Indienfahrer aus Ophir, dem Abhira an der Indusmündung1). Es waren also die östlichen Ländergebiete, welche ihr Füllhorn haupt- sächlich über Südeuropa umstürzten und im Vergleich zu ihren Gaben konnte die neue Welt nur wenig mehr hinzufügen: eine einzige Getreideart, den Mais, eine einzige Knollenfrucht, die Kar- toffel, als häufige Zierde südlicher Landschaften noch die Agave und die Feigendistel.
Aber nicht bloss Gaben der Ceres, nicht bloss die stillen Zierden unserer Gärten oder Haine, die lockenden Früchte unserer Obstreviere mussten erst aus dem Morgenlande nach dem Mittel- meere wandern, auch die höchsten geistigen Schätze schlugen den- selben Weg ein. Die Kunst, das gesprochene Wort in seine ein- zelnen Laute zu zerlegen, und diese Laute durch Symbole sicht- bar werden zu lassen, empfingen die Griechen zuerst aus Klein- asien. Durch ägyptische und assyrische Muster wurden sie zuerst angeregt, den Stein in Bild- und Bauwerken zu beseelen. Endlich verbreiteten sich aus dem Orient, aus der Wüste zumal, wo Sonne und Gestirne durch reine Luft beständig ungetrübt strahlen und funkeln, fromme Begeisterung sich häufiger regt und Sehergabe leich- ter sich entzündet, verklärtere Religionen und durch sie eine merk- liche Milderung der Sitten. Selbst vor wenig länger als tausend Jahren brachten uns noch die Araber aus Indien die scharfsinnig- ste Erfindung nach der Lautschrift, nämlich unsere neuen Zahl- zeichen und die Kunst, ihren Rang in der Decimalordnung durch den Stellenwerth zu bestimmen.
Während wir das Morgenland als die Mutter der höchsten Erfindungen, aller freundlichen Verbesserungen des häuslichen Da- seins, aller geistigen Verklärungen verehren müssen, blieben da- gegen bis auf den heutigen Tag seine Völker auf niederen Stufen der menschlichen Gesellschaft stehen, nämlich auf der Herrschaft der Einzelnwillkühr, mehr oder weniger gemischt und gemildert durch Theokratie, nie befreit von dem Unsegen der Vielweiberei, bei welcher Geschwisterliebe nie zu keimen vermag und Harems- umtriebe und Palastrevolutionen einen beständigen Wechsel der Herrscherhäuser nach sich ziehen. Diesem Mangel gegenüber war vorauszusehen, dass, wenn in einer andern Völkerfamilie, wenn
1) Näheren Aufschluss gewährt V. Hehn, die Culturpflanzen und Haus- thiere. Berlin 1870.
Die mittelländische Race.
Indienfahrer aus Ophir, dem Abhira an der Indusmündung1). Es waren also die östlichen Ländergebiete, welche ihr Füllhorn haupt- sächlich über Südeuropa umstürzten und im Vergleich zu ihren Gaben konnte die neue Welt nur wenig mehr hinzufügen: eine einzige Getreideart, den Mais, eine einzige Knollenfrucht, die Kar- toffel, als häufige Zierde südlicher Landschaften noch die Agave und die Feigendistel.
Aber nicht bloss Gaben der Ceres, nicht bloss die stillen Zierden unserer Gärten oder Haine, die lockenden Früchte unserer Obstreviere mussten erst aus dem Morgenlande nach dem Mittel- meere wandern, auch die höchsten geistigen Schätze schlugen den- selben Weg ein. Die Kunst, das gesprochene Wort in seine ein- zelnen Laute zu zerlegen, und diese Laute durch Symbole sicht- bar werden zu lassen, empfingen die Griechen zuerst aus Klein- asien. Durch ägyptische und assyrische Muster wurden sie zuerst angeregt, den Stein in Bild- und Bauwerken zu beseelen. Endlich verbreiteten sich aus dem Orient, aus der Wüste zumal, wo Sonne und Gestirne durch reine Luft beständig ungetrübt strahlen und funkeln, fromme Begeisterung sich häufiger regt und Sehergabe leich- ter sich entzündet, verklärtere Religionen und durch sie eine merk- liche Milderung der Sitten. Selbst vor wenig länger als tausend Jahren brachten uns noch die Araber aus Indien die scharfsinnig- ste Erfindung nach der Lautschrift, nämlich unsere neuen Zahl- zeichen und die Kunst, ihren Rang in der Decimalordnung durch den Stellenwerth zu bestimmen.
Während wir das Morgenland als die Mutter der höchsten Erfindungen, aller freundlichen Verbesserungen des häuslichen Da- seins, aller geistigen Verklärungen verehren müssen, blieben da- gegen bis auf den heutigen Tag seine Völker auf niederen Stufen der menschlichen Gesellschaft stehen, nämlich auf der Herrschaft der Einzelnwillkühr, mehr oder weniger gemischt und gemildert durch Theokratie, nie befreit von dem Unsegen der Vielweiberei, bei welcher Geschwisterliebe nie zu keimen vermag und Harems- umtriebe und Palastrevolutionen einen beständigen Wechsel der Herrscherhäuser nach sich ziehen. Diesem Mangel gegenüber war vorauszusehen, dass, wenn in einer andern Völkerfamilie, wenn
1) Näheren Aufschluss gewährt V. Hehn, die Culturpflanzen und Haus- thiere. Berlin 1870.
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Die mittelländische Race.
Indienfahrer aus Ophir, dem Abhira an der Indusmündung 1). Es
waren also die östlichen Ländergebiete, welche ihr Füllhorn haupt-
sächlich über Südeuropa umstürzten und im Vergleich zu ihren
Gaben konnte die neue Welt nur wenig mehr hinzufügen: eine
einzige Getreideart, den Mais, eine einzige Knollenfrucht, die Kar-
toffel, als häufige Zierde südlicher Landschaften noch die Agave
und die Feigendistel.
Aber nicht bloss Gaben der Ceres, nicht bloss die stillen
Zierden unserer Gärten oder Haine, die lockenden Früchte unserer
Obstreviere mussten erst aus dem Morgenlande nach dem Mittel-
meere wandern, auch die höchsten geistigen Schätze schlugen den-
selben Weg ein. Die Kunst, das gesprochene Wort in seine ein-
zelnen Laute zu zerlegen, und diese Laute durch Symbole sicht-
bar werden zu lassen, empfingen die Griechen zuerst aus Klein-
asien. Durch ägyptische und assyrische Muster wurden sie zuerst
angeregt, den Stein in Bild- und Bauwerken zu beseelen. Endlich
verbreiteten sich aus dem Orient, aus der Wüste zumal, wo Sonne
und Gestirne durch reine Luft beständig ungetrübt strahlen und
funkeln, fromme Begeisterung sich häufiger regt und Sehergabe leich-
ter sich entzündet, verklärtere Religionen und durch sie eine merk-
liche Milderung der Sitten. Selbst vor wenig länger als tausend
Jahren brachten uns noch die Araber aus Indien die scharfsinnig-
ste Erfindung nach der Lautschrift, nämlich unsere neuen Zahl-
zeichen und die Kunst, ihren Rang in der Decimalordnung durch
den Stellenwerth zu bestimmen.
Während wir das Morgenland als die Mutter der höchsten
Erfindungen, aller freundlichen Verbesserungen des häuslichen Da-
seins, aller geistigen Verklärungen verehren müssen, blieben da-
gegen bis auf den heutigen Tag seine Völker auf niederen Stufen
der menschlichen Gesellschaft stehen, nämlich auf der Herrschaft
der Einzelnwillkühr, mehr oder weniger gemischt und gemildert
durch Theokratie, nie befreit von dem Unsegen der Vielweiberei,
bei welcher Geschwisterliebe nie zu keimen vermag und Harems-
umtriebe und Palastrevolutionen einen beständigen Wechsel der
Herrscherhäuser nach sich ziehen. Diesem Mangel gegenüber war
vorauszusehen, dass, wenn in einer andern Völkerfamilie, wenn
1) Näheren Aufschluss gewährt V. Hehn, die Culturpflanzen und Haus-
thiere. Berlin 1870.
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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 553. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/571>, abgerufen am 23.12.2024.
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