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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Die amerikanische Urbevölkerung.

Auf dem pacifischen Abhang Amerika's lässt sich ferner beob-
achten, dass die Zustände der Bewohner bei Annäherung und
Ueberschreitung der Wendekreise sich merklich bessern, was sich
selbst bei den Jägerstämmen noch bewährt und übereinstimmt mit
den geschichtlichen Erfahrungen in der alten Welt. Warme Länder
bei ausreichender Bewässerung werden immer den Feldbau am
reichsten belohnen, und nur bei einer grösseren Fülle leicht er-
worbener Nahrungsmittel werden die Bewohner dicht auf engen
Räumen zusammenzurücken vermögen. Erst wenn unter niederen
Breiten schon eine gewisse Beherrschung über die Natur durch
menschlichen Scharfsinn und gesellschaftliche Gliederung gewonnen
worden ist, vermag die Cultur auch in rauhere Erdstriche vorzu-
dringen. Wichtig war es auch, dass Mexico dort liegt, wo sich das
nördliche Festland sehr rasch nach einem Isthmus zu verengert.
Da sich die Völker selbst im reifen und noch mehr im Jugend-
zustand der Cultur zur Aenderung ihrer Wohnsitze leicht ent-
schliessen, so mussten, da vom nördlichen Festlande nach Süden
zu kein anderer Raum offen stand als jene Verschmälerung des
Festlandes, dort viel häufiger als anderwärts die Völker aufeinander
drängen. So fehlte es in Mexico nie an Zuströmen von frischem
Blute, wie ja auch eine Verjüngung der gealterten Toltekenherr-
schaft durch die Wanderungen jugendlicher Nahuatlvölker von
Norden her erfolgte.

Die senkrechte Gliederung Nordamerika's begünstigte aber
ganz ungemein Wanderzüge in der Richtung der Mittagskreise.
Die Verbreitung der menschlichen Cultur zeigt so manche Ueber-
einstimmungen mit der Wanderung der Thier- und Pflanzenarten,
dass wir auch in der neuen Welt auf eine Aehnlichkeit stossen.
Die Hochlande und Cordilleren Nordamerika's haben es Ge-
wächsen und Thieren der kälteren Erdstriche erlaubt, sich weit
nach Süden zu erstrecken. Sie führten in höheren und kühleren
Luftschichten als Brücken über den Wendekreis hinüber. Süd-
amerika besitzt keine Tannen oder Fichten, wohl aber haben sich
von Nordamerika aus auf dem Rücken der Gebirge die Nadel-
hölzer bis zur mittelamerikanischen Landenge verbreiten können
und Andreas Wagner 1) lässt daher die Thierwelt Nordamerika's

1) Abhandlungen der bayerischen Akademie der Wissenschaften. München
1846. Bd. 4. S. 26.
Die amerikanische Urbevölkerung.

Auf dem pacifischen Abhang Amerika’s lässt sich ferner beob-
achten, dass die Zustände der Bewohner bei Annäherung und
Ueberschreitung der Wendekreise sich merklich bessern, was sich
selbst bei den Jägerstämmen noch bewährt und übereinstimmt mit
den geschichtlichen Erfahrungen in der alten Welt. Warme Länder
bei ausreichender Bewässerung werden immer den Feldbau am
reichsten belohnen, und nur bei einer grösseren Fülle leicht er-
worbener Nahrungsmittel werden die Bewohner dicht auf engen
Räumen zusammenzurücken vermögen. Erst wenn unter niederen
Breiten schon eine gewisse Beherrschung über die Natur durch
menschlichen Scharfsinn und gesellschaftliche Gliederung gewonnen
worden ist, vermag die Cultur auch in rauhere Erdstriche vorzu-
dringen. Wichtig war es auch, dass Mexico dort liegt, wo sich das
nördliche Festland sehr rasch nach einem Isthmus zu verengert.
Da sich die Völker selbst im reifen und noch mehr im Jugend-
zustand der Cultur zur Aenderung ihrer Wohnsitze leicht ent-
schliessen, so mussten, da vom nördlichen Festlande nach Süden
zu kein anderer Raum offen stand als jene Verschmälerung des
Festlandes, dort viel häufiger als anderwärts die Völker aufeinander
drängen. So fehlte es in Mexico nie an Zuströmen von frischem
Blute, wie ja auch eine Verjüngung der gealterten Toltekenherr-
schaft durch die Wanderungen jugendlicher Nahuatlvölker von
Norden her erfolgte.

Die senkrechte Gliederung Nordamerika’s begünstigte aber
ganz ungemein Wanderzüge in der Richtung der Mittagskreise.
Die Verbreitung der menschlichen Cultur zeigt so manche Ueber-
einstimmungen mit der Wanderung der Thier- und Pflanzenarten,
dass wir auch in der neuen Welt auf eine Aehnlichkeit stossen.
Die Hochlande und Cordilleren Nordamerika’s haben es Ge-
wächsen und Thieren der kälteren Erdstriche erlaubt, sich weit
nach Süden zu erstrecken. Sie führten in höheren und kühleren
Luftschichten als Brücken über den Wendekreis hinüber. Süd-
amerika besitzt keine Tannen oder Fichten, wohl aber haben sich
von Nordamerika aus auf dem Rücken der Gebirge die Nadel-
hölzer bis zur mittelamerikanischen Landenge verbreiten können
und Andreas Wagner 1) lässt daher die Thierwelt Nordamerika’s

1) Abhandlungen der bayerischen Akademie der Wissenschaften. München
1846. Bd. 4. S. 26.
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[480/0498] Die amerikanische Urbevölkerung. Auf dem pacifischen Abhang Amerika’s lässt sich ferner beob- achten, dass die Zustände der Bewohner bei Annäherung und Ueberschreitung der Wendekreise sich merklich bessern, was sich selbst bei den Jägerstämmen noch bewährt und übereinstimmt mit den geschichtlichen Erfahrungen in der alten Welt. Warme Länder bei ausreichender Bewässerung werden immer den Feldbau am reichsten belohnen, und nur bei einer grösseren Fülle leicht er- worbener Nahrungsmittel werden die Bewohner dicht auf engen Räumen zusammenzurücken vermögen. Erst wenn unter niederen Breiten schon eine gewisse Beherrschung über die Natur durch menschlichen Scharfsinn und gesellschaftliche Gliederung gewonnen worden ist, vermag die Cultur auch in rauhere Erdstriche vorzu- dringen. Wichtig war es auch, dass Mexico dort liegt, wo sich das nördliche Festland sehr rasch nach einem Isthmus zu verengert. Da sich die Völker selbst im reifen und noch mehr im Jugend- zustand der Cultur zur Aenderung ihrer Wohnsitze leicht ent- schliessen, so mussten, da vom nördlichen Festlande nach Süden zu kein anderer Raum offen stand als jene Verschmälerung des Festlandes, dort viel häufiger als anderwärts die Völker aufeinander drängen. So fehlte es in Mexico nie an Zuströmen von frischem Blute, wie ja auch eine Verjüngung der gealterten Toltekenherr- schaft durch die Wanderungen jugendlicher Nahuatlvölker von Norden her erfolgte. Die senkrechte Gliederung Nordamerika’s begünstigte aber ganz ungemein Wanderzüge in der Richtung der Mittagskreise. Die Verbreitung der menschlichen Cultur zeigt so manche Ueber- einstimmungen mit der Wanderung der Thier- und Pflanzenarten, dass wir auch in der neuen Welt auf eine Aehnlichkeit stossen. Die Hochlande und Cordilleren Nordamerika’s haben es Ge- wächsen und Thieren der kälteren Erdstriche erlaubt, sich weit nach Süden zu erstrecken. Sie führten in höheren und kühleren Luftschichten als Brücken über den Wendekreis hinüber. Süd- amerika besitzt keine Tannen oder Fichten, wohl aber haben sich von Nordamerika aus auf dem Rücken der Gebirge die Nadel- hölzer bis zur mittelamerikanischen Landenge verbreiten können und Andreas Wagner 1) lässt daher die Thierwelt Nordamerika’s 1) Abhandlungen der bayerischen Akademie der Wissenschaften. München 1846. Bd. 4. S. 26.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 480. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/498>, abgerufen am 23.12.2024.