Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

Bild:
<< vorherige Seite

Die mittelländische Race.
von ihren Booten herabzustossen suchen. Jedenfalls heimelt uns
dieses Fischerstechen mehr an, als die Stiergefechte, die ebenfalls
veranstaltet werden; hinzufügen wollen wir bei dieser Gelegenheit
dass das Heerdenvieh bereits auf der Haut das eingebrannte
Zeichen des Eigenthümers trägt. An Zeitvertreib ist überhaupt
kein Mangel. Hier lassen sich Flöten hören, begleitet von Lauten,
Guitarren, Cithern und Harfen1). Anderswo wird Mora gespielt
oder gewürfelt oder auf einem Brett mit Damensteinen gezogen.
Selbst für die Kinderwelt ist hinlänglich gesorgt, erkennen wir
doch sogleich den Lederball wieder, zusammengenäht aus acht
Kugelsegmenten oder im Arme zärtlicher Mädchen hölzerne Puppen
oder sogar die Ziehfigur, die am Faden Arme und Beine in
die Luft schlenkert, zur Beruhigung des schreienden Kindes im
Schoosse der Wärterin. Was hier der hölzerne Mann am Faden
leistet, wird dort in Schauvorstellungen von gymnastischen Künstlern
wiederholt, bei denen die Virtuosen unserer Messbuden in die
Lehre gegangen zu sein scheinen. Kurz, wohin wir uns drehen
und wenden, stossen wir auf Dinge, die zu unsern ersten und
ältesten Beobachtungen in der Heimath gehören und wenn die
erste Musterung vollendet ist, gestehen wir uns im Stillen, dass
bis zur Zeit wo bei uns Maschinen- und Dampfkräfte in Bewegung
gesetzt wurden, die Aegypter in Bezug auf Handwerkgeräth sich
vor uns nicht zu schämen hatten, wir vielmehr die wichtigsten
Stücke unserer häuslichen Ausstattung erst von ihnen geerbt
haben.

Doch war dieser Schluss etwas zu hastig, denn auch die
Aegypter hatten gar manches ihren Nachbarn in Vorderasien un-
mittelbar oder mittelbar zu danken. Zwar belehren uns die
Denkmäler, dass Tauben und Enten bereits gezüchtet und die
Mastgänse künstlich gestopft wurden2), doch wird ein spätes Cul-
turgeschenk des Morgenlandes, nämlich das Huhn, vermisst.
welches auch Homer und Hesiod, sowie das alte Testament nicht
kennen, wenn auch schon Aristoteles und Diodor die künstlichen
Brutanstalten der Aegypter beschreiben3). Selbst das Kamel und

1) Lauth, über altägyptische Musik. Sitzungsberichte der Münchener
Akademie. 1873. Heft IV. S. 529 ff.
2) Brugsch, Gräberwelt. S. 14.
3) V. Hehn, Kulturpflanzen und Hausthiere. Berlin 1870. S. 226.

Die mittelländische Race.
von ihren Booten herabzustossen suchen. Jedenfalls heimelt uns
dieses Fischerstechen mehr an, als die Stiergefechte, die ebenfalls
veranstaltet werden; hinzufügen wollen wir bei dieser Gelegenheit
dass das Heerdenvieh bereits auf der Haut das eingebrannte
Zeichen des Eigenthümers trägt. An Zeitvertreib ist überhaupt
kein Mangel. Hier lassen sich Flöten hören, begleitet von Lauten,
Guitarren, Cithern und Harfen1). Anderswo wird Mora gespielt
oder gewürfelt oder auf einem Brett mit Damensteinen gezogen.
Selbst für die Kinderwelt ist hinlänglich gesorgt, erkennen wir
doch sogleich den Lederball wieder, zusammengenäht aus acht
Kugelsegmenten oder im Arme zärtlicher Mädchen hölzerne Puppen
oder sogar die Ziehfigur, die am Faden Arme und Beine in
die Luft schlenkert, zur Beruhigung des schreienden Kindes im
Schoosse der Wärterin. Was hier der hölzerne Mann am Faden
leistet, wird dort in Schauvorstellungen von gymnastischen Künstlern
wiederholt, bei denen die Virtuosen unserer Messbuden in die
Lehre gegangen zu sein scheinen. Kurz, wohin wir uns drehen
und wenden, stossen wir auf Dinge, die zu unsern ersten und
ältesten Beobachtungen in der Heimath gehören und wenn die
erste Musterung vollendet ist, gestehen wir uns im Stillen, dass
bis zur Zeit wo bei uns Maschinen- und Dampfkräfte in Bewegung
gesetzt wurden, die Aegypter in Bezug auf Handwerkgeräth sich
vor uns nicht zu schämen hatten, wir vielmehr die wichtigsten
Stücke unserer häuslichen Ausstattung erst von ihnen geerbt
haben.

Doch war dieser Schluss etwas zu hastig, denn auch die
Aegypter hatten gar manches ihren Nachbarn in Vorderasien un-
mittelbar oder mittelbar zu danken. Zwar belehren uns die
Denkmäler, dass Tauben und Enten bereits gezüchtet und die
Mastgänse künstlich gestopft wurden2), doch wird ein spätes Cul-
turgeschenk des Morgenlandes, nämlich das Huhn, vermisst.
welches auch Homer und Hesiod, sowie das alte Testament nicht
kennen, wenn auch schon Aristoteles und Diodor die künstlichen
Brutanstalten der Aegypter beschreiben3). Selbst das Kamel und

1) Lauth, über altägyptische Musik. Sitzungsberichte der Münchener
Akademie. 1873. Heft IV. S. 529 ff.
2) Brugsch, Gräberwelt. S. 14.
3) V. Hehn, Kulturpflanzen und Hausthiere. Berlin 1870. S. 226.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0541" n="523"/><fw place="top" type="header">Die mittelländische Race.</fw><lb/>
von ihren Booten herabzustossen suchen. Jedenfalls heimelt uns<lb/>
dieses Fischerstechen mehr an, als die Stiergefechte, die ebenfalls<lb/>
veranstaltet werden; hinzufügen wollen wir bei dieser Gelegenheit<lb/>
dass das Heerdenvieh bereits auf der Haut das eingebrannte<lb/>
Zeichen des Eigenthümers trägt. An Zeitvertreib ist überhaupt<lb/>
kein Mangel. Hier lassen sich Flöten hören, begleitet von Lauten,<lb/>
Guitarren, Cithern und Harfen<note place="foot" n="1)"><hi rendition="#g">Lauth</hi>, über altägyptische Musik. Sitzungsberichte der Münchener<lb/>
Akademie. 1873. Heft IV. S. 529 ff.</note>. Anderswo wird Mora gespielt<lb/>
oder gewürfelt oder auf einem Brett mit Damensteinen gezogen.<lb/>
Selbst für die Kinderwelt ist hinlänglich gesorgt, erkennen wir<lb/>
doch sogleich den Lederball wieder, zusammengenäht aus acht<lb/>
Kugelsegmenten oder im Arme zärtlicher Mädchen hölzerne Puppen<lb/>
oder sogar die Ziehfigur, die am Faden Arme und Beine in<lb/>
die Luft schlenkert, zur Beruhigung des schreienden Kindes im<lb/>
Schoosse der Wärterin. Was hier der hölzerne Mann am Faden<lb/>
leistet, wird dort in Schauvorstellungen von gymnastischen Künstlern<lb/>
wiederholt, bei denen die Virtuosen unserer Messbuden in die<lb/>
Lehre gegangen zu sein scheinen. Kurz, wohin wir uns drehen<lb/>
und wenden, stossen wir auf Dinge, die zu unsern ersten und<lb/>
ältesten Beobachtungen in der Heimath gehören und wenn die<lb/>
erste Musterung vollendet ist, gestehen wir uns im Stillen, dass<lb/>
bis zur Zeit wo bei uns Maschinen- und Dampfkräfte in Bewegung<lb/>
gesetzt wurden, die Aegypter in Bezug auf Handwerkgeräth sich<lb/>
vor uns nicht zu schämen hatten, wir vielmehr die wichtigsten<lb/>
Stücke unserer häuslichen Ausstattung erst von ihnen geerbt<lb/>
haben.</p><lb/>
            <p>Doch war dieser Schluss etwas zu hastig, denn auch die<lb/>
Aegypter hatten gar manches ihren Nachbarn in Vorderasien un-<lb/>
mittelbar oder mittelbar zu danken. Zwar belehren uns die<lb/>
Denkmäler, dass Tauben und Enten bereits gezüchtet und die<lb/>
Mastgänse künstlich gestopft wurden<note place="foot" n="2)"><hi rendition="#g">Brugsch</hi>, Gräberwelt. S. 14.</note>, doch wird ein spätes Cul-<lb/>
turgeschenk des Morgenlandes, nämlich das Huhn, vermisst.<lb/>
welches auch Homer und Hesiod, sowie das alte Testament nicht<lb/>
kennen, wenn auch schon Aristoteles und Diodor die künstlichen<lb/>
Brutanstalten der Aegypter beschreiben<note place="foot" n="3)">V. <hi rendition="#g">Hehn</hi>, Kulturpflanzen und Hausthiere. Berlin 1870. S. 226.</note>. Selbst das Kamel und<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[523/0541] Die mittelländische Race. von ihren Booten herabzustossen suchen. Jedenfalls heimelt uns dieses Fischerstechen mehr an, als die Stiergefechte, die ebenfalls veranstaltet werden; hinzufügen wollen wir bei dieser Gelegenheit dass das Heerdenvieh bereits auf der Haut das eingebrannte Zeichen des Eigenthümers trägt. An Zeitvertreib ist überhaupt kein Mangel. Hier lassen sich Flöten hören, begleitet von Lauten, Guitarren, Cithern und Harfen 1). Anderswo wird Mora gespielt oder gewürfelt oder auf einem Brett mit Damensteinen gezogen. Selbst für die Kinderwelt ist hinlänglich gesorgt, erkennen wir doch sogleich den Lederball wieder, zusammengenäht aus acht Kugelsegmenten oder im Arme zärtlicher Mädchen hölzerne Puppen oder sogar die Ziehfigur, die am Faden Arme und Beine in die Luft schlenkert, zur Beruhigung des schreienden Kindes im Schoosse der Wärterin. Was hier der hölzerne Mann am Faden leistet, wird dort in Schauvorstellungen von gymnastischen Künstlern wiederholt, bei denen die Virtuosen unserer Messbuden in die Lehre gegangen zu sein scheinen. Kurz, wohin wir uns drehen und wenden, stossen wir auf Dinge, die zu unsern ersten und ältesten Beobachtungen in der Heimath gehören und wenn die erste Musterung vollendet ist, gestehen wir uns im Stillen, dass bis zur Zeit wo bei uns Maschinen- und Dampfkräfte in Bewegung gesetzt wurden, die Aegypter in Bezug auf Handwerkgeräth sich vor uns nicht zu schämen hatten, wir vielmehr die wichtigsten Stücke unserer häuslichen Ausstattung erst von ihnen geerbt haben. Doch war dieser Schluss etwas zu hastig, denn auch die Aegypter hatten gar manches ihren Nachbarn in Vorderasien un- mittelbar oder mittelbar zu danken. Zwar belehren uns die Denkmäler, dass Tauben und Enten bereits gezüchtet und die Mastgänse künstlich gestopft wurden 2), doch wird ein spätes Cul- turgeschenk des Morgenlandes, nämlich das Huhn, vermisst. welches auch Homer und Hesiod, sowie das alte Testament nicht kennen, wenn auch schon Aristoteles und Diodor die künstlichen Brutanstalten der Aegypter beschreiben 3). Selbst das Kamel und 1) Lauth, über altägyptische Musik. Sitzungsberichte der Münchener Akademie. 1873. Heft IV. S. 529 ff. 2) Brugsch, Gräberwelt. S. 14. 3) V. Hehn, Kulturpflanzen und Hausthiere. Berlin 1870. S. 226.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/541
Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 523. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/541>, abgerufen am 23.12.2024.