Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

Bild:
<< vorherige Seite

Die mittelländische Race.
Somali wollen von Koreischiten in Mekka, andere von den Ansari
aus Medina abstammen. Somit ist leicht möglich, dass bei stren-
geren Untersuchungen, die Somali gänzlich ihre Stellung als ha-
mitische Völker verlieren und künftig als Bastarde zwischen Negern
und Semiten betrachtet werden möchten. Es ist wichtig, dass
Kersten uns ihren edlen und männlichen Character rühmt, obgleich
gerade die Unternehmung des Baron v. d. Decken blutig unter
ihnen enden sollte. Sehr dunkel ist ferner die Stellung der Eloikob
oder Wakuafi, sowie der Masai, welche beiden Völker durch ihre
Kriegszüge und ihren Menschenraub der Schrecken aller Neger-
stämme im äquatorialen Ostafrika geworden sind.

Beklagen müssen wir den Mangel an Schädelmessungen inner-
halb des hamitischen Stammes. Aegyptische Mumien- und Kaby-
lenköpfe zeigen nach Welcker eine Höhe von 75 und eine Breite
von 74 bis 75. Sie stehen also auf der Grenze zwischen Dolicho-
und Mesocephalie. Schon bei den Aegyptern treten die Kiefern
ein wenig vor, der Prognathismus wächst aber, je weiter wir nil-
aufwärts uns bewegen. Die waizengelbe Hautfarbe dunkelt all-
mälig mit abnehmender Breite zu rothbraun, tiefer Bronze oder
dunkelem Braun. Das Haar wird gleichfalls mit Annäherung an
den Aequator kürzer und der Bartwuchs spärlicher. Wie Robert
Hartmann es gewiss richtig darstellt, findet daher eine Annähe-
rung an den Negertypus statt, je weiter wir uns von den Mittel-
meergestaden entfernen. "Bei genauer Beobachtung, äussert
Munzinger1), weiss der aufrichtige Reisende nicht mehr, wo der
eigentliche Neger anfängt und der Glaube an die absolute Racen-
trennung schwindet mehr und mehr." Vorläufig empfiehlt es sich
indessen, diese Uebergänge der Vermischung mit Negersclavinnen
zuzuschreiben und weitere Aufklärungen von einer künftigen
strengen Sprachvergleichung zu erwarten. Versuchen wir es lieber
die Frage zu lösen, warum unter den Gliedern der mittelländischen
Race gerade der hamitische Stamm am frühesten eine hohe Ge-
sittung sich erwerben und zum Lehrmeister aller Nachbarvölker
werden sollte.

Blättern wir zunächst in den Denkmälern von Rosellini und
Lepsius, oder lassen wir diese Werke wegen ihres ungeniessbaren
Formats besser bei Seite und greifen wir nach Wilkinson, so kön-

1) Ostafrikanische Studien. Schaffhausen 1864. S. 540.

Die mittelländische Race.
Somali wollen von Koreischiten in Mekka, andere von den Ansari
aus Medina abstammen. Somit ist leicht möglich, dass bei stren-
geren Untersuchungen, die Somali gänzlich ihre Stellung als ha-
mitische Völker verlieren und künftig als Bastarde zwischen Negern
und Semiten betrachtet werden möchten. Es ist wichtig, dass
Kersten uns ihren edlen und männlichen Character rühmt, obgleich
gerade die Unternehmung des Baron v. d. Decken blutig unter
ihnen enden sollte. Sehr dunkel ist ferner die Stellung der Eloikob
oder Wakuafi, sowie der Masai, welche beiden Völker durch ihre
Kriegszüge und ihren Menschenraub der Schrecken aller Neger-
stämme im äquatorialen Ostafrika geworden sind.

Beklagen müssen wir den Mangel an Schädelmessungen inner-
halb des hamitischen Stammes. Aegyptische Mumien- und Kaby-
lenköpfe zeigen nach Welcker eine Höhe von 75 und eine Breite
von 74 bis 75. Sie stehen also auf der Grenze zwischen Dolicho-
und Mesocephalie. Schon bei den Aegyptern treten die Kiefern
ein wenig vor, der Prognathismus wächst aber, je weiter wir nil-
aufwärts uns bewegen. Die waizengelbe Hautfarbe dunkelt all-
mälig mit abnehmender Breite zu rothbraun, tiefer Bronze oder
dunkelem Braun. Das Haar wird gleichfalls mit Annäherung an
den Aequator kürzer und der Bartwuchs spärlicher. Wie Robert
Hartmann es gewiss richtig darstellt, findet daher eine Annähe-
rung an den Negertypus statt, je weiter wir uns von den Mittel-
meergestaden entfernen. „Bei genauer Beobachtung, äussert
Munzinger1), weiss der aufrichtige Reisende nicht mehr, wo der
eigentliche Neger anfängt und der Glaube an die absolute Racen-
trennung schwindet mehr und mehr.“ Vorläufig empfiehlt es sich
indessen, diese Uebergänge der Vermischung mit Negersclavinnen
zuzuschreiben und weitere Aufklärungen von einer künftigen
strengen Sprachvergleichung zu erwarten. Versuchen wir es lieber
die Frage zu lösen, warum unter den Gliedern der mittelländischen
Race gerade der hamitische Stamm am frühesten eine hohe Ge-
sittung sich erwerben und zum Lehrmeister aller Nachbarvölker
werden sollte.

Blättern wir zunächst in den Denkmälern von Rosellini und
Lepsius, oder lassen wir diese Werke wegen ihres ungeniessbaren
Formats besser bei Seite und greifen wir nach Wilkinson, so kön-

1) Ostafrikanische Studien. Schaffhausen 1864. S. 540.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0539" n="521"/><fw place="top" type="header">Die mittelländische Race.</fw><lb/>
Somali wollen von Koreischiten in Mekka, andere von den Ansari<lb/>
aus Medina abstammen. Somit ist leicht möglich, dass bei stren-<lb/>
geren Untersuchungen, die Somali gänzlich ihre Stellung als ha-<lb/>
mitische Völker verlieren und künftig als Bastarde zwischen Negern<lb/>
und Semiten betrachtet werden möchten. Es ist wichtig, dass<lb/>
Kersten uns ihren edlen und männlichen Character rühmt, obgleich<lb/>
gerade die Unternehmung des Baron v. d. Decken blutig unter<lb/>
ihnen enden sollte. Sehr dunkel ist ferner die Stellung der Eloikob<lb/>
oder Wakuafi, sowie der Masai, welche beiden Völker durch ihre<lb/>
Kriegszüge und ihren Menschenraub der Schrecken aller Neger-<lb/>
stämme im äquatorialen Ostafrika geworden sind.</p><lb/>
            <p>Beklagen müssen wir den Mangel an Schädelmessungen inner-<lb/>
halb des hamitischen Stammes. Aegyptische Mumien- und Kaby-<lb/>
lenköpfe zeigen nach Welcker eine Höhe von 75 und eine Breite<lb/>
von 74 bis 75. Sie stehen also auf der Grenze zwischen Dolicho-<lb/>
und Mesocephalie. Schon bei den Aegyptern treten die Kiefern<lb/>
ein wenig vor, der Prognathismus wächst aber, je weiter wir nil-<lb/>
aufwärts uns bewegen. Die waizengelbe Hautfarbe dunkelt all-<lb/>
mälig mit abnehmender Breite zu rothbraun, tiefer Bronze oder<lb/>
dunkelem Braun. Das Haar wird gleichfalls mit Annäherung an<lb/>
den Aequator kürzer und der Bartwuchs spärlicher. Wie Robert<lb/>
Hartmann es gewiss richtig darstellt, findet daher eine Annähe-<lb/>
rung an den Negertypus statt, je weiter wir uns von den Mittel-<lb/>
meergestaden entfernen. &#x201E;Bei genauer Beobachtung, äussert<lb/>
Munzinger<note place="foot" n="1)">Ostafrikanische Studien. Schaffhausen 1864. S. 540.</note>, weiss der aufrichtige Reisende nicht mehr, wo der<lb/>
eigentliche Neger anfängt und der Glaube an die absolute Racen-<lb/>
trennung schwindet mehr und mehr.&#x201C; Vorläufig empfiehlt es sich<lb/>
indessen, diese Uebergänge der Vermischung mit Negersclavinnen<lb/>
zuzuschreiben und weitere Aufklärungen von einer künftigen<lb/>
strengen Sprachvergleichung zu erwarten. Versuchen wir es lieber<lb/>
die Frage zu lösen, warum unter den Gliedern der mittelländischen<lb/>
Race gerade der hamitische Stamm am frühesten eine hohe Ge-<lb/>
sittung sich erwerben und zum Lehrmeister aller Nachbarvölker<lb/>
werden sollte.</p><lb/>
            <p>Blättern wir zunächst in den Denkmälern von Rosellini und<lb/>
Lepsius, oder lassen wir diese Werke wegen ihres ungeniessbaren<lb/>
Formats besser bei Seite und greifen wir nach Wilkinson, so kön-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[521/0539] Die mittelländische Race. Somali wollen von Koreischiten in Mekka, andere von den Ansari aus Medina abstammen. Somit ist leicht möglich, dass bei stren- geren Untersuchungen, die Somali gänzlich ihre Stellung als ha- mitische Völker verlieren und künftig als Bastarde zwischen Negern und Semiten betrachtet werden möchten. Es ist wichtig, dass Kersten uns ihren edlen und männlichen Character rühmt, obgleich gerade die Unternehmung des Baron v. d. Decken blutig unter ihnen enden sollte. Sehr dunkel ist ferner die Stellung der Eloikob oder Wakuafi, sowie der Masai, welche beiden Völker durch ihre Kriegszüge und ihren Menschenraub der Schrecken aller Neger- stämme im äquatorialen Ostafrika geworden sind. Beklagen müssen wir den Mangel an Schädelmessungen inner- halb des hamitischen Stammes. Aegyptische Mumien- und Kaby- lenköpfe zeigen nach Welcker eine Höhe von 75 und eine Breite von 74 bis 75. Sie stehen also auf der Grenze zwischen Dolicho- und Mesocephalie. Schon bei den Aegyptern treten die Kiefern ein wenig vor, der Prognathismus wächst aber, je weiter wir nil- aufwärts uns bewegen. Die waizengelbe Hautfarbe dunkelt all- mälig mit abnehmender Breite zu rothbraun, tiefer Bronze oder dunkelem Braun. Das Haar wird gleichfalls mit Annäherung an den Aequator kürzer und der Bartwuchs spärlicher. Wie Robert Hartmann es gewiss richtig darstellt, findet daher eine Annähe- rung an den Negertypus statt, je weiter wir uns von den Mittel- meergestaden entfernen. „Bei genauer Beobachtung, äussert Munzinger 1), weiss der aufrichtige Reisende nicht mehr, wo der eigentliche Neger anfängt und der Glaube an die absolute Racen- trennung schwindet mehr und mehr.“ Vorläufig empfiehlt es sich indessen, diese Uebergänge der Vermischung mit Negersclavinnen zuzuschreiben und weitere Aufklärungen von einer künftigen strengen Sprachvergleichung zu erwarten. Versuchen wir es lieber die Frage zu lösen, warum unter den Gliedern der mittelländischen Race gerade der hamitische Stamm am frühesten eine hohe Ge- sittung sich erwerben und zum Lehrmeister aller Nachbarvölker werden sollte. Blättern wir zunächst in den Denkmälern von Rosellini und Lepsius, oder lassen wir diese Werke wegen ihres ungeniessbaren Formats besser bei Seite und greifen wir nach Wilkinson, so kön- 1) Ostafrikanische Studien. Schaffhausen 1864. S. 540.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/539
Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 521. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/539>, abgerufen am 23.12.2024.