als dem türkischen1). Während aber seltsamerweise die Wortbildung immer sonst durch lose Verknüpfung von Suffixen, wie in dem altaischen Sprachkreise erfolgt, gestaltet das Zeitwort seine Sinn- begrenzungen vorzugsweise durch Präfixe2), entfremdet sich also vollständig dem Typus nordasiatischer Sprachen. Leider ist die Erforschung des Akkadischen oder Sumerischen völlig ab- hängig von den Fortschritten der assyrisch-babylonischen Schrift- kunde. Wir werden daher noch lange der völligen Klarheit ent- behren, dann aber sicherlich Aufschluss gewinnen über das an- ziehendste Räthsel der Völkerkunde.
Als zweiter Ast haben sich von dem gemeinsamen Stamme die südlichen Semiten abgesondert. Sie redeten in der geschicht- lichen Vorzeit das vorarabische, welches sich spaltete 1) in das Arabisch der Ismaeliten, von welchem die alte Schriftsprache und die neuarabischen Mundarten abstammen, und 2) in die Sprache der Qahtaniten, welche letztere wieder zerfiel in das himyaritische, von welchem das heutige Ehkyly in Südarabien entsprossen ist und in das Altäthiopische, von dem das jetzt erloschne Ge'ez oder die Reichssprache und das noch jetzt lebendige Amharische in Habesch abgeleitet werden3). Vor der Eroberung Aegyptens durch die Araber hatten also bereits Südsemiten aus Jemen und Hadh- ramaut das rothe Meer überschritten und Abessinien bevölkert. Jedenfalls geschah diess in vorchristlichen Jahrhunderten, deren strenge Zeitbegrenzung vorläufig sich nicht aussprechen lässt. Die arabische Sprache hat sich jetzt, wie wir im letzten Abschnitte bemerkten, auch nach Nubien über hamitische Stämme verbreitet, die sich seitdem gern eine semitische Abkunft zuschreiben möchten. Die einzigen, welche dazu hinreichend berechtigt erscheinen, sind die Schua oder Schiwa4), sowie die Djalin und Schukurieh5).
Wir Europäer haben wie in den hamitischen Aegyptern auch in den Semiten ältere Culturvölker zu verehren, denen wir un-
1)Lenormant, l. c. p. 133 ff.
2) J. Oppert, Journal asiatique. Paris 1873. 7 eme serie. tom. 1. p. 116 sq.
3) v. Maltzan, in der Einleitung zu A. v. Wrede's Reise in Hadhra- maut. Braunschweig 1870. S. 33.
4)Hartmann, Nilländer. S. 269,
5) W. Munzinger, Ostafrikanische Studien. S. 563. S. jedoch oben S. 519.
Die mittelländische Race.
als dem türkischen1). Während aber seltsamerweise die Wortbildung immer sonst durch lose Verknüpfung von Suffixen, wie in dem altaischen Sprachkreise erfolgt, gestaltet das Zeitwort seine Sinn- begrenzungen vorzugsweise durch Präfixe2), entfremdet sich also vollständig dem Typus nordasiatischer Sprachen. Leider ist die Erforschung des Akkadischen oder Sumerischen völlig ab- hängig von den Fortschritten der assyrisch-babylonischen Schrift- kunde. Wir werden daher noch lange der völligen Klarheit ent- behren, dann aber sicherlich Aufschluss gewinnen über das an- ziehendste Räthsel der Völkerkunde.
Als zweiter Ast haben sich von dem gemeinsamen Stamme die südlichen Semiten abgesondert. Sie redeten in der geschicht- lichen Vorzeit das vorarabische, welches sich spaltete 1) in das Arabisch der Ismaeliten, von welchem die alte Schriftsprache und die neuarabischen Mundarten abstammen, und 2) in die Sprache der Qahtâniten, welche letztere wieder zerfiel in das himyaritische, von welchem das heutige Ehkyly in Südarabien entsprossen ist und in das Altäthiopische, von dem das jetzt erloschne Ge‘ez oder die Reichssprache und das noch jetzt lebendige Amharische in Habesch abgeleitet werden3). Vor der Eroberung Aegyptens durch die Araber hatten also bereits Südsemiten aus Jemen und Hadh- ramaut das rothe Meer überschritten und Abessinien bevölkert. Jedenfalls geschah diess in vorchristlichen Jahrhunderten, deren strenge Zeitbegrenzung vorläufig sich nicht aussprechen lässt. Die arabische Sprache hat sich jetzt, wie wir im letzten Abschnitte bemerkten, auch nach Nubien über hamitische Stämme verbreitet, die sich seitdem gern eine semitische Abkunft zuschreiben möchten. Die einzigen, welche dazu hinreichend berechtigt erscheinen, sind die Schua oder Schiwa4), sowie die Djalin und Schukuriêh5).
Wir Europäer haben wie in den hamitischen Aegyptern auch in den Semiten ältere Culturvölker zu verehren, denen wir un-
1)Lenormant, l. c. p. 133 ff.
2) J. Oppert, Journal asiatique. Paris 1873. 7 ème série. tom. 1. p. 116 sq.
3) v. Maltzan, in der Einleitung zu A. v. Wrede’s Reise in Hadhra- maut. Braunschweig 1870. S. 33.
4)Hartmann, Nilländer. S. 269,
5) W. Munzinger, Ostafrikanische Studien. S. 563. S. jedoch oben S. 519.
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[534/0552]
Die mittelländische Race.
als dem türkischen 1). Während aber seltsamerweise die Wortbildung
immer sonst durch lose Verknüpfung von Suffixen, wie in dem
altaischen Sprachkreise erfolgt, gestaltet das Zeitwort seine Sinn-
begrenzungen vorzugsweise durch Präfixe 2), entfremdet sich also
vollständig dem Typus nordasiatischer Sprachen. Leider ist
die Erforschung des Akkadischen oder Sumerischen völlig ab-
hängig von den Fortschritten der assyrisch-babylonischen Schrift-
kunde. Wir werden daher noch lange der völligen Klarheit ent-
behren, dann aber sicherlich Aufschluss gewinnen über das an-
ziehendste Räthsel der Völkerkunde.
Als zweiter Ast haben sich von dem gemeinsamen Stamme
die südlichen Semiten abgesondert. Sie redeten in der geschicht-
lichen Vorzeit das vorarabische, welches sich spaltete 1) in das
Arabisch der Ismaeliten, von welchem die alte Schriftsprache und
die neuarabischen Mundarten abstammen, und 2) in die Sprache
der Qahtâniten, welche letztere wieder zerfiel in das himyaritische,
von welchem das heutige Ehkyly in Südarabien entsprossen ist
und in das Altäthiopische, von dem das jetzt erloschne Ge‘ez oder
die Reichssprache und das noch jetzt lebendige Amharische in
Habesch abgeleitet werden 3). Vor der Eroberung Aegyptens durch
die Araber hatten also bereits Südsemiten aus Jemen und Hadh-
ramaut das rothe Meer überschritten und Abessinien bevölkert.
Jedenfalls geschah diess in vorchristlichen Jahrhunderten, deren
strenge Zeitbegrenzung vorläufig sich nicht aussprechen lässt. Die
arabische Sprache hat sich jetzt, wie wir im letzten Abschnitte
bemerkten, auch nach Nubien über hamitische Stämme verbreitet,
die sich seitdem gern eine semitische Abkunft zuschreiben möchten.
Die einzigen, welche dazu hinreichend berechtigt erscheinen, sind
die Schua oder Schiwa 4), sowie die Djalin und Schukuriêh 5).
Wir Europäer haben wie in den hamitischen Aegyptern auch
in den Semiten ältere Culturvölker zu verehren, denen wir un-
1) Lenormant, l. c. p. 133 ff.
2) J. Oppert, Journal asiatique. Paris 1873. 7 ème série. tom. 1. p.
116 sq.
3) v. Maltzan, in der Einleitung zu A. v. Wrede’s Reise in Hadhra-
maut. Braunschweig 1870. S. 33.
4) Hartmann, Nilländer. S. 269,
5) W. Munzinger, Ostafrikanische Studien. S. 563. S. jedoch oben
S. 519.
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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 534. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/552>, abgerufen am 16.07.2024.
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