömer, 1437 Cub. Cm. und für den
1)Huxley, Stellung des Menschen in der Natur. S. 87.
2) Thesaurus craniorum, p. 360, p. 65.
3) Archivio per l’antropologia. Firenze 1871. vol. I. p. 53 sq.
4) Nach Broca bei Carl Vogt, Vorlesungen über den Menschen, Bd. 1, S. 105—108.
5) Siehe darüber Virchow’s Bericht in den Verhandl. der Berliner anthropol. Gesellschaft. 1872. S. 174 ff.
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Das menschliche Gehirn.
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„ Asiaten 88,7 1768
„Afrikanern 86,2 1718
„Australiern 81,7 1628
Neben diesen Mitteln aus zahlreichen Einzelwerthen ist es rathsam,
auch auf die Schwankungen einen Blick zu werfen. So stiess
Morton unter allen Racenschädeln auf einen kleinsten von 63 und
auf einen grössten von 114 Cubikzoll (engl.) Rauminhalt 1). Barnard
Davis aber besitzt einen altrömischen Schädel mit nur 62 Cubikzoll
und einen irischen mit 121,6. Ein andrer irischer Schädel im
Museum Bateman erreicht sogar 124,2 Cubikzoll 2). Selbst innerhalb
eines Volkstammes können die grössten Sprünge vorkommen, da
toskanische Schädel noch tief an Rauminhalt hinter dem engsten
Australierschädel zurückbleiben. Bei einem 23jährigen Florentiner
Dienstmädchen traf Paolo Mantegazza nur 1046 Cub. Cm., bei
einem erwachsenen Florentiner aber 1727 Cub. Cm. und bei einem
angeblich etruskischen Krieger sogar 1750 Cub. Cm. 3)
Sollte die geringe mittlere Geräumigkeit des Schädels in einem
ursächlichen Zusammenhang stehen mit einer verzögerten geistigen
Entwicklung, so dürften wir erwarten, dass auch die Schädel der
Alteuropäer geringere Maasse wie die ihrer Nachkommen aufweisen
würden. An dazu ermuthigenden Thatsachen ist kein Mangel.
Broca will eine zunehmende Geräumigkeit der heutigen Pariser
Schädel (1462—1484 Cub. Cm.) gegen solche aus dem 12. Jahr-
hundert (1426 Cub. Cm.) gefunden haben 4). Schädel von Altgriechen,
nämlich der einer wohlhabenden Dame Namens Glykera aus der
makedonischen Zeit mit nur 1150 Cub. Cm., sowie eines Mannes
mit 1280 Cub. Cm., die kürzlich in Athen ausgegraben wurden,
begünstigen diese Ansicht 5). Umgekehrt haben His und Rütimeyer
für ihren Disentis- oder alemannischen Typus, dem drei Viertel der
heutigen Schweizer angehören, im Mittel 1377 Cub. Cm., für den
Hohbergtypus, angeblich Altrömer, 1437 Cub. Cm. und für den
1) Huxley, Stellung des Menschen in der Natur. S. 87.
2) Thesaurus craniorum, p. 360, p. 65.
3) Archivio per l’antropologia. Firenze 1871. vol. I. p. 53 sq.
4) Nach Broca bei Carl Vogt, Vorlesungen über den Menschen, Bd. 1,
S. 105—108.
5) Siehe darüber Virchow’s Bericht in den Verhandl. der Berliner
anthropol. Gesellschaft. 1872. S. 174 ff.
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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/88>, abgerufen am 23.12.2024.
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