quellen bei Heit1). Jene Trümmer gehören den ältesten und ersten Städten an, welche die Verfasser der Genesis kannten, nämlich dem chaldäischen Ur, jetzt Mugheir, Erech jetzt Warka, Nipur oder Calneh in der Sprache der Bibel, jetzt Niffer, endlich Bab-il jetzt Hillah mit Borsippa, dem "Thurm der Sprachen"2).
Diese Städte entstanden unter dem zweiten Herrscherhause des Berosus, welches, freilich mit künstlichen Ergänzungen einer lückenhaften Chronologie in die Zeit von 2286 v. Chr. gesetzt wird3). Die grossen Bauwerke von Ur erhoben sich terrassenartig. Ihre Mauerflächen schmückten blauer Schmelz, polirte Achate, Alabaster, Marmorstücke, Mosaikarbeiten, Kupfernägel und Gold- bleche. Balken aus Palmenholz trugen die Dächer, doch zeigten sich frühzeitig schon Versuche von Bogenwölbungen. Steigen wir in die Gräber hinab, so stossen wir auf Särge, das heisst auf zwei zusammengeklappte thönerne Schalen, und neben den Todten auf geschliffene Feuersteingeräthe, sowie Bronzewerkzeuge, goldene Ohrringe und eherne Armspangen. Zu den ältesten Ur- kunden aber zählt das walzenförmige Petschaft des uralten Kö- nigs Uruch, weniger weil es die damaligen Hoftrachten4) uns noch aufbewahrt, sondern weil das Siegeln selbst auf das Vorhanden- sein einer Schrift hinweist. Gehörten auch die Erfinder dieser ältesten Schriftgattung einem nicht semitischen Völkerkreise an, so bleiben den Chaldäern doch ihre Verdienste um die Metrologie unbestritten. Noch jetzt verkündigt uns der Anblick jedes Ziffer- blattes chaldäische Weisheit5). Das erste metrische Gewicht wurde am Euphrat bestimmt, denn das babylonische Talent entspricht genau einem babylonischen Kubiksuss Wasser bei der mittleren Landestemperatur6). Die Theilung des Jahres in Monate und Wochen, die Namen unsrer sieben Tage verdanken wir den Chaldäern.
1)Pauline v. Nostiz, Helfer's Reisen. Bd. 1. S. 256.
2) J. Oppert, Inscription de Nabuchodonosor. Reims. 1866. p. 13--15.
3) G. Rawlinson, The five great monarchies. vol. I, p. 153.
4) S. oben S. 184.
5) J. Brandis, Münz-, Maass- und Gewichtssystem. Berlin 1866. S. 20.
6) J. Brandis, l. c. S. 33. ff. Nach J. Oppert, Journal asiatique. Paris 1872. 6eme serie. tom. XX. p. 157. besass der babylonische Fuss 315 Millim. Länge.
Die mittelländische Race.
quellen bei Hît1). Jene Trümmer gehören den ältesten und ersten Städten an, welche die Verfasser der Genesis kannten, nämlich dem chaldäischen Ur, jetzt Mugheir, Erech jetzt Warka, Nipur oder Calneh in der Sprache der Bibel, jetzt Niffer, endlich Bab-il jetzt Hillah mit Borsippa, dem „Thurm der Sprachen“2).
Diese Städte entstanden unter dem zweiten Herrscherhause des Berosus, welches, freilich mit künstlichen Ergänzungen einer lückenhaften Chronologie in die Zeit von 2286 v. Chr. gesetzt wird3). Die grossen Bauwerke von Ur erhoben sich terrassenartig. Ihre Mauerflächen schmückten blauer Schmelz, polirte Achate, Alabaster, Marmorstücke, Mosaikarbeiten, Kupfernägel und Gold- bleche. Balken aus Palmenholz trugen die Dächer, doch zeigten sich frühzeitig schon Versuche von Bogenwölbungen. Steigen wir in die Gräber hinab, so stossen wir auf Särge, das heisst auf zwei zusammengeklappte thönerne Schalen, und neben den Todten auf geschliffene Feuersteingeräthe, sowie Bronzewerkzeuge, goldene Ohrringe und eherne Armspangen. Zu den ältesten Ur- kunden aber zählt das walzenförmige Petschaft des uralten Kö- nigs Uruch, weniger weil es die damaligen Hoftrachten4) uns noch aufbewahrt, sondern weil das Siegeln selbst auf das Vorhanden- sein einer Schrift hinweist. Gehörten auch die Erfinder dieser ältesten Schriftgattung einem nicht semitischen Völkerkreise an, so bleiben den Chaldäern doch ihre Verdienste um die Metrologie unbestritten. Noch jetzt verkündigt uns der Anblick jedes Ziffer- blattes chaldäische Weisheit5). Das erste metrische Gewicht wurde am Euphrat bestimmt, denn das babylonische Talent entspricht genau einem babylonischen Kubiksuss Wasser bei der mittleren Landestemperatur6). Die Theilung des Jahres in Monate und Wochen, die Namen unsrer sieben Tage verdanken wir den Chaldäern.
1)Pauline v. Nostiz, Helfer’s Reisen. Bd. 1. S. 256.
2) J. Oppert, Inscription de Nabuchodonosor. Reims. 1866. p. 13—15.
3) G. Rawlinson, The five great monarchies. vol. I, p. 153.
4) S. oben S. 184.
5) J. Brandis, Münz-, Maass- und Gewichtssystem. Berlin 1866. S. 20.
6) J. Brandis, l. c. S. 33. ff. Nach J. Oppert, Journal asiatique. Paris 1872. 6ème série. tom. XX. p. 157. besass der babylonische Fuss 315 Millim. Länge.
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Die mittelländische Race.
quellen bei Hît 1). Jene Trümmer gehören den ältesten und ersten
Städten an, welche die Verfasser der Genesis kannten, nämlich
dem chaldäischen Ur, jetzt Mugheir, Erech jetzt Warka, Nipur oder
Calneh in der Sprache der Bibel, jetzt Niffer, endlich Bab-il jetzt
Hillah mit Borsippa, dem „Thurm der Sprachen“ 2).
Diese Städte entstanden unter dem zweiten Herrscherhause
des Berosus, welches, freilich mit künstlichen Ergänzungen einer
lückenhaften Chronologie in die Zeit von 2286 v. Chr. gesetzt
wird 3). Die grossen Bauwerke von Ur erhoben sich terrassenartig.
Ihre Mauerflächen schmückten blauer Schmelz, polirte Achate,
Alabaster, Marmorstücke, Mosaikarbeiten, Kupfernägel und Gold-
bleche. Balken aus Palmenholz trugen die Dächer, doch zeigten
sich frühzeitig schon Versuche von Bogenwölbungen. Steigen wir
in die Gräber hinab, so stossen wir auf Särge, das heisst
auf zwei zusammengeklappte thönerne Schalen, und neben den
Todten auf geschliffene Feuersteingeräthe, sowie Bronzewerkzeuge,
goldene Ohrringe und eherne Armspangen. Zu den ältesten Ur-
kunden aber zählt das walzenförmige Petschaft des uralten Kö-
nigs Uruch, weniger weil es die damaligen Hoftrachten 4) uns noch
aufbewahrt, sondern weil das Siegeln selbst auf das Vorhanden-
sein einer Schrift hinweist. Gehörten auch die Erfinder dieser
ältesten Schriftgattung einem nicht semitischen Völkerkreise an,
so bleiben den Chaldäern doch ihre Verdienste um die Metrologie
unbestritten. Noch jetzt verkündigt uns der Anblick jedes Ziffer-
blattes chaldäische Weisheit 5). Das erste metrische Gewicht wurde
am Euphrat bestimmt, denn das babylonische Talent entspricht
genau einem babylonischen Kubiksuss Wasser bei der mittleren
Landestemperatur 6). Die Theilung des Jahres in Monate und
Wochen, die Namen unsrer sieben Tage verdanken wir den Chaldäern.
1) Pauline v. Nostiz, Helfer’s Reisen. Bd. 1. S. 256.
2) J. Oppert, Inscription de Nabuchodonosor. Reims. 1866. p. 13—15.
3) G. Rawlinson, The five great monarchies. vol. I, p. 153.
4) S. oben S. 184.
5) J. Brandis, Münz-, Maass- und Gewichtssystem. Berlin 1866. S. 20.
6) J. Brandis, l. c. S. 33. ff. Nach J. Oppert, Journal asiatique.
Paris 1872. 6ème série. tom. XX. p. 157. besass der babylonische Fuss
315 Millim. Länge.
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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 536. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/554>, abgerufen am 16.07.2024.
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