Bestand die Gunst der Gliederung Europa's in seiner Zu- gänglichkeit für fremde Cultur, so sind auch seine Bewohner, so weit unser geschichtliches Wissen zurückreicht, bis auf vier oder fünf Jahrhunderte rückwärts noch immer der empfangende Theil geblieben. Aus diesem Grunde war es wichtig, dass Europa als asiatische Halbinsel der alten Welt angehörte, denn geräumige Ländermassen sind vorzugsweise reich an solchen Thier- und Pflanzenarten, die zu den Bewohnern in irgend eine gesellige Be- ziehung treten können, und wirklich stammt mehr als die Hälfte dessen, was den Gestaden des Mittelmeeres ihre landschaftlichen Zierden gewährt, aus dem Morgenlande. Nur der Weinstock, der Feigenbaum, der Lorbeer des Apoll (Laurus nobilis), der Oleander, werden bereits fossil in der Provence angetroffen1). Die immer- grüne Eiche, die Myrte und die Pinie gehörten ebenfalls wohl unter die einheimischen Gewächse. Der Oelbaum dagegen, der auf der griechischen Insel Santorin unter einer sehr alten Lava- schicht angetroffen wird, kam erst mit hellenischen Ansiedlern 600 v. Chr. zu Schiff nach Italien. Die Rebe, welche den süd- lichen Feuerwein spendet, wanderte von den Südabhängen des Kaukasus über Thracien ein, ihr folgte der Fasan von den Ufern des Phasis und die Apricose aus Armenien. Aus Persien kam die Platane, der Pfirsich, die Rose und die Lilie, während Melonen, Gurken und Kürbisse, lauter Steppenfrüchte, aus Turkistan erst spät durch die Hände der Slaven nach dem Abendlande gelangten. Dattelpalmen sahen die Hellenen zuerst in Phönicien, als unzer- trennliche Begleiter der Araber wanderten sie in das eroberte Spanien und landeten mit saracenischen Piraten an dem gefeierten Gestade zwischen Genua und Nizza. Aus dem semitischen Asien stammt auch die Cypresse, der Paradiesapfel, Kümmel und Senf, während Nordeuropa die Linse den Römern, die Erbse den Griechen verdankt. Von italienischen Gärtnern lernten unsere Vorfahren ihre wilde Schlehe durch Aufsetzen von Damascener Reisern zur Zwetschge zu veredeln und zu dem wilden Süss- kirschenbaum kam von Cerasus am Pontus die Weichsel. Der Haushahn wanderte aus Indien über Persien zunächst nach Griechenland und den Pfau brachten die hieramsalomonischen
1)Charles Martins in der Revue des deux Mondes, tom. LXXXV. pag. 633.
Die mittelländische Race.
Bestand die Gunst der Gliederung Europa’s in seiner Zu- gänglichkeit für fremde Cultur, so sind auch seine Bewohner, so weit unser geschichtliches Wissen zurückreicht, bis auf vier oder fünf Jahrhunderte rückwärts noch immer der empfangende Theil geblieben. Aus diesem Grunde war es wichtig, dass Europa als asiatische Halbinsel der alten Welt angehörte, denn geräumige Ländermassen sind vorzugsweise reich an solchen Thier- und Pflanzenarten, die zu den Bewohnern in irgend eine gesellige Be- ziehung treten können, und wirklich stammt mehr als die Hälfte dessen, was den Gestaden des Mittelmeeres ihre landschaftlichen Zierden gewährt, aus dem Morgenlande. Nur der Weinstock, der Feigenbaum, der Lorbeer des Apoll (Laurus nobilis), der Oleander, werden bereits fossil in der Provence angetroffen1). Die immer- grüne Eiche, die Myrte und die Pinie gehörten ebenfalls wohl unter die einheimischen Gewächse. Der Oelbaum dagegen, der auf der griechischen Insel Santorin unter einer sehr alten Lava- schicht angetroffen wird, kam erst mit hellenischen Ansiedlern 600 v. Chr. zu Schiff nach Italien. Die Rebe, welche den süd- lichen Feuerwein spendet, wanderte von den Südabhängen des Kaukasus über Thracien ein, ihr folgte der Fasan von den Ufern des Phasis und die Apricose aus Armenien. Aus Persien kam die Platane, der Pfirsich, die Rose und die Lilie, während Melonen, Gurken und Kürbisse, lauter Steppenfrüchte, aus Turkistan erst spät durch die Hände der Slaven nach dem Abendlande gelangten. Dattelpalmen sahen die Hellenen zuerst in Phönicien, als unzer- trennliche Begleiter der Araber wanderten sie in das eroberte Spanien und landeten mit saracenischen Piraten an dem gefeierten Gestade zwischen Genua und Nizza. Aus dem semitischen Asien stammt auch die Cypresse, der Paradiesapfel, Kümmel und Senf, während Nordeuropa die Linse den Römern, die Erbse den Griechen verdankt. Von italienischen Gärtnern lernten unsere Vorfahren ihre wilde Schlehe durch Aufsetzen von Damascener Reisern zur Zwetschge zu veredeln und zu dem wilden Süss- kirschenbaum kam von Cerasus am Pontus die Weichsel. Der Haushahn wanderte aus Indien über Persien zunächst nach Griechenland und den Pfau brachten die hieramsalomonischen
1)Charles Martins in der Revue des deux Mondes, tom. LXXXV. pag. 633.
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Die mittelländische Race.
Bestand die Gunst der Gliederung Europa’s in seiner Zu-
gänglichkeit für fremde Cultur, so sind auch seine Bewohner, so
weit unser geschichtliches Wissen zurückreicht, bis auf vier oder
fünf Jahrhunderte rückwärts noch immer der empfangende Theil
geblieben. Aus diesem Grunde war es wichtig, dass Europa als
asiatische Halbinsel der alten Welt angehörte, denn geräumige
Ländermassen sind vorzugsweise reich an solchen Thier- und
Pflanzenarten, die zu den Bewohnern in irgend eine gesellige Be-
ziehung treten können, und wirklich stammt mehr als die Hälfte
dessen, was den Gestaden des Mittelmeeres ihre landschaftlichen
Zierden gewährt, aus dem Morgenlande. Nur der Weinstock, der
Feigenbaum, der Lorbeer des Apoll (Laurus nobilis), der Oleander,
werden bereits fossil in der Provence angetroffen 1). Die immer-
grüne Eiche, die Myrte und die Pinie gehörten ebenfalls wohl
unter die einheimischen Gewächse. Der Oelbaum dagegen, der
auf der griechischen Insel Santorin unter einer sehr alten Lava-
schicht angetroffen wird, kam erst mit hellenischen Ansiedlern
600 v. Chr. zu Schiff nach Italien. Die Rebe, welche den süd-
lichen Feuerwein spendet, wanderte von den Südabhängen des
Kaukasus über Thracien ein, ihr folgte der Fasan von den Ufern
des Phasis und die Apricose aus Armenien. Aus Persien kam die
Platane, der Pfirsich, die Rose und die Lilie, während Melonen,
Gurken und Kürbisse, lauter Steppenfrüchte, aus Turkistan erst
spät durch die Hände der Slaven nach dem Abendlande gelangten.
Dattelpalmen sahen die Hellenen zuerst in Phönicien, als unzer-
trennliche Begleiter der Araber wanderten sie in das eroberte
Spanien und landeten mit saracenischen Piraten an dem gefeierten
Gestade zwischen Genua und Nizza. Aus dem semitischen Asien
stammt auch die Cypresse, der Paradiesapfel, Kümmel und Senf,
während Nordeuropa die Linse den Römern, die Erbse den
Griechen verdankt. Von italienischen Gärtnern lernten unsere
Vorfahren ihre wilde Schlehe durch Aufsetzen von Damascener
Reisern zur Zwetschge zu veredeln und zu dem wilden Süss-
kirschenbaum kam von Cerasus am Pontus die Weichsel. Der
Haushahn wanderte aus Indien über Persien zunächst nach
Griechenland und den Pfau brachten die hieramsalomonischen
1) Charles Martins in der Revue des deux Mondes, tom. LXXXV.
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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 552. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/570>, abgerufen am 23.12.2024.
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