Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

Bild:
<< vorherige Seite
Die mittelländische Race.

Die europäischen Arier theilten sich zunächst wieder in Nord-
und in Südeuropäer. Unter Nordeuropäern sind hier der letto-
slavische und der germanische Ast zu verstehen. Die Lettoslaven
verzweigten sich als Letten und Slaven, die Letten wieder in reine
Letten und in Litthauer, welchen letzteren auch die sprachlich
verschwundenen Preussen angehörten. Die Slaven wiederum
müssen als Ost- und Südslaven von den Westslaven getrennt
werden. Unter die Ostslaven gehören die Russen, mundartlich
geschieden als Grossrussen, Weissrussen, Kleinrussen oder Ruthenen,
wie sie in Galizien heissen. Zu den Südslaven dagegen zählen
die slovenischen Bewohner der Südostalpen in Oesterreich, ferner
die Bewohner Croatiens, Serbiens und Bosniens mit der Herzego-
wina. Während geringe Sprachunterschiede diese ebengenannten
Bevölkerungen trennen, hat sich das Bulgarische der Donau-
bulgaren ihnen stärker entfremdet. Romanisirte Südslaven sind
dagegen die Bewohner der Moldau und Walachei. Sprachlich
stehen sich Südslaven und Ostslaven näher als beide den West-
slaven. Zu letzteren gehören abgesehen von den deutsch gewor-
denen Elbeslaven zunächst die Wenden, welche in der Lausitz
eine rasch abmagernde Sprachinsel bilden1), dann die Polen in
Posen, in dem ehemaligen Königreich Polen und im westlichen
Galizien, drittens die Tschechen in Böhmen und Mähren, endlich
die Slovaken in den nördlichen Grafschaften Ungarns.

Der andere Ast der Nordeuropäer, der germanische, ver-
zweigte sich als Gothen, Skandinavier und Teutonen. Die gothische
Sprache ist längst verklungen und nur bewahrt in Ulfilas Bibel-
übersetzung. Die altnordische Sprache der Skandinavier hat sich
dagegen auf Island und den Faröern noch lebendig erhalten, in
der festländischen Heimat aber das Dänisch-norwegische und das
Schwedische erzeugt. Die Sprache der Teutonen zerfällt in die
nord- oder niederdeutschen Mundarten, wie das Friesische, Sächsi-
sche, Angelsächsische, Plattdeutsche, Holländische und Vlämische
und in das Mittel- und Süddeutsche, welches seit der Reformation
als Schriftsprache in Deutschland zur Herrschaft gelangt ist.

1) Das Zusammenschwinden dieser Sprache seit 1550 und 1750 hat
Richard Andree (Das Sprachgebiet der Lausitzer Wenden. Prag 1873.)
auf einer lehrreichen Karte zur Anschauung gebracht.
Die mittelländische Race.

Die europäischen Arier theilten sich zunächst wieder in Nord-
und in Südeuropäer. Unter Nordeuropäern sind hier der letto-
slavische und der germanische Ast zu verstehen. Die Lettoslaven
verzweigten sich als Letten und Slaven, die Letten wieder in reine
Letten und in Litthauer, welchen letzteren auch die sprachlich
verschwundenen Preussen angehörten. Die Slaven wiederum
müssen als Ost- und Südslaven von den Westslaven getrennt
werden. Unter die Ostslaven gehören die Russen, mundartlich
geschieden als Grossrussen, Weissrussen, Kleinrussen oder Ruthenen,
wie sie in Galizien heissen. Zu den Südslaven dagegen zählen
die slovenischen Bewohner der Südostalpen in Oesterreich, ferner
die Bewohner Croatiens, Serbiens und Bosniens mit der Herzego-
wina. Während geringe Sprachunterschiede diese ebengenannten
Bevölkerungen trennen, hat sich das Bulgarische der Donau-
bulgaren ihnen stärker entfremdet. Romanisirte Südslaven sind
dagegen die Bewohner der Moldau und Walachei. Sprachlich
stehen sich Südslaven und Ostslaven näher als beide den West-
slaven. Zu letzteren gehören abgesehen von den deutsch gewor-
denen Elbeslaven zunächst die Wenden, welche in der Lausitz
eine rasch abmagernde Sprachinsel bilden1), dann die Polen in
Posen, in dem ehemaligen Königreich Polen und im westlichen
Galizien, drittens die Tschechen in Böhmen und Mähren, endlich
die Slovaken in den nördlichen Grafschaften Ungarns.

Der andere Ast der Nordeuropäer, der germanische, ver-
zweigte sich als Gothen, Skandinavier und Teutonen. Die gothische
Sprache ist längst verklungen und nur bewahrt in Ulfilas Bibel-
übersetzung. Die altnordische Sprache der Skandinavier hat sich
dagegen auf Island und den Faröern noch lebendig erhalten, in
der festländischen Heimat aber das Dänisch-norwegische und das
Schwedische erzeugt. Die Sprache der Teutonen zerfällt in die
nord- oder niederdeutschen Mundarten, wie das Friesische, Sächsi-
sche, Angelsächsische, Plattdeutsche, Holländische und Vlämische
und in das Mittel- und Süddeutsche, welches seit der Reformation
als Schriftsprache in Deutschland zur Herrschaft gelangt ist.

1) Das Zusammenschwinden dieser Sprache seit 1550 und 1750 hat
Richard Andrée (Das Sprachgebiet der Lausitzer Wenden. Prag 1873.)
auf einer lehrreichen Karte zur Anschauung gebracht.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0560" n="542"/>
            <fw place="top" type="header">Die mittelländische Race.</fw><lb/>
            <p>Die europäischen Arier theilten sich zunächst wieder in Nord-<lb/>
und in Südeuropäer. Unter Nordeuropäern sind hier der letto-<lb/>
slavische und der germanische Ast zu verstehen. Die Lettoslaven<lb/>
verzweigten sich als Letten und Slaven, die Letten wieder in reine<lb/>
Letten und in Litthauer, welchen letzteren auch die sprachlich<lb/>
verschwundenen Preussen angehörten. Die Slaven wiederum<lb/>
müssen als Ost- und Südslaven von den Westslaven getrennt<lb/>
werden. Unter die Ostslaven gehören die Russen, mundartlich<lb/>
geschieden als Grossrussen, Weissrussen, Kleinrussen oder Ruthenen,<lb/>
wie sie in Galizien heissen. Zu den Südslaven dagegen zählen<lb/>
die slovenischen Bewohner der Südostalpen in Oesterreich, ferner<lb/>
die Bewohner Croatiens, Serbiens und Bosniens mit der Herzego-<lb/>
wina. Während geringe Sprachunterschiede diese ebengenannten<lb/>
Bevölkerungen trennen, hat sich das Bulgarische der Donau-<lb/>
bulgaren ihnen stärker entfremdet. Romanisirte Südslaven sind<lb/>
dagegen die Bewohner der Moldau und Walachei. Sprachlich<lb/>
stehen sich Südslaven und Ostslaven näher als beide den West-<lb/>
slaven. Zu letzteren gehören abgesehen von den deutsch gewor-<lb/>
denen Elbeslaven zunächst die Wenden, welche in der Lausitz<lb/>
eine rasch abmagernde Sprachinsel bilden<note place="foot" n="1)">Das Zusammenschwinden dieser Sprache seit 1550 und 1750 hat<lb/><hi rendition="#g">Richard Andrée</hi> (Das Sprachgebiet der Lausitzer Wenden. Prag 1873.)<lb/>
auf einer lehrreichen Karte zur Anschauung gebracht.</note>, dann die Polen in<lb/>
Posen, in dem ehemaligen Königreich Polen und im westlichen<lb/>
Galizien, drittens die Tschechen in Böhmen und Mähren, endlich<lb/>
die Slovaken in den nördlichen Grafschaften Ungarns.</p><lb/>
            <p>Der andere Ast der Nordeuropäer, der germanische, ver-<lb/>
zweigte sich als Gothen, Skandinavier und Teutonen. Die gothische<lb/>
Sprache ist längst verklungen und nur bewahrt in Ulfilas Bibel-<lb/>
übersetzung. Die altnordische Sprache der Skandinavier hat sich<lb/>
dagegen auf Island und den Faröern noch lebendig erhalten, in<lb/>
der festländischen Heimat aber das Dänisch-norwegische und das<lb/>
Schwedische erzeugt. Die Sprache der Teutonen zerfällt in die<lb/>
nord- oder niederdeutschen Mundarten, wie das Friesische, Sächsi-<lb/>
sche, Angelsächsische, Plattdeutsche, Holländische und Vlämische<lb/>
und in das Mittel- und Süddeutsche, welches seit der Reformation<lb/>
als Schriftsprache in Deutschland zur Herrschaft gelangt ist.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[542/0560] Die mittelländische Race. Die europäischen Arier theilten sich zunächst wieder in Nord- und in Südeuropäer. Unter Nordeuropäern sind hier der letto- slavische und der germanische Ast zu verstehen. Die Lettoslaven verzweigten sich als Letten und Slaven, die Letten wieder in reine Letten und in Litthauer, welchen letzteren auch die sprachlich verschwundenen Preussen angehörten. Die Slaven wiederum müssen als Ost- und Südslaven von den Westslaven getrennt werden. Unter die Ostslaven gehören die Russen, mundartlich geschieden als Grossrussen, Weissrussen, Kleinrussen oder Ruthenen, wie sie in Galizien heissen. Zu den Südslaven dagegen zählen die slovenischen Bewohner der Südostalpen in Oesterreich, ferner die Bewohner Croatiens, Serbiens und Bosniens mit der Herzego- wina. Während geringe Sprachunterschiede diese ebengenannten Bevölkerungen trennen, hat sich das Bulgarische der Donau- bulgaren ihnen stärker entfremdet. Romanisirte Südslaven sind dagegen die Bewohner der Moldau und Walachei. Sprachlich stehen sich Südslaven und Ostslaven näher als beide den West- slaven. Zu letzteren gehören abgesehen von den deutsch gewor- denen Elbeslaven zunächst die Wenden, welche in der Lausitz eine rasch abmagernde Sprachinsel bilden 1), dann die Polen in Posen, in dem ehemaligen Königreich Polen und im westlichen Galizien, drittens die Tschechen in Böhmen und Mähren, endlich die Slovaken in den nördlichen Grafschaften Ungarns. Der andere Ast der Nordeuropäer, der germanische, ver- zweigte sich als Gothen, Skandinavier und Teutonen. Die gothische Sprache ist längst verklungen und nur bewahrt in Ulfilas Bibel- übersetzung. Die altnordische Sprache der Skandinavier hat sich dagegen auf Island und den Faröern noch lebendig erhalten, in der festländischen Heimat aber das Dänisch-norwegische und das Schwedische erzeugt. Die Sprache der Teutonen zerfällt in die nord- oder niederdeutschen Mundarten, wie das Friesische, Sächsi- sche, Angelsächsische, Plattdeutsche, Holländische und Vlämische und in das Mittel- und Süddeutsche, welches seit der Reformation als Schriftsprache in Deutschland zur Herrschaft gelangt ist. 1) Das Zusammenschwinden dieser Sprache seit 1550 und 1750 hat Richard Andrée (Das Sprachgebiet der Lausitzer Wenden. Prag 1873.) auf einer lehrreichen Karte zur Anschauung gebracht.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/560
Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 542. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/560>, abgerufen am 23.12.2024.