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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Hottentotten und Buschmänner.
jagten, führten sie auch Bogen und Pfeile, welche letztere ver-
giftet wurden. Wie alle Afrikaner verstanden sie Eisenerze aus-
zuschmelzen und das Metall zu verarbeiten. Ebenso war das Ab-
richten der Reitochsen von Alters her bei ihnen gebräuchlich.
Gekocht wurde in Thongeschirren. Aus Honig bereiteten sie ein
berauschendes Getränk, wie denn ihr starker Hang zu solchen
Genussmitteln das Branntweintrinken später bis zu einem natio-
nalen Laster hat ausarten lassen. Dazu gesellte sich schon seit
langer Zeit das schädliche Rauchen von Dacha oder Hanf, welches
sie mit den Bantunegern gemein haben. Durch ihre Unreinlich-
keit haben sie sich wohl am meisten die Geringschätzung der
Europäer zugezogen. Der unglaublich klingende Gebrauch, dass
beim Abschluss einer Heirath der Schamane das Brautpaar mit
seinem Urin besudelt, soll wirklich bei dem Namastamme noch
jetzt fortdauern 1). Vergessen wir jedoch nicht, dass die Neapoli-
taner und Iren, sowie die Zigeuner trotz ihrer Unsauberkeiten zu
den Gliedern der arischen Völkerfamilie gehören, sowie dass dem
brahmanischen Hindu als Reinigung von allerhand Sünden das
Trinken von Rinderharn vorgeschrieben worden war. Rachsucht,
geringe Ehrfurcht vor den Eltern und das Aussetzen der Alters-
schwachen in Einöden sind ebenfalls Flecken im Charakter der
Hottentotten. Ihr Hang zur Freiheit oder deutlicher gesprochen
zum Müssiggang hat ihre Kopfzahl stark vermindert und ihr gänz-
liches Aussterben wird sich schwerlich abwenden lassen. Sie lebten
in Horden unter Häuptlingen, die ihr Ansehen mit den Aeltesten
einer Gemeinde theilten. Bisweilen haben wohl auch die einzelnen
Horden Bündnisse zur Abwehr gemeinsamer Feinde geschlossen.
Noch jetzt nennen sich die Kei-khhous oder das "rothe Volk"
einen königlichen Stamm 2), woraus vielleicht geschlossen werden
darf, dass ehemals die Koi-koin wenn auch nur kurze Zeit zu
einer Nation von einem begabten Herrscher vereinigt waren. Die
Vielweiberei ist verstattet, aber selten. Kolbe rühmt, dass nie
eine Frau misshandelt werde 3), doch bestätigen neuere Beobachter
nicht das Gleiche; vielleicht, dass die besseren alten Sitten durch

1) Kolbe S. 453. Theophilus Hahn, VII. Jahresbericht der Dresd-
ner Geogr. Ges. S. 9.
2) Fritsch, Eingeborne. S. 361.
3) l. c. S. 552.

Hottentotten und Buschmänner.
jagten, führten sie auch Bogen und Pfeile, welche letztere ver-
giftet wurden. Wie alle Afrikaner verstanden sie Eisenerze aus-
zuschmelzen und das Metall zu verarbeiten. Ebenso war das Ab-
richten der Reitochsen von Alters her bei ihnen gebräuchlich.
Gekocht wurde in Thongeschirren. Aus Honig bereiteten sie ein
berauschendes Getränk, wie denn ihr starker Hang zu solchen
Genussmitteln das Branntweintrinken später bis zu einem natio-
nalen Laster hat ausarten lassen. Dazu gesellte sich schon seit
langer Zeit das schädliche Rauchen von Dacha oder Hanf, welches
sie mit den Bantunegern gemein haben. Durch ihre Unreinlich-
keit haben sie sich wohl am meisten die Geringschätzung der
Europäer zugezogen. Der unglaublich klingende Gebrauch, dass
beim Abschluss einer Heirath der Schamane das Brautpaar mit
seinem Urin besudelt, soll wirklich bei dem Namastamme noch
jetzt fortdauern 1). Vergessen wir jedoch nicht, dass die Neapoli-
taner und Iren, sowie die Zigeuner trotz ihrer Unsauberkeiten zu
den Gliedern der arischen Völkerfamilie gehören, sowie dass dem
brahmanischen Hindu als Reinigung von allerhand Sünden das
Trinken von Rinderharn vorgeschrieben worden war. Rachsucht,
geringe Ehrfurcht vor den Eltern und das Aussetzen der Alters-
schwachen in Einöden sind ebenfalls Flecken im Charakter der
Hottentotten. Ihr Hang zur Freiheit oder deutlicher gesprochen
zum Müssiggang hat ihre Kopfzahl stark vermindert und ihr gänz-
liches Aussterben wird sich schwerlich abwenden lassen. Sie lebten
in Horden unter Häuptlingen, die ihr Ansehen mit den Aeltesten
einer Gemeinde theilten. Bisweilen haben wohl auch die einzelnen
Horden Bündnisse zur Abwehr gemeinsamer Feinde geschlossen.
Noch jetzt nennen sich die Kei-χhous oder das „rothe Volk“
einen königlichen Stamm 2), woraus vielleicht geschlossen werden
darf, dass ehemals die Koi-koin wenn auch nur kurze Zeit zu
einer Nation von einem begabten Herrscher vereinigt waren. Die
Vielweiberei ist verstattet, aber selten. Kolbe rühmt, dass nie
eine Frau misshandelt werde 3), doch bestätigen neuere Beobachter
nicht das Gleiche; vielleicht, dass die besseren alten Sitten durch

1) Kolbe S. 453. Theophilus Hahn, VII. Jahresbericht der Dresd-
ner Geogr. Ges. S. 9.
2) Fritsch, Eingeborne. S. 361.
3) l. c. S. 552.
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[493/0511] Hottentotten und Buschmänner. jagten, führten sie auch Bogen und Pfeile, welche letztere ver- giftet wurden. Wie alle Afrikaner verstanden sie Eisenerze aus- zuschmelzen und das Metall zu verarbeiten. Ebenso war das Ab- richten der Reitochsen von Alters her bei ihnen gebräuchlich. Gekocht wurde in Thongeschirren. Aus Honig bereiteten sie ein berauschendes Getränk, wie denn ihr starker Hang zu solchen Genussmitteln das Branntweintrinken später bis zu einem natio- nalen Laster hat ausarten lassen. Dazu gesellte sich schon seit langer Zeit das schädliche Rauchen von Dacha oder Hanf, welches sie mit den Bantunegern gemein haben. Durch ihre Unreinlich- keit haben sie sich wohl am meisten die Geringschätzung der Europäer zugezogen. Der unglaublich klingende Gebrauch, dass beim Abschluss einer Heirath der Schamane das Brautpaar mit seinem Urin besudelt, soll wirklich bei dem Namastamme noch jetzt fortdauern 1). Vergessen wir jedoch nicht, dass die Neapoli- taner und Iren, sowie die Zigeuner trotz ihrer Unsauberkeiten zu den Gliedern der arischen Völkerfamilie gehören, sowie dass dem brahmanischen Hindu als Reinigung von allerhand Sünden das Trinken von Rinderharn vorgeschrieben worden war. Rachsucht, geringe Ehrfurcht vor den Eltern und das Aussetzen der Alters- schwachen in Einöden sind ebenfalls Flecken im Charakter der Hottentotten. Ihr Hang zur Freiheit oder deutlicher gesprochen zum Müssiggang hat ihre Kopfzahl stark vermindert und ihr gänz- liches Aussterben wird sich schwerlich abwenden lassen. Sie lebten in Horden unter Häuptlingen, die ihr Ansehen mit den Aeltesten einer Gemeinde theilten. Bisweilen haben wohl auch die einzelnen Horden Bündnisse zur Abwehr gemeinsamer Feinde geschlossen. Noch jetzt nennen sich die Kei-χhous oder das „rothe Volk“ einen königlichen Stamm 2), woraus vielleicht geschlossen werden darf, dass ehemals die Koi-koin wenn auch nur kurze Zeit zu einer Nation von einem begabten Herrscher vereinigt waren. Die Vielweiberei ist verstattet, aber selten. Kolbe rühmt, dass nie eine Frau misshandelt werde 3), doch bestätigen neuere Beobachter nicht das Gleiche; vielleicht, dass die besseren alten Sitten durch 1) Kolbe S. 453. Theophilus Hahn, VII. Jahresbericht der Dresd- ner Geogr. Ges. S. 9. 2) Fritsch, Eingeborne. S. 361. 3) l. c. S. 552.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 493. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/511>, abgerufen am 23.12.2024.