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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Das menschliche Gehirn.
stande gewogen, fand er das Gehirn eines weiblichen Mikrocephalen
nur 30 und das eines männlichen sogar nur 20 Loth schwer. Bei
diesen unglücklichen Geschöpfen lässt sich ausser einer verlängerten
Form der Gehirnschale und einem starken Vorspringen der Kiefern
an dem Schädel nichts Thierisches wahrnehmen, denn Virchow hat
entschieden der Behauptung Carl Vogts widersprochen, dass die
Stellung der Hinterhauptsöffnung eine regelwidrige sei. Das gleiche
gelte von den Verhältnissen des Grundbeines, die natürlich bei
erwachsenen Mikrocephalen und erwachsenen Affen, bei jungen
Mikrocephalen und jungen Affen und zwar hohen Affen, nicht bei
erwachsenen Mikrocephalen und jungen Affen verglichen werden
müssen 1). Carl Vogt hatte nun gewagt, die Schädel von solchen
verkümmerten Menschen mit Affenschädeln zu vergleichen. Nach
seinen Befunden betrug die Geräumigkeit der Hirnschale bei einem
Blödsinnigen 622, bei einem andern 460 Cubikcentimeter, während
ein männlicher Gorill 500 Cubikcentimeter erreichte 2). Gestützt
auf diese Untersuchungen wollte er in jenen menschlichen Miss-
bildungen einen Rückschlag oder in der Sprache der Darwinischen
Lehre einen Atavismus wahrnehmen, der durch Wiederkehr von
Ahnenmerkmalen aus weit entlegener Vorzeit uns über die thierische
Abkunft unserer Voreltern eine Beglaubigung gewähren sollte 3).
Allein auf der dritten Versammlung der deutschen anthropolo-
gischen Gesellschaft erhoben sich alle Fachkenner gegen diese
Deutung der Thatsachen. Fast mit denselben Ausdrücken wurden
die Mikrocephalen als menschliche Geschöpfe anerkannt, die durch
krankhafte Hemmung sich nicht entwickeln konnten und durchaus
nicht etwa als vermittelnde Glieder die Kluft füllen, welche den
Menschen von den ihm ähnlichsten Geschöpfen der Thierwelt
trennt. Schon dass den Blödsinnigen die Geschlechtskraft fehlt,
zeigt uns, dass die Vorfahren der Menschen nie auf einer
Mikrocephalenstufe gestanden haben, dass nie irgend ein Erdraum
in der Vorzeit von Cretinen bevölkert gewesen war 4).

So gelangen wir zu dem Satze, dass nur das menschliche

1) Menschen- und Affenschädel. S. 31.
2) Memoire sur les Microcephales in Mem. de l'Institut national genevois.
Tome IX. Geneve 1867. p 54.
3) l. c. p. 197.
4) Vgl. die Reden v. Luschka's, Virchow's, Ecker's, Schaaffhausen's und

Das menschliche Gehirn.
stande gewogen, fand er das Gehirn eines weiblichen Mikrocephalen
nur 30 und das eines männlichen sogar nur 20 Loth schwer. Bei
diesen unglücklichen Geschöpfen lässt sich ausser einer verlängerten
Form der Gehirnschale und einem starken Vorspringen der Kiefern
an dem Schädel nichts Thierisches wahrnehmen, denn Virchow hat
entschieden der Behauptung Carl Vogts widersprochen, dass die
Stellung der Hinterhauptsöffnung eine regelwidrige sei. Das gleiche
gelte von den Verhältnissen des Grundbeines, die natürlich bei
erwachsenen Mikrocephalen und erwachsenen Affen, bei jungen
Mikrocephalen und jungen Affen und zwar hohen Affen, nicht bei
erwachsenen Mikrocephalen und jungen Affen verglichen werden
müssen 1). Carl Vogt hatte nun gewagt, die Schädel von solchen
verkümmerten Menschen mit Affenschädeln zu vergleichen. Nach
seinen Befunden betrug die Geräumigkeit der Hirnschale bei einem
Blödsinnigen 622, bei einem andern 460 Cubikcentimeter, während
ein männlicher Gorill 500 Cubikcentimeter erreichte 2). Gestützt
auf diese Untersuchungen wollte er in jenen menschlichen Miss-
bildungen einen Rückschlag oder in der Sprache der Darwinischen
Lehre einen Atavismus wahrnehmen, der durch Wiederkehr von
Ahnenmerkmalen aus weit entlegener Vorzeit uns über die thierische
Abkunft unserer Voreltern eine Beglaubigung gewähren sollte 3).
Allein auf der dritten Versammlung der deutschen anthropolo-
gischen Gesellschaft erhoben sich alle Fachkenner gegen diese
Deutung der Thatsachen. Fast mit denselben Ausdrücken wurden
die Mikrocephalen als menschliche Geschöpfe anerkannt, die durch
krankhafte Hemmung sich nicht entwickeln konnten und durchaus
nicht etwa als vermittelnde Glieder die Kluft füllen, welche den
Menschen von den ihm ähnlichsten Geschöpfen der Thierwelt
trennt. Schon dass den Blödsinnigen die Geschlechtskraft fehlt,
zeigt uns, dass die Vorfahren der Menschen nie auf einer
Mikrocephalenstufe gestanden haben, dass nie irgend ein Erdraum
in der Vorzeit von Cretinen bevölkert gewesen war 4).

So gelangen wir zu dem Satze, dass nur das menschliche

1) Menschen- und Affenschädel. S. 31.
2) Mémoire sur les Microcéphales in Mém. de l’Institut national genevois.
Tome IX. Genève 1867. p 54.
3) l. c. p. 197.
4) Vgl. die Reden v. Luschka’s, Virchow’s, Ecker’s, Schaaffhausen’s und
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[68/0086] Das menschliche Gehirn. stande gewogen, fand er das Gehirn eines weiblichen Mikrocephalen nur 30 und das eines männlichen sogar nur 20 Loth schwer. Bei diesen unglücklichen Geschöpfen lässt sich ausser einer verlängerten Form der Gehirnschale und einem starken Vorspringen der Kiefern an dem Schädel nichts Thierisches wahrnehmen, denn Virchow hat entschieden der Behauptung Carl Vogts widersprochen, dass die Stellung der Hinterhauptsöffnung eine regelwidrige sei. Das gleiche gelte von den Verhältnissen des Grundbeines, die natürlich bei erwachsenen Mikrocephalen und erwachsenen Affen, bei jungen Mikrocephalen und jungen Affen und zwar hohen Affen, nicht bei erwachsenen Mikrocephalen und jungen Affen verglichen werden müssen 1). Carl Vogt hatte nun gewagt, die Schädel von solchen verkümmerten Menschen mit Affenschädeln zu vergleichen. Nach seinen Befunden betrug die Geräumigkeit der Hirnschale bei einem Blödsinnigen 622, bei einem andern 460 Cubikcentimeter, während ein männlicher Gorill 500 Cubikcentimeter erreichte 2). Gestützt auf diese Untersuchungen wollte er in jenen menschlichen Miss- bildungen einen Rückschlag oder in der Sprache der Darwinischen Lehre einen Atavismus wahrnehmen, der durch Wiederkehr von Ahnenmerkmalen aus weit entlegener Vorzeit uns über die thierische Abkunft unserer Voreltern eine Beglaubigung gewähren sollte 3). Allein auf der dritten Versammlung der deutschen anthropolo- gischen Gesellschaft erhoben sich alle Fachkenner gegen diese Deutung der Thatsachen. Fast mit denselben Ausdrücken wurden die Mikrocephalen als menschliche Geschöpfe anerkannt, die durch krankhafte Hemmung sich nicht entwickeln konnten und durchaus nicht etwa als vermittelnde Glieder die Kluft füllen, welche den Menschen von den ihm ähnlichsten Geschöpfen der Thierwelt trennt. Schon dass den Blödsinnigen die Geschlechtskraft fehlt, zeigt uns, dass die Vorfahren der Menschen nie auf einer Mikrocephalenstufe gestanden haben, dass nie irgend ein Erdraum in der Vorzeit von Cretinen bevölkert gewesen war 4). So gelangen wir zu dem Satze, dass nur das menschliche 1) Menschen- und Affenschädel. S. 31. 2) Mémoire sur les Microcéphales in Mém. de l’Institut national genevois. Tome IX. Genève 1867. p 54. 3) l. c. p. 197. 4) Vgl. die Reden v. Luschka’s, Virchow’s, Ecker’s, Schaaffhausen’s und

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/86>, abgerufen am 23.12.2024.