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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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DIE KOERPERMERKMALE DER
MENSCHENRACEN
.
1. Die Grössenverhältnisse des Gehirnschädels.

Niemand läugnet, dass Hausthiere bei strenger Zuchtwahl
auf ihre Nachkommen alle elterlichen Besonderheiten vererben.
Ebenso war eine wenig zahlreiche Menschenhorde, die sich in der
Vorzeit durch Wanderung von der übrigen Menschheit absonderte
und in einem abgelegenen Erdraume Jahrtausende verharrte, durch
die Umstände gleichsam zur Reinzucht gezwungen und musste die
Familienzüge der ersten Auswandrer zu Racenmerkmalen befestigen.
Die Reinheit des erworbnen Typus erhielt sich aber nur so lange,
als die Absonderung dauerte, denn da die Unfruchtbarkeit der
menschlichen Spielarten unter einander nicht bewiesen werden kann,
die einzelnen Horden und Stämme vor und selbst nach dem Ueber-
gang zum Ackerbau beständig auf Wanderungen begriffen waren,
und eine Spielart unter die andre wieder hineindrang, so musste
auch durch Kreuzung ein Theil der Sondermerkmale immer wieder
verwischt werden. So dürfen wir denn höchstens nur dort, wo
eine Abtrennung von andern Spielarten entweder durch Abgelegen-
heit der Wohnorte oder durch Kastenvorschriften während langer
Zeiträume aufrecht erhalten wurde, einigermassen gut begrenzte
Racen anzutreffen hoffen, überall anderwärts werden sie in einander
überfliessen. Vielleicht wird sich ergeben, dass auch nicht ein ein-
ziges Körpermerkmal einer Race ausschliesslich angehöre, sondern
in Uebergängen auch bei andern angetroffen werde. Daher kann
sich die Völkerbeschreibung nur auf eine Mehrzahl von Erkennungs-
zeichen stützen und sie darf kein einziges verschmähen, so sehr
es auch in seinem Betrage schwanken mag.

Merkmale am menschlichen Körper, die zur Unterscheidung
der Racen dienen könnten, wird ein jeder unwillkürlich zuerst in

Peschel Völkerkunde. 4
DIE KOERPERMERKMALE DER
MENSCHENRACEN
.
1. Die Grössenverhältnisse des Gehirnschädels.

Niemand läugnet, dass Hausthiere bei strenger Zuchtwahl
auf ihre Nachkommen alle elterlichen Besonderheiten vererben.
Ebenso war eine wenig zahlreiche Menschenhorde, die sich in der
Vorzeit durch Wanderung von der übrigen Menschheit absonderte
und in einem abgelegenen Erdraume Jahrtausende verharrte, durch
die Umstände gleichsam zur Reinzucht gezwungen und musste die
Familienzüge der ersten Auswandrer zu Racenmerkmalen befestigen.
Die Reinheit des erworbnen Typus erhielt sich aber nur so lange,
als die Absonderung dauerte, denn da die Unfruchtbarkeit der
menschlichen Spielarten unter einander nicht bewiesen werden kann,
die einzelnen Horden und Stämme vor und selbst nach dem Ueber-
gang zum Ackerbau beständig auf Wanderungen begriffen waren,
und eine Spielart unter die andre wieder hineindrang, so musste
auch durch Kreuzung ein Theil der Sondermerkmale immer wieder
verwischt werden. So dürfen wir denn höchstens nur dort, wo
eine Abtrennung von andern Spielarten entweder durch Abgelegen-
heit der Wohnorte oder durch Kastenvorschriften während langer
Zeiträume aufrecht erhalten wurde, einigermassen gut begrenzte
Racen anzutreffen hoffen, überall anderwärts werden sie in einander
überfliessen. Vielleicht wird sich ergeben, dass auch nicht ein ein-
ziges Körpermerkmal einer Race ausschliesslich angehöre, sondern
in Uebergängen auch bei andern angetroffen werde. Daher kann
sich die Völkerbeschreibung nur auf eine Mehrzahl von Erkennungs-
zeichen stützen und sie darf kein einziges verschmähen, so sehr
es auch in seinem Betrage schwanken mag.

Merkmale am menschlichen Körper, die zur Unterscheidung
der Racen dienen könnten, wird ein jeder unwillkürlich zuerst in

Peschel Völkerkunde. 4
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[[49]/0067] DIE KOERPERMERKMALE DER MENSCHENRACEN. 1. Die Grössenverhältnisse des Gehirnschädels. Niemand läugnet, dass Hausthiere bei strenger Zuchtwahl auf ihre Nachkommen alle elterlichen Besonderheiten vererben. Ebenso war eine wenig zahlreiche Menschenhorde, die sich in der Vorzeit durch Wanderung von der übrigen Menschheit absonderte und in einem abgelegenen Erdraume Jahrtausende verharrte, durch die Umstände gleichsam zur Reinzucht gezwungen und musste die Familienzüge der ersten Auswandrer zu Racenmerkmalen befestigen. Die Reinheit des erworbnen Typus erhielt sich aber nur so lange, als die Absonderung dauerte, denn da die Unfruchtbarkeit der menschlichen Spielarten unter einander nicht bewiesen werden kann, die einzelnen Horden und Stämme vor und selbst nach dem Ueber- gang zum Ackerbau beständig auf Wanderungen begriffen waren, und eine Spielart unter die andre wieder hineindrang, so musste auch durch Kreuzung ein Theil der Sondermerkmale immer wieder verwischt werden. So dürfen wir denn höchstens nur dort, wo eine Abtrennung von andern Spielarten entweder durch Abgelegen- heit der Wohnorte oder durch Kastenvorschriften während langer Zeiträume aufrecht erhalten wurde, einigermassen gut begrenzte Racen anzutreffen hoffen, überall anderwärts werden sie in einander überfliessen. Vielleicht wird sich ergeben, dass auch nicht ein ein- ziges Körpermerkmal einer Race ausschliesslich angehöre, sondern in Uebergängen auch bei andern angetroffen werde. Daher kann sich die Völkerbeschreibung nur auf eine Mehrzahl von Erkennungs- zeichen stützen und sie darf kein einziges verschmähen, so sehr es auch in seinem Betrage schwanken mag. Merkmale am menschlichen Körper, die zur Unterscheidung der Racen dienen könnten, wird ein jeder unwillkürlich zuerst in Peschel Völkerkunde. 4

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. [49]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/67>, abgerufen am 19.11.2024.