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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Die Neger.
dort wo Europäer zuvor noch nicht gesehen worden waren, am
Zambesi, gewahrte Chapman 1), dass die Eingebornen auf wilde
Obstbäume Edelreiser gepfropft hatten.

Von Viehzucht gab es in der neuen Welt nur dürftige An-
fänge, durch ganz Afrika finden wir dagegen Ziegen, Schafe und
Rinder verbreitet. Gewiss sind sie dort nicht bezähmt, sondern
schon als Hausthiere den Negern übergeben worden, so dass also
auch hier wieder die Begünstigung Afrika's durch seine Halbinsel-
verbindung mit der alten Welt fühlbar wird. Mit Unrecht hat man
dagegen den Afrikanern vorgeworfen, dass sie den Elephanten
nicht abgerichtet haben wie die Hindu, denn der afrikanische Ele-
phant ist eine andere Art als die asiatische und vermuthlich nicht
so leicht zu bemeistern wie diese 2).

Die Ernährungsweise im Sudan und in Südafrika entspricht
ziemlich genau dem, was die Landesnatur erwarten lässt. Das
Sudan, von der senkrechten Sonne beschienen und von den tropi-
schen Regen bewässert, ist ein Wald- und Kornland, dort herrscht
also vorwiegend Feldbau und wenig Viehzucht, die Bevölkerung
vermag sich beträchtlich zu verdichten und die Form der Re-
gierung ist eine strenge Alleinherrschaft. Grosse Reiche und
grosse Städte entstehen und vergehen wieder in jähem Wechsel,
weil jeder Despotismus nur so lange währt als die Tüchtigkeit der
Despoten, diese aber sich nicht immer auf das nächste, höchst
selten auf das dritte Glied vererbt. Ausserdem bedroht die Viel-
weiberei die Sicherheit der Thronnachfolge und erzeugt beständig
Prätendentenkriege. Unter allen echten Negern treffen wir ent-
weder einen rohen Thier- und Fetischdienst oder den Islam.

Südafrika, soweit es bisher erforscht worden ist, lässt sich als
ein Hochland schildern mit Rändern, die nach beiden Oceanen zu
aufgerichtet sind. Es fällt in die Zone der Passatwinde mit un-
sicheren Regenzeiten, hat daher wenig geschlossene Wälder, son-
dern parkartige Steppen. Dort herrscht daher vorzugsweise Vieh-
zucht und weniger Ackerbau. In Folge dessen sind seine Be-
völkerungen nicht streng gegliedert, sondern, wie alle Nomaden,

1) Travels into the interior of South-Africa, tom. II., pag. 202.
2) Livingstone will aus römischen Münzen schliessen, dass vormals der
afrikanische Elephant gezähmt worden sei, ob sich aber deutlich die Merk-
male der afrikanischen Spielart erkennen lassen, erregt einige Zweifel.

Die Neger.
dort wo Europäer zuvor noch nicht gesehen worden waren, am
Zambesi, gewahrte Chapman 1), dass die Eingebornen auf wilde
Obstbäume Edelreiser gepfropft hatten.

Von Viehzucht gab es in der neuen Welt nur dürftige An-
fänge, durch ganz Afrika finden wir dagegen Ziegen, Schafe und
Rinder verbreitet. Gewiss sind sie dort nicht bezähmt, sondern
schon als Hausthiere den Negern übergeben worden, so dass also
auch hier wieder die Begünstigung Afrika’s durch seine Halbinsel-
verbindung mit der alten Welt fühlbar wird. Mit Unrecht hat man
dagegen den Afrikanern vorgeworfen, dass sie den Elephanten
nicht abgerichtet haben wie die Hindu, denn der afrikanische Ele-
phant ist eine andere Art als die asiatische und vermuthlich nicht
so leicht zu bemeistern wie diese 2).

Die Ernährungsweise im Sudan und in Südafrika entspricht
ziemlich genau dem, was die Landesnatur erwarten lässt. Das
Sudan, von der senkrechten Sonne beschienen und von den tropi-
schen Regen bewässert, ist ein Wald- und Kornland, dort herrscht
also vorwiegend Feldbau und wenig Viehzucht, die Bevölkerung
vermag sich beträchtlich zu verdichten und die Form der Re-
gierung ist eine strenge Alleinherrschaft. Grosse Reiche und
grosse Städte entstehen und vergehen wieder in jähem Wechsel,
weil jeder Despotismus nur so lange währt als die Tüchtigkeit der
Despoten, diese aber sich nicht immer auf das nächste, höchst
selten auf das dritte Glied vererbt. Ausserdem bedroht die Viel-
weiberei die Sicherheit der Thronnachfolge und erzeugt beständig
Prätendentenkriege. Unter allen echten Negern treffen wir ent-
weder einen rohen Thier- und Fetischdienst oder den Islam.

Südafrika, soweit es bisher erforscht worden ist, lässt sich als
ein Hochland schildern mit Rändern, die nach beiden Oceanen zu
aufgerichtet sind. Es fällt in die Zone der Passatwinde mit un-
sicheren Regenzeiten, hat daher wenig geschlossene Wälder, son-
dern parkartige Steppen. Dort herrscht daher vorzugsweise Vieh-
zucht und weniger Ackerbau. In Folge dessen sind seine Be-
völkerungen nicht streng gegliedert, sondern, wie alle Nomaden,

1) Travels into the interior of South-Africa, tom. II., pag. 202.
2) Livingstone will aus römischen Münzen schliessen, dass vormals der
afrikanische Elephant gezähmt worden sei, ob sich aber deutlich die Merk-
male der afrikanischen Spielart erkennen lassen, erregt einige Zweifel.
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[512/0530] Die Neger. dort wo Europäer zuvor noch nicht gesehen worden waren, am Zambesi, gewahrte Chapman 1), dass die Eingebornen auf wilde Obstbäume Edelreiser gepfropft hatten. Von Viehzucht gab es in der neuen Welt nur dürftige An- fänge, durch ganz Afrika finden wir dagegen Ziegen, Schafe und Rinder verbreitet. Gewiss sind sie dort nicht bezähmt, sondern schon als Hausthiere den Negern übergeben worden, so dass also auch hier wieder die Begünstigung Afrika’s durch seine Halbinsel- verbindung mit der alten Welt fühlbar wird. Mit Unrecht hat man dagegen den Afrikanern vorgeworfen, dass sie den Elephanten nicht abgerichtet haben wie die Hindu, denn der afrikanische Ele- phant ist eine andere Art als die asiatische und vermuthlich nicht so leicht zu bemeistern wie diese 2). Die Ernährungsweise im Sudan und in Südafrika entspricht ziemlich genau dem, was die Landesnatur erwarten lässt. Das Sudan, von der senkrechten Sonne beschienen und von den tropi- schen Regen bewässert, ist ein Wald- und Kornland, dort herrscht also vorwiegend Feldbau und wenig Viehzucht, die Bevölkerung vermag sich beträchtlich zu verdichten und die Form der Re- gierung ist eine strenge Alleinherrschaft. Grosse Reiche und grosse Städte entstehen und vergehen wieder in jähem Wechsel, weil jeder Despotismus nur so lange währt als die Tüchtigkeit der Despoten, diese aber sich nicht immer auf das nächste, höchst selten auf das dritte Glied vererbt. Ausserdem bedroht die Viel- weiberei die Sicherheit der Thronnachfolge und erzeugt beständig Prätendentenkriege. Unter allen echten Negern treffen wir ent- weder einen rohen Thier- und Fetischdienst oder den Islam. Südafrika, soweit es bisher erforscht worden ist, lässt sich als ein Hochland schildern mit Rändern, die nach beiden Oceanen zu aufgerichtet sind. Es fällt in die Zone der Passatwinde mit un- sicheren Regenzeiten, hat daher wenig geschlossene Wälder, son- dern parkartige Steppen. Dort herrscht daher vorzugsweise Vieh- zucht und weniger Ackerbau. In Folge dessen sind seine Be- völkerungen nicht streng gegliedert, sondern, wie alle Nomaden, 1) Travels into the interior of South-Africa, tom. II., pag. 202. 2) Livingstone will aus römischen Münzen schliessen, dass vormals der afrikanische Elephant gezähmt worden sei, ob sich aber deutlich die Merk- male der afrikanischen Spielart erkennen lassen, erregt einige Zweifel.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 512. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/530>, abgerufen am 23.12.2024.