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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Die Grössenverhältnisse des Gehirnschädels.
des teutonischen Stammes unter den Augen hatte. Es lauten
aber die Ziffern des Breitenindex bei Schweden 75,2, bei Hollän-
dern 75,3, und nach einer andern holländischen Serie 75,9, bei
Engländern 76,0, endlich bei Dänen und Isländern 76,1. Da die
Mesocephalie bei einem Breitenindex von 74 beginnt, und bei einem
solchen von 79 aufhört, so stehen die Teutonen Nordeuropa's der
Dolichocephalie näher als der Brachycephalie.

Bei deutschen Schädeln finden wir dagegen folgende Ziffern:
in Hannover 76,7, in der Umgegend von Jena 76,9, in Holstein
77,2, bei Bonn und Köln 77,4, in Hessen 79,2, in Schwaben 79,3 1),
in Bayern 79,8, in Unterfranken 80,0, im Breisgau 80,1. Der
nächste Gedanke diese Unterschiede zu erklären, möchte vielleicht
dahin führen, einer Mischung mit Kelten den wachsenden Breiten-
index in Süddeutschland zuzuschreiben, allein die Kelten neigen
nicht sehr stark znr Brachycephalie, die Franzosen werden z. B.
nur mit 79,5, und die Irländer sogar nur mit 73,4 aufgeführt. Eine
Mischung von Teutonen und Kelten sollten wir in Schottland finden,
der dortige Index aber lautet nur 75,9.

Müssen wir die Kelten aufgeben, so denken wir zunächst an
die Slaven. Bei ihnen finden wir sehr achtungswerthe Indices wie
78,8 bei Serben, 79,1 bei Kleinrussen, 79,4 bei Polen, 80,0 bei Ru-
mänen, 80,1 bei Grossrussen, 80,4 bei Ruthenen, 81,0 bei Slovaken,
82,0 bei Croaten, und 82,1 bei Tschechen. Die letzteren sind also
unter den Slaven die grössten Breitköpfe. Nun würde eine Mi-
schung mit Slaven die Brachycephalie wohl in Thüringen erklären,
nicht aber im südwestlichen Deutschland, und vor allem gar nicht
bei den teutonischen Schweizern, wo sich der Index auf 81,4 em-
porschwingt 2). Ausserdem müssten die Deutschösterreicher, welche
doch mitten unter Slaven sitzen, brachycephaler erscheinen als die
Deutschen. Das Indexmittel der Deutschen lautet aber 78,7, und
das der Deutsch-Oesterreicher 78,8 3), folglich ist der Unterschied

1) Schillers Schädel besitzt einen Breitenindex von 82.
2) Weisbach fand den Breitenindex der Deutschösterreicher zu 81,1, den
der Czechen zu 83,6. Da er den Schädel an der breitesten Stelle misst, so
erklären sich seine von Welcker abweichenden Ziffern genügend. Archiv für
Anthropologie. Bd. 2. S. 293.
3) His gibt sogar dem alemannischen Schweizerschädel (Disentistypus)
einen Breitenindex von 86,5, einen Höhenindex von 81,8. His und Rüti-
meyer, Crania helvetica. Basel 1864. S. 11.

Die Grössenverhältnisse des Gehirnschädels.
des teutonischen Stammes unter den Augen hatte. Es lauten
aber die Ziffern des Breitenindex bei Schweden 75,2, bei Hollän-
dern 75,3, und nach einer andern holländischen Serie 75,9, bei
Engländern 76,0, endlich bei Dänen und Isländern 76,1. Da die
Mesocephalie bei einem Breitenindex von 74 beginnt, und bei einem
solchen von 79 aufhört, so stehen die Teutonen Nordeuropa’s der
Dolichocephalie näher als der Brachycephalie.

Bei deutschen Schädeln finden wir dagegen folgende Ziffern:
in Hannover 76,7, in der Umgegend von Jena 76,9, in Holstein
77,2, bei Bonn und Köln 77,4, in Hessen 79,2, in Schwaben 79,3 1),
in Bayern 79,8, in Unterfranken 80,0, im Breisgau 80,1. Der
nächste Gedanke diese Unterschiede zu erklären, möchte vielleicht
dahin führen, einer Mischung mit Kelten den wachsenden Breiten-
index in Süddeutschland zuzuschreiben, allein die Kelten neigen
nicht sehr stark znr Brachycephalie, die Franzosen werden z. B.
nur mit 79,5, und die Irländer sogar nur mit 73,4 aufgeführt. Eine
Mischung von Teutonen und Kelten sollten wir in Schottland finden,
der dortige Index aber lautet nur 75,9.

Müssen wir die Kelten aufgeben, so denken wir zunächst an
die Slaven. Bei ihnen finden wir sehr achtungswerthe Indices wie
78,8 bei Serben, 79,1 bei Kleinrussen, 79,4 bei Polen, 80,0 bei Ru-
mänen, 80,1 bei Grossrussen, 80,4 bei Ruthenen, 81,0 bei Slovaken,
82,0 bei Croaten, und 82,1 bei Tschechen. Die letzteren sind also
unter den Slaven die grössten Breitköpfe. Nun würde eine Mi-
schung mit Slaven die Brachycephalie wohl in Thüringen erklären,
nicht aber im südwestlichen Deutschland, und vor allem gar nicht
bei den teutonischen Schweizern, wo sich der Index auf 81,4 em-
porschwingt 2). Ausserdem müssten die Deutschösterreicher, welche
doch mitten unter Slaven sitzen, brachycephaler erscheinen als die
Deutschen. Das Indexmittel der Deutschen lautet aber 78,7, und
das der Deutsch-Oesterreicher 78,8 3), folglich ist der Unterschied

1) Schillers Schädel besitzt einen Breitenindex von 82.
2) Weisbach fand den Breitenindex der Deutschösterreicher zu 81,1, den
der Czechen zu 83,6. Da er den Schädel an der breitesten Stelle misst, so
erklären sich seine von Welcker abweichenden Ziffern genügend. Archiv für
Anthropologie. Bd. 2. S. 293.
3) His gibt sogar dem alemannischen Schweizerschädel (Disentistypus)
einen Breitenindex von 86,5, einen Höhenindex von 81,8. His und Rüti-
meyer, Crania helvetica. Basel 1864. S. 11.
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[59/0077] Die Grössenverhältnisse des Gehirnschädels. des teutonischen Stammes unter den Augen hatte. Es lauten aber die Ziffern des Breitenindex bei Schweden 75,2, bei Hollän- dern 75,3, und nach einer andern holländischen Serie 75,9, bei Engländern 76,0, endlich bei Dänen und Isländern 76,1. Da die Mesocephalie bei einem Breitenindex von 74 beginnt, und bei einem solchen von 79 aufhört, so stehen die Teutonen Nordeuropa’s der Dolichocephalie näher als der Brachycephalie. Bei deutschen Schädeln finden wir dagegen folgende Ziffern: in Hannover 76,7, in der Umgegend von Jena 76,9, in Holstein 77,2, bei Bonn und Köln 77,4, in Hessen 79,2, in Schwaben 79,3 1), in Bayern 79,8, in Unterfranken 80,0, im Breisgau 80,1. Der nächste Gedanke diese Unterschiede zu erklären, möchte vielleicht dahin führen, einer Mischung mit Kelten den wachsenden Breiten- index in Süddeutschland zuzuschreiben, allein die Kelten neigen nicht sehr stark znr Brachycephalie, die Franzosen werden z. B. nur mit 79,5, und die Irländer sogar nur mit 73,4 aufgeführt. Eine Mischung von Teutonen und Kelten sollten wir in Schottland finden, der dortige Index aber lautet nur 75,9. Müssen wir die Kelten aufgeben, so denken wir zunächst an die Slaven. Bei ihnen finden wir sehr achtungswerthe Indices wie 78,8 bei Serben, 79,1 bei Kleinrussen, 79,4 bei Polen, 80,0 bei Ru- mänen, 80,1 bei Grossrussen, 80,4 bei Ruthenen, 81,0 bei Slovaken, 82,0 bei Croaten, und 82,1 bei Tschechen. Die letzteren sind also unter den Slaven die grössten Breitköpfe. Nun würde eine Mi- schung mit Slaven die Brachycephalie wohl in Thüringen erklären, nicht aber im südwestlichen Deutschland, und vor allem gar nicht bei den teutonischen Schweizern, wo sich der Index auf 81,4 em- porschwingt 2). Ausserdem müssten die Deutschösterreicher, welche doch mitten unter Slaven sitzen, brachycephaler erscheinen als die Deutschen. Das Indexmittel der Deutschen lautet aber 78,7, und das der Deutsch-Oesterreicher 78,8 3), folglich ist der Unterschied 1) Schillers Schädel besitzt einen Breitenindex von 82. 2) Weisbach fand den Breitenindex der Deutschösterreicher zu 81,1, den der Czechen zu 83,6. Da er den Schädel an der breitesten Stelle misst, so erklären sich seine von Welcker abweichenden Ziffern genügend. Archiv für Anthropologie. Bd. 2. S. 293. 3) His gibt sogar dem alemannischen Schweizerschädel (Disentistypus) einen Breitenindex von 86,5, einen Höhenindex von 81,8. His und Rüti- meyer, Crania helvetica. Basel 1864. S. 11.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/77>, abgerufen am 23.12.2024.