Aller Scharfsinn der Untersucher scheiterte aber an dem Uebelstande, dass weder das Wachsthum des Torfes, noch die Absätze von Ge- birgsschutt so stetig fortschreiten wie das Abrinnen des Sandes in einem Stundenglase, sondern dass bei solchen Bildungen Zeiträume der Ruhe mit Zeiträumen einer hastigen Thätigkeit wechseln. Gegen- wärtig fehlt es also an jeder zwingenden Thatsache, um irgend einen Rest der Pfahlbauerzeit für älter zu halten als die Pyramiden am Nil, ja nicht einmal derjenige könnte streng widerlegt werden, der die Hinterlassenschaft der schweizerischen Steinzeit in das zweite Jahrtausend vor Chr. versetzen wollte.
Selbst in Aegypten ist es nicht völlig geglückt einen verlässigen Zeitausdruck für sehr alte Zeugnisse von der Gegenwart des Men- schen zu finden. Unter der Leitung eines äusserst vorsichtigen Geologen, Leonhard Horner wurden von einem trefflichen Inge- nieur Hekekyan Bey, einem armenischen Katholiken, in den Jahren 1851--1854 nicht weniger als 96 Bohrlöcher in vier Reihen vom Nil senkrecht bis zu Abständen von acht engl. Meilen abgeteuft. Die meisten dieser Ausgrabungen lieferten auf verschiednen Tiefen Reste von Hausthieren, Trümmer von Backsteinen und von Ge- schirren. Nicht immer verstatteten solche Reliquien eine befriedi- gende Zeitbestimmung, weil die durchstochenen Schichten oft von Sandlagern durchsetzt wurden, die dem Wüstenwinde ihre Ent- stehung verdankten. In unmittelbarer Nähe des Steinbildes von Ramses II. bei Memphis wurde jedoch unter Schichten reinen Nil- schlammes, die nicht vom Wüstensande überweht worden waren aus 39' (feet) Tiefe ein roth gebrannter Thonscherben hervor- gezogen. Seit das Ramsesbild errichtet wurde, nämlich seit 1361 v. Chr. etwa, hatte sich um dieses eine Nilschicht von 9 Fuss 4 Zoll, ungerechnet eine Sandschicht von 8 Zoll Mächtigkeit, an- gehäuft und der Masstab. der Alluvialbildung an jener Stelle hat seit 1361 v. Chr. demnach 31/2 Zoll im Jahrhundert betragen. Wäre also in gleicher Geschwindigkeit jener Töpferscherben vom Nil- schlamm eingehüllt worden, dann müssten schon 11,646 Jahre vor unsrer Zeitrechnung Gefässe aus Thon am Nil gebrannt worden sein 1). Gegen diese Berechnung sind viele unbegründete Ein- wände erhoben worden. Die einen vermutheten, dass der Nil
1)Leonhard Horner in Philosophical Transactions. London 1859. vol. 148. p. 74--75.
Das Alter des Menschengeschlechtes.
Aller Scharfsinn der Untersucher scheiterte aber an dem Uebelstande, dass weder das Wachsthum des Torfes, noch die Absätze von Ge- birgsschutt so stetig fortschreiten wie das Abrinnen des Sandes in einem Stundenglase, sondern dass bei solchen Bildungen Zeiträume der Ruhe mit Zeiträumen einer hastigen Thätigkeit wechseln. Gegen- wärtig fehlt es also an jeder zwingenden Thatsache, um irgend einen Rest der Pfahlbauerzeit für älter zu halten als die Pyramiden am Nil, ja nicht einmal derjenige könnte streng widerlegt werden, der die Hinterlassenschaft der schweizerischen Steinzeit in das zweite Jahrtausend vor Chr. versetzen wollte.
Selbst in Aegypten ist es nicht völlig geglückt einen verlässigen Zeitausdruck für sehr alte Zeugnisse von der Gegenwart des Men- schen zu finden. Unter der Leitung eines äusserst vorsichtigen Geologen, Leonhard Horner wurden von einem trefflichen Inge- nieur Hekekyan Bey, einem armenischen Katholiken, in den Jahren 1851—1854 nicht weniger als 96 Bohrlöcher in vier Reihen vom Nil senkrecht bis zu Abständen von acht engl. Meilen abgeteuft. Die meisten dieser Ausgrabungen lieferten auf verschiednen Tiefen Reste von Hausthieren, Trümmer von Backsteinen und von Ge- schirren. Nicht immer verstatteten solche Reliquien eine befriedi- gende Zeitbestimmung, weil die durchstochenen Schichten oft von Sandlagern durchsetzt wurden, die dem Wüstenwinde ihre Ent- stehung verdankten. In unmittelbarer Nähe des Steinbildes von Ramses II. bei Memphis wurde jedoch unter Schichten reinen Nil- schlammes, die nicht vom Wüstensande überweht worden waren aus 39′ (feet) Tiefe ein roth gebrannter Thonscherben hervor- gezogen. Seit das Ramsesbild errichtet wurde, nämlich seit 1361 v. Chr. etwa, hatte sich um dieses eine Nilschicht von 9 Fuss 4 Zoll, ungerechnet eine Sandschicht von 8 Zoll Mächtigkeit, an- gehäuft und der Masstab. der Alluvialbildung an jener Stelle hat seit 1361 v. Chr. demnach 3½ Zoll im Jahrhundert betragen. Wäre also in gleicher Geschwindigkeit jener Töpferscherben vom Nil- schlamm eingehüllt worden, dann müssten schon 11,646 Jahre vor unsrer Zeitrechnung Gefässe aus Thon am Nil gebrannt worden sein 1). Gegen diese Berechnung sind viele unbegründete Ein- wände erhoben worden. Die einen vermutheten, dass der Nil
1)Leonhard Horner in Philosophical Transactions. London 1859. vol. 148. p. 74—75.
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Das Alter des Menschengeschlechtes.
Aller Scharfsinn der Untersucher scheiterte aber an dem Uebelstande,
dass weder das Wachsthum des Torfes, noch die Absätze von Ge-
birgsschutt so stetig fortschreiten wie das Abrinnen des Sandes in
einem Stundenglase, sondern dass bei solchen Bildungen Zeiträume
der Ruhe mit Zeiträumen einer hastigen Thätigkeit wechseln. Gegen-
wärtig fehlt es also an jeder zwingenden Thatsache, um irgend
einen Rest der Pfahlbauerzeit für älter zu halten als die Pyramiden
am Nil, ja nicht einmal derjenige könnte streng widerlegt werden,
der die Hinterlassenschaft der schweizerischen Steinzeit in das
zweite Jahrtausend vor Chr. versetzen wollte.
Selbst in Aegypten ist es nicht völlig geglückt einen verlässigen
Zeitausdruck für sehr alte Zeugnisse von der Gegenwart des Men-
schen zu finden. Unter der Leitung eines äusserst vorsichtigen
Geologen, Leonhard Horner wurden von einem trefflichen Inge-
nieur Hekekyan Bey, einem armenischen Katholiken, in den Jahren
1851—1854 nicht weniger als 96 Bohrlöcher in vier Reihen vom
Nil senkrecht bis zu Abständen von acht engl. Meilen abgeteuft.
Die meisten dieser Ausgrabungen lieferten auf verschiednen Tiefen
Reste von Hausthieren, Trümmer von Backsteinen und von Ge-
schirren. Nicht immer verstatteten solche Reliquien eine befriedi-
gende Zeitbestimmung, weil die durchstochenen Schichten oft von
Sandlagern durchsetzt wurden, die dem Wüstenwinde ihre Ent-
stehung verdankten. In unmittelbarer Nähe des Steinbildes von
Ramses II. bei Memphis wurde jedoch unter Schichten reinen Nil-
schlammes, die nicht vom Wüstensande überweht worden waren
aus 39′ (feet) Tiefe ein roth gebrannter Thonscherben hervor-
gezogen. Seit das Ramsesbild errichtet wurde, nämlich seit 1361
v. Chr. etwa, hatte sich um dieses eine Nilschicht von 9 Fuss
4 Zoll, ungerechnet eine Sandschicht von 8 Zoll Mächtigkeit, an-
gehäuft und der Masstab. der Alluvialbildung an jener Stelle hat
seit 1361 v. Chr. demnach 3½ Zoll im Jahrhundert betragen. Wäre
also in gleicher Geschwindigkeit jener Töpferscherben vom Nil-
schlamm eingehüllt worden, dann müssten schon 11,646 Jahre vor
unsrer Zeitrechnung Gefässe aus Thon am Nil gebrannt worden
sein 1). Gegen diese Berechnung sind viele unbegründete Ein-
wände erhoben worden. Die einen vermutheten, dass der Nil
1) Leonhard Horner in Philosophical Transactions. London 1859.
vol. 148. p. 74—75.
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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/64>, abgerufen am 23.12.2024.
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