In Afrika sind sie eine gemeine Erscheinung. Dass Livingstone ihrer wiederholt auf seinen Märschen gedenkt, darf uns nicht in Verwunderung setzen, da er das Gebiet ziemlich begabter Völker- stämme durchzog, allein wir finden selbst bei Negerstämmen an den westlichen Seitenarmen des weissen Nil, also schon auf der tiefsten Stufe der afrikanischen Entwickelung, hölzerne Brücken von "fabelhafter Länge" 1).
Zu der nautischen Verschlossenheit Afrika's gesellt sich noch als Verschärfung die Unwegsamkeit grosser Binnenräume. Der Wüstengürtel, der sich vom atlantischen Meer quer durch den Norden des Festlandes selbst über den Nil hinweg bis zum arabi- schen Golf verbreitet, scheidet den Welttheil für die Gesittungs- geschichte in zwei streng gesonderte Hälften, denn während der nördliche Saum für alle Segnungen des mediterraneischen Bildungs- ganges empfänglich war, blieb die südliche Hälfte mehr auf sich selbst angewiesen. Zur Zeit der römischen Ansiedlungen über- schritt eine einzige geographische Unternehmung die Sahara und Zweifel sind noch jetzt jedermann verstattet, ob sie bis zum Sudan selbst oder nur bis zu einer der grossen Oasen vordrang 2). Die Schwierigkeiten einer Ueberschreitung der Sahara waren ehemals viel grösser, da erst nach Beginn unsrer Zeitrechnung das Kamel als Lastthier in den Berberlanden eingeführt wurde -- eine denk- würdige Neuerung und für das grosse Festland so folgenschwer wie für uns der Beginn des Eisenbahnbaues. Selbst die Gewächse werden von Wüsten in ihren Wanderungen viel wirksamer zurück- gehalten als von schmalen Meeresarmen, denn während die Floren des nördlichen Afrika und der Mittelmeerränder Südeuropa's aufs innigste übereinstimmen, tritt jenseits der Sahara eine neue der nordafrikanischen entfremdete Pflanzenwelt auf. Diesen Schwierig- keiten und Schranken begegnete auch die Gesittung, wenn wir darunter alle durch menschliches Nachsinnen der Natur abgerunge- nen Vortheile, die Veredelung ihrer Gaben, den leichteren Erwerb und die Verbesserung der Nährstoffe, die Erfindungen zur Abkürzung
1)Petherik, Central-Africa, tom I. p. 236.
2)Vivien de Saint-Martin (Le Nord d'Afrique, p. 222). Doch er- wähnt Ptolemäus (Geogr. lib. I, cap. 8) das Nashorn in Agisymba, daher dieses Land schon dem Sudan angehört haben muss.
Die Neger.
In Afrika sind sie eine gemeine Erscheinung. Dass Livingstone ihrer wiederholt auf seinen Märschen gedenkt, darf uns nicht in Verwunderung setzen, da er das Gebiet ziemlich begabter Völker- stämme durchzog, allein wir finden selbst bei Negerstämmen an den westlichen Seitenarmen des weissen Nil, also schon auf der tiefsten Stufe der afrikanischen Entwickelung, hölzerne Brücken von „fabelhafter Länge“ 1).
Zu der nautischen Verschlossenheit Afrika’s gesellt sich noch als Verschärfung die Unwegsamkeit grosser Binnenräume. Der Wüstengürtel, der sich vom atlantischen Meer quer durch den Norden des Festlandes selbst über den Nil hinweg bis zum arabi- schen Golf verbreitet, scheidet den Welttheil für die Gesittungs- geschichte in zwei streng gesonderte Hälften, denn während der nördliche Saum für alle Segnungen des mediterraneischen Bildungs- ganges empfänglich war, blieb die südliche Hälfte mehr auf sich selbst angewiesen. Zur Zeit der römischen Ansiedlungen über- schritt eine einzige geographische Unternehmung die Sahara und Zweifel sind noch jetzt jedermann verstattet, ob sie bis zum Sudan selbst oder nur bis zu einer der grossen Oasen vordrang 2). Die Schwierigkeiten einer Ueberschreitung der Sahara waren ehemals viel grösser, da erst nach Beginn unsrer Zeitrechnung das Kamel als Lastthier in den Berberlanden eingeführt wurde — eine denk- würdige Neuerung und für das grosse Festland so folgenschwer wie für uns der Beginn des Eisenbahnbaues. Selbst die Gewächse werden von Wüsten in ihren Wanderungen viel wirksamer zurück- gehalten als von schmalen Meeresarmen, denn während die Floren des nördlichen Afrika und der Mittelmeerränder Südeuropa’s aufs innigste übereinstimmen, tritt jenseits der Sahara eine neue der nordafrikanischen entfremdete Pflanzenwelt auf. Diesen Schwierig- keiten und Schranken begegnete auch die Gesittung, wenn wir darunter alle durch menschliches Nachsinnen der Natur abgerunge- nen Vortheile, die Veredelung ihrer Gaben, den leichteren Erwerb und die Verbesserung der Nährstoffe, die Erfindungen zur Abkürzung
1)Petherik, Central-Africa, tom I. p. 236.
2)Vivien de Saint-Martin (Le Nord d’Afrique, p. 222). Doch er- wähnt Ptolemäus (Geogr. lib. I, cap. 8) das Nashorn in Agisymba, daher dieses Land schon dem Sudan angehört haben muss.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0525"n="507"/><fwplace="top"type="header">Die Neger.</fw><lb/>
In Afrika sind sie eine gemeine Erscheinung. Dass Livingstone<lb/>
ihrer wiederholt auf seinen Märschen gedenkt, darf uns nicht in<lb/>
Verwunderung setzen, da er das Gebiet ziemlich begabter Völker-<lb/>
stämme durchzog, allein wir finden selbst bei Negerstämmen an<lb/>
den westlichen Seitenarmen des weissen Nil, also schon auf der<lb/>
tiefsten Stufe der afrikanischen Entwickelung, hölzerne Brücken<lb/>
von „fabelhafter Länge“<noteplace="foot"n="1)"><hirendition="#g">Petherik</hi>, Central-Africa, tom I. p. 236.</note>.</p><lb/><p>Zu der nautischen Verschlossenheit Afrika’s gesellt sich noch<lb/>
als Verschärfung die Unwegsamkeit grosser Binnenräume. Der<lb/>
Wüstengürtel, der sich vom atlantischen Meer quer durch den<lb/>
Norden des Festlandes selbst über den Nil hinweg bis zum arabi-<lb/>
schen Golf verbreitet, scheidet den Welttheil für die Gesittungs-<lb/>
geschichte in zwei streng gesonderte Hälften, denn während der<lb/>
nördliche Saum für alle Segnungen des mediterraneischen Bildungs-<lb/>
ganges empfänglich war, blieb die südliche Hälfte mehr auf sich<lb/>
selbst angewiesen. Zur Zeit der römischen Ansiedlungen über-<lb/>
schritt eine einzige geographische Unternehmung die Sahara und<lb/>
Zweifel sind noch jetzt jedermann verstattet, ob sie bis zum Sudan<lb/>
selbst oder nur bis zu einer der grossen Oasen vordrang <noteplace="foot"n="2)"><hirendition="#g">Vivien de Saint-Martin</hi> (Le Nord d’Afrique, p. 222). Doch er-<lb/>
wähnt <hirendition="#g">Ptolemäus</hi> (Geogr. lib. I, cap. 8) das Nashorn in Agisymba, daher<lb/>
dieses Land schon dem Sudan angehört haben muss.</note>. Die<lb/>
Schwierigkeiten einer Ueberschreitung der Sahara waren ehemals<lb/>
viel grösser, da erst nach Beginn unsrer Zeitrechnung das Kamel<lb/>
als Lastthier in den Berberlanden eingeführt wurde — eine denk-<lb/>
würdige Neuerung und für das grosse Festland so folgenschwer<lb/>
wie für uns der Beginn des Eisenbahnbaues. Selbst die Gewächse<lb/>
werden von Wüsten in ihren Wanderungen viel wirksamer zurück-<lb/>
gehalten als von schmalen Meeresarmen, denn während die Floren<lb/>
des nördlichen Afrika und der Mittelmeerränder Südeuropa’s aufs<lb/>
innigste übereinstimmen, tritt jenseits der Sahara eine neue der<lb/>
nordafrikanischen entfremdete Pflanzenwelt auf. Diesen Schwierig-<lb/>
keiten und Schranken begegnete auch die Gesittung, wenn wir<lb/>
darunter alle durch menschliches Nachsinnen der Natur abgerunge-<lb/>
nen Vortheile, die Veredelung ihrer Gaben, den leichteren Erwerb<lb/>
und die Verbesserung der Nährstoffe, die Erfindungen zur Abkürzung<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[507/0525]
Die Neger.
In Afrika sind sie eine gemeine Erscheinung. Dass Livingstone
ihrer wiederholt auf seinen Märschen gedenkt, darf uns nicht in
Verwunderung setzen, da er das Gebiet ziemlich begabter Völker-
stämme durchzog, allein wir finden selbst bei Negerstämmen an
den westlichen Seitenarmen des weissen Nil, also schon auf der
tiefsten Stufe der afrikanischen Entwickelung, hölzerne Brücken
von „fabelhafter Länge“ 1).
Zu der nautischen Verschlossenheit Afrika’s gesellt sich noch
als Verschärfung die Unwegsamkeit grosser Binnenräume. Der
Wüstengürtel, der sich vom atlantischen Meer quer durch den
Norden des Festlandes selbst über den Nil hinweg bis zum arabi-
schen Golf verbreitet, scheidet den Welttheil für die Gesittungs-
geschichte in zwei streng gesonderte Hälften, denn während der
nördliche Saum für alle Segnungen des mediterraneischen Bildungs-
ganges empfänglich war, blieb die südliche Hälfte mehr auf sich
selbst angewiesen. Zur Zeit der römischen Ansiedlungen über-
schritt eine einzige geographische Unternehmung die Sahara und
Zweifel sind noch jetzt jedermann verstattet, ob sie bis zum Sudan
selbst oder nur bis zu einer der grossen Oasen vordrang 2). Die
Schwierigkeiten einer Ueberschreitung der Sahara waren ehemals
viel grösser, da erst nach Beginn unsrer Zeitrechnung das Kamel
als Lastthier in den Berberlanden eingeführt wurde — eine denk-
würdige Neuerung und für das grosse Festland so folgenschwer
wie für uns der Beginn des Eisenbahnbaues. Selbst die Gewächse
werden von Wüsten in ihren Wanderungen viel wirksamer zurück-
gehalten als von schmalen Meeresarmen, denn während die Floren
des nördlichen Afrika und der Mittelmeerränder Südeuropa’s aufs
innigste übereinstimmen, tritt jenseits der Sahara eine neue der
nordafrikanischen entfremdete Pflanzenwelt auf. Diesen Schwierig-
keiten und Schranken begegnete auch die Gesittung, wenn wir
darunter alle durch menschliches Nachsinnen der Natur abgerunge-
nen Vortheile, die Veredelung ihrer Gaben, den leichteren Erwerb
und die Verbesserung der Nährstoffe, die Erfindungen zur Abkürzung
1) Petherik, Central-Africa, tom I. p. 236.
2) Vivien de Saint-Martin (Le Nord d’Afrique, p. 222). Doch er-
wähnt Ptolemäus (Geogr. lib. I, cap. 8) das Nashorn in Agisymba, daher
dieses Land schon dem Sudan angehört haben muss.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 507. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/525>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.