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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Die amerikanische Urbevölkerung.
feln ausgesetzt ist. Die Mexicaner dagegen besassen theils Schrift-
zeichen, die rebusartig Sylben ausdrücken sollten, theils einen
Vorrath von Sinnbildern, die einen Gedanken vertraten. Noch
höher waren die Maya Yucatans gestiegen. Hatten sie auch
ihren Kalender aus Mexico entlehnt, so schufen sie dafür eine
Lautschrift, bestehend aus 27 zum kleinsten Theil homophonen
Buchstaben und etlichen Sylbenzeichen 1).

Die örtliche Vertheilung der Gesittungsanfänge in der neuen
Welt führt uns nun mit Leichtigkeit zu etlichen wichtigen Ergeb-
nissen. Es zeigt sich mit strenger Regelmässigkeit in Süd- wie
in Nordamerika, dass die atlantische Hälfte den rohen Jägervölkern,
die Stirnseite nach der Südsee den Culturvölkern gehörte. Aus den
abenteuerlichen Wanderungen des Spaniers Cabeza de Vaca wird
sich wohl mancher erinnern, dass, sowie er, von Texas aus west-
lich wandernd, die atlantische Wasserscheide überschreitet, er das
unbeneidete Elend der Rothhäute hinter sich lässt, und unter
freundliche, wohlgenährte Ackerbauvölker geräth, bei denen seine
schliessliche Rettung gesichert ist. Man könnte höchstens ein-
wenden, dass in Yucatan ein Culturgebiet, der Regel zum Trotz,
einer Ostküste des Festlands, und geographisch dem atlantischen
Rand angehöre, allein den wahren Ostsaum der neuen Welt in
Mittelamerika bilden doch wohl die Antillen, und es ist völlig er-
laubt, die caribischen und die mexicanischen Golfe als zwei Mittel-
meere anzusehen, deren gänzliches Zusammenströmen eben durch
das Zwischentreten von Yucatan verhindert wird -- eine Gliederung,
welche an sich ausreichte, jene Halbinsel zu einem erwählten Erd-
raum für eine beschleunigte Gesittung zu erheben. Der physische
Grund aber, weshalb die Westhälfte Amerika's ausschliesslich den
Culturvölkern gehörte, ist in ihrer vergleichsweise grösseren Trocken-
heit zu suchen. Ein Uebermaass von Regen ergiesst sich auf die
Westküsten der beiden Festlande nur unter hohen Breiten, und
vom reichlichen Regen wird immer die Bildung geschlossener
Waldungen abhängen. Alle grossen zusammenhängenden Wälder
füllten dagegen die Räume des Ostens aus, in Brasilien so gut
wie in den Vereinigten Staaten.

1) Diego de Landa, Relation des choses de Yucatan. Paris 1864.
p. 316--322. v. Hellwald im Ausland. 1871. S. 243.

Die amerikanische Urbevölkerung.
feln ausgesetzt ist. Die Mexicaner dagegen besassen theils Schrift-
zeichen, die rebusartig Sylben ausdrücken sollten, theils einen
Vorrath von Sinnbildern, die einen Gedanken vertraten. Noch
höher waren die Maya Yucatans gestiegen. Hatten sie auch
ihren Kalender aus Mexico entlehnt, so schufen sie dafür eine
Lautschrift, bestehend aus 27 zum kleinsten Theil homophonen
Buchstaben und etlichen Sylbenzeichen 1).

Die örtliche Vertheilung der Gesittungsanfänge in der neuen
Welt führt uns nun mit Leichtigkeit zu etlichen wichtigen Ergeb-
nissen. Es zeigt sich mit strenger Regelmässigkeit in Süd- wie
in Nordamerika, dass die atlantische Hälfte den rohen Jägervölkern,
die Stirnseite nach der Südsee den Culturvölkern gehörte. Aus den
abenteuerlichen Wanderungen des Spaniers Cabeza de Vaca wird
sich wohl mancher erinnern, dass, sowie er, von Texas aus west-
lich wandernd, die atlantische Wasserscheide überschreitet, er das
unbeneidete Elend der Rothhäute hinter sich lässt, und unter
freundliche, wohlgenährte Ackerbauvölker geräth, bei denen seine
schliessliche Rettung gesichert ist. Man könnte höchstens ein-
wenden, dass in Yucatan ein Culturgebiet, der Regel zum Trotz,
einer Ostküste des Festlands, und geographisch dem atlantischen
Rand angehöre, allein den wahren Ostsaum der neuen Welt in
Mittelamerika bilden doch wohl die Antillen, und es ist völlig er-
laubt, die caribischen und die mexicanischen Golfe als zwei Mittel-
meere anzusehen, deren gänzliches Zusammenströmen eben durch
das Zwischentreten von Yucatan verhindert wird — eine Gliederung,
welche an sich ausreichte, jene Halbinsel zu einem erwählten Erd-
raum für eine beschleunigte Gesittung zu erheben. Der physische
Grund aber, weshalb die Westhälfte Amerika’s ausschliesslich den
Culturvölkern gehörte, ist in ihrer vergleichsweise grösseren Trocken-
heit zu suchen. Ein Uebermaass von Regen ergiesst sich auf die
Westküsten der beiden Festlande nur unter hohen Breiten, und
vom reichlichen Regen wird immer die Bildung geschlossener
Waldungen abhängen. Alle grossen zusammenhängenden Wälder
füllten dagegen die Räume des Ostens aus, in Brasilien so gut
wie in den Vereinigten Staaten.

1) Diego de Landa, Relation des choses de Yucatan. Paris 1864.
p. 316—322. v. Hellwald im Ausland. 1871. S. 243.
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[479/0497] Die amerikanische Urbevölkerung. feln ausgesetzt ist. Die Mexicaner dagegen besassen theils Schrift- zeichen, die rebusartig Sylben ausdrücken sollten, theils einen Vorrath von Sinnbildern, die einen Gedanken vertraten. Noch höher waren die Maya Yucatans gestiegen. Hatten sie auch ihren Kalender aus Mexico entlehnt, so schufen sie dafür eine Lautschrift, bestehend aus 27 zum kleinsten Theil homophonen Buchstaben und etlichen Sylbenzeichen 1). Die örtliche Vertheilung der Gesittungsanfänge in der neuen Welt führt uns nun mit Leichtigkeit zu etlichen wichtigen Ergeb- nissen. Es zeigt sich mit strenger Regelmässigkeit in Süd- wie in Nordamerika, dass die atlantische Hälfte den rohen Jägervölkern, die Stirnseite nach der Südsee den Culturvölkern gehörte. Aus den abenteuerlichen Wanderungen des Spaniers Cabeza de Vaca wird sich wohl mancher erinnern, dass, sowie er, von Texas aus west- lich wandernd, die atlantische Wasserscheide überschreitet, er das unbeneidete Elend der Rothhäute hinter sich lässt, und unter freundliche, wohlgenährte Ackerbauvölker geräth, bei denen seine schliessliche Rettung gesichert ist. Man könnte höchstens ein- wenden, dass in Yucatan ein Culturgebiet, der Regel zum Trotz, einer Ostküste des Festlands, und geographisch dem atlantischen Rand angehöre, allein den wahren Ostsaum der neuen Welt in Mittelamerika bilden doch wohl die Antillen, und es ist völlig er- laubt, die caribischen und die mexicanischen Golfe als zwei Mittel- meere anzusehen, deren gänzliches Zusammenströmen eben durch das Zwischentreten von Yucatan verhindert wird — eine Gliederung, welche an sich ausreichte, jene Halbinsel zu einem erwählten Erd- raum für eine beschleunigte Gesittung zu erheben. Der physische Grund aber, weshalb die Westhälfte Amerika’s ausschliesslich den Culturvölkern gehörte, ist in ihrer vergleichsweise grösseren Trocken- heit zu suchen. Ein Uebermaass von Regen ergiesst sich auf die Westküsten der beiden Festlande nur unter hohen Breiten, und vom reichlichen Regen wird immer die Bildung geschlossener Waldungen abhängen. Alle grossen zusammenhängenden Wälder füllten dagegen die Räume des Ostens aus, in Brasilien so gut wie in den Vereinigten Staaten. 1) Diego de Landa, Relation des choses de Yucatan. Paris 1864. p. 316—322. v. Hellwald im Ausland. 1871. S. 243.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 479. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/497>, abgerufen am 23.12.2024.