Es hat also nichts überraschendes für uns, wenn in Florida auch Reste alter Strassen entdeckt worden sind, denn wo Brücken an- getroffen werden, muss schon ein starker Verkehr das Land belebt haben.
Weiter westlich am Ohio liegen die Reste alter ringförmiger Umwallungen der Indianerortschaften oft sehr dicht neben ein- ander. Etwas übereilt hat man daraus geschlossen, dass ehemals das Ohiothal sehr stark von Ackerbauern bevölkert gewesen sein müsste, die vor der Entdeckung durch wilde Jägerstämme vertilgt worden sein sollten. Doch haben andere Alterthumsforscher zu bedenken gegeben, wie oft kindliche Völkerschaften ihre Wohnsitze theils aus Gespensterfurcht, theils wegen des Ausbruchs einer Krankheit aufzugeben pflegten 1). Wurden also sicherlich alle bereits aufgefundenen alten Schanzdörfer auch nicht gleichzeitig bewohnt, so ergibt sich immerhin, dass die heutigen Südstaaten der nordamerikanischen Union ehemals viel dichter bevölkert waren, als zur Zeit, wo die europäischen Einwanderer von jenen Gebieten Besitz ergriffen, nämlich so dicht als die Spanier etwa um 1540 unter Hernando de Soto das Land bevölkert sahen. Es gab nämlich damals nicht blos Dörfer, sondern wirkliche Städte. Die grösste darunter scheint Mavila, das heutige Mobile, gewesen zu sein. Es war von einer hölzernen mit Lehm beworfenen Mauer umgürtet und von Thürmen, wahrscheinlich nur Ge- rüsten mit Brustwehren, geschützt. Innerhalb der Mauer standen 80 grosse Häuser oder vielmehr Casernenbauten, die je 1000 Köpfen Obdach gewährt haben sollen, und von deren flachen Dächern oder Söllern herab die Spanier mit Geschossen über- schüttet wurden. Hernando de Soto hatte dort mit seiner Vorhut ein neunstündiges Gefecht zu bestehen und die Schlacht wurde erst entschieden, nachdem das Hauptheer, damals noch 600 Streiter stark, eingetroffen war. Die Berichte der Spanier sprechen von 11,000 Feinden, die durch Schwert und Feuer umkamen, während die Eroberer 45 Rosse und 83 Soldaten theils sogleich, theils in Folge der Verwundungen verloren. Wo bereits solche volkreiche Ort- schaften wie Mavila erwachsen waren, kann von einem Jägerleben nicht mehr die Rede sein, denn Jägerstämme haben nie Städte gebaut.
1) P. Gumilla, El Orinoco ilustrado. tom. I. p. 14; p. 143.
Die amerikanische Urbevölkerung.
Es hat also nichts überraschendes für uns, wenn in Florida auch Reste alter Strassen entdeckt worden sind, denn wo Brücken an- getroffen werden, muss schon ein starker Verkehr das Land belebt haben.
Weiter westlich am Ohio liegen die Reste alter ringförmiger Umwallungen der Indianerortschaften oft sehr dicht neben ein- ander. Etwas übereilt hat man daraus geschlossen, dass ehemals das Ohiothal sehr stark von Ackerbauern bevölkert gewesen sein müsste, die vor der Entdeckung durch wilde Jägerstämme vertilgt worden sein sollten. Doch haben andere Alterthumsforscher zu bedenken gegeben, wie oft kindliche Völkerschaften ihre Wohnsitze theils aus Gespensterfurcht, theils wegen des Ausbruchs einer Krankheit aufzugeben pflegten 1). Wurden also sicherlich alle bereits aufgefundenen alten Schanzdörfer auch nicht gleichzeitig bewohnt, so ergibt sich immerhin, dass die heutigen Südstaaten der nordamerikanischen Union ehemals viel dichter bevölkert waren, als zur Zeit, wo die europäischen Einwanderer von jenen Gebieten Besitz ergriffen, nämlich so dicht als die Spanier etwa um 1540 unter Hernando de Soto das Land bevölkert sahen. Es gab nämlich damals nicht blos Dörfer, sondern wirkliche Städte. Die grösste darunter scheint Mavila, das heutige Mobile, gewesen zu sein. Es war von einer hölzernen mit Lehm beworfenen Mauer umgürtet und von Thürmen, wahrscheinlich nur Ge- rüsten mit Brustwehren, geschützt. Innerhalb der Mauer standen 80 grosse Häuser oder vielmehr Casernenbauten, die je 1000 Köpfen Obdach gewährt haben sollen, und von deren flachen Dächern oder Söllern herab die Spanier mit Geschossen über- schüttet wurden. Hernando de Soto hatte dort mit seiner Vorhut ein neunstündiges Gefecht zu bestehen und die Schlacht wurde erst entschieden, nachdem das Hauptheer, damals noch 600 Streiter stark, eingetroffen war. Die Berichte der Spanier sprechen von 11,000 Feinden, die durch Schwert und Feuer umkamen, während die Eroberer 45 Rosse und 83 Soldaten theils sogleich, theils in Folge der Verwundungen verloren. Wo bereits solche volkreiche Ort- schaften wie Mavila erwachsen waren, kann von einem Jägerleben nicht mehr die Rede sein, denn Jägerstämme haben nie Städte gebaut.
1) P. Gumilla, El Orinoco ilustrado. tom. I. p. 14; p. 143.
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Die amerikanische Urbevölkerung.
Es hat also nichts überraschendes für uns, wenn in Florida auch
Reste alter Strassen entdeckt worden sind, denn wo Brücken an-
getroffen werden, muss schon ein starker Verkehr das Land
belebt haben.
Weiter westlich am Ohio liegen die Reste alter ringförmiger
Umwallungen der Indianerortschaften oft sehr dicht neben ein-
ander. Etwas übereilt hat man daraus geschlossen, dass ehemals
das Ohiothal sehr stark von Ackerbauern bevölkert gewesen sein
müsste, die vor der Entdeckung durch wilde Jägerstämme vertilgt
worden sein sollten. Doch haben andere Alterthumsforscher zu
bedenken gegeben, wie oft kindliche Völkerschaften ihre Wohnsitze
theils aus Gespensterfurcht, theils wegen des Ausbruchs einer
Krankheit aufzugeben pflegten 1). Wurden also sicherlich alle
bereits aufgefundenen alten Schanzdörfer auch nicht gleichzeitig
bewohnt, so ergibt sich immerhin, dass die heutigen Südstaaten
der nordamerikanischen Union ehemals viel dichter bevölkert
waren, als zur Zeit, wo die europäischen Einwanderer von jenen
Gebieten Besitz ergriffen, nämlich so dicht als die Spanier etwa
um 1540 unter Hernando de Soto das Land bevölkert sahen. Es
gab nämlich damals nicht blos Dörfer, sondern wirkliche Städte.
Die grösste darunter scheint Mavila, das heutige Mobile, gewesen
zu sein. Es war von einer hölzernen mit Lehm beworfenen
Mauer umgürtet und von Thürmen, wahrscheinlich nur Ge-
rüsten mit Brustwehren, geschützt. Innerhalb der Mauer standen
80 grosse Häuser oder vielmehr Casernenbauten, die je 1000
Köpfen Obdach gewährt haben sollen, und von deren flachen
Dächern oder Söllern herab die Spanier mit Geschossen über-
schüttet wurden. Hernando de Soto hatte dort mit seiner Vorhut
ein neunstündiges Gefecht zu bestehen und die Schlacht wurde
erst entschieden, nachdem das Hauptheer, damals noch 600 Streiter
stark, eingetroffen war. Die Berichte der Spanier sprechen von 11,000
Feinden, die durch Schwert und Feuer umkamen, während die
Eroberer 45 Rosse und 83 Soldaten theils sogleich, theils in Folge
der Verwundungen verloren. Wo bereits solche volkreiche Ort-
schaften wie Mavila erwachsen waren, kann von einem Jägerleben
nicht mehr die Rede sein, denn Jägerstämme haben nie Städte
gebaut.
1) P. Gumilla, El Orinoco ilustrado. tom. I. p. 14; p. 143.
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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 464. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/482>, abgerufen am 22.12.2024.
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