der ostwestlichen Erstreckung der grossen Axe gewahrt man aus nachstehendem Vergleiche der Grössenverhältnisse unter gleichen Breiten. Es beträgt die Ausdehnung von West noch Ost: in Nordamerika
unter 50° n. Br. Parallel der Vancouverinsel und Neu- fundlands 725 d. g. Meilen.
" 40° " Parallel von Philadelphia 575 "
" 30° " Parallel von New-Orleans 450 "
in der alten Welt
" 50° " Parallel der Südwestsspitze Englands 1450 "
" 40° " Parallel von Neapel und Peking 1620 "
" 30° " Parallel von Kairo 1690 "
Wäre es aber begründet dass auf grösseren Räumen der Kampf um das Dasein mit grösserer Erbitterung geführt werde, so müssten auch die Sieger auf dem geräumigen Walplatz den Siegern auf dem engeren Raume überlegen sein. Sollten also beispielsweise Gewächse der alten Welt heimlich in der neuen landen, oder sollten sie dort aus der Aufsicht des Menschen, das heisst aus Gärten ins Freie entspringen, so müssten sie viel rüstiger die amerikanischen Arten verdrängen als umgekehrt amerikanische Arten auf der östlichen Erdveste unsere Gewächse; mit andern Worten: wilde oder verwilderte Gewächse Europa's sollten in Amerika viel rascher sich verbreiten als amerikanische in Europa oder überhaupt in der alten Welt. Und wirklich bestätigt auch die Erfahrung alle Forderungen des Lehrsatzes, haben doch selbst transatlantische Botaniker Amerika den Garten für europäisches Unkraut genannt. Von Buenos-Ayres, ihrem Landungsplatze, aus haben wilde Gewächse Europa's, wie der Schneckenklee, die Marien- distel, die Kardonen-Artischoke meilenweit die Steppen bekleidet, und die einheimischen Gräser mussten dort vor unsern Raigras- arten (Lolium perenne und L. multiflorum) sowie vor Hordeum maxi- mum und H. pratense zurückweichen. In Nordamerika aber hat einige Küstenstreifen das kleinblumige Wollkraut und die gemeine Brunelle siegreich besetzt. Ueberhaupt sind seit 1492 in Amerika 158 Arten aus Europa und 8 aus anderen Welttheilen eingedrungen, in Europa aus allen Welttheilen nur 38 Gewächse.
Im Stillen wird bereits jeder geneigte Leser auch in der un- widerstehlichen Ausbreitung der Racen unserer Erdveste über die neue Welt nur eine Wiederholung des siegreichen Auftretens unserer sogenannten Unkräuter gefunden haben. Recht lebhaft
Die amerikanische Urbevölkerung.
der ostwestlichen Erstreckung der grossen Axe gewahrt man aus nachstehendem Vergleiche der Grössenverhältnisse unter gleichen Breiten. Es beträgt die Ausdehnung von West noch Ost: in Nordamerika
unter 50° n. Br. Parallel der Vancouverinsel und Neu- fundlands 725 d. g. Meilen.
„ 40° „ Parallel von Philadelphia 575 „
„ 30° „ Parallel von New-Orleans 450 „
in der alten Welt
„ 50° „ Parallel der Südwestsspitze Englands 1450 „
„ 40° „ Parallel von Neapel und Peking 1620 „
„ 30° „ Parallel von Kairo 1690 „
Wäre es aber begründet dass auf grösseren Räumen der Kampf um das Dasein mit grösserer Erbitterung geführt werde, so müssten auch die Sieger auf dem geräumigen Walplatz den Siegern auf dem engeren Raume überlegen sein. Sollten also beispielsweise Gewächse der alten Welt heimlich in der neuen landen, oder sollten sie dort aus der Aufsicht des Menschen, das heisst aus Gärten ins Freie entspringen, so müssten sie viel rüstiger die amerikanischen Arten verdrängen als umgekehrt amerikanische Arten auf der östlichen Erdveste unsere Gewächse; mit andern Worten: wilde oder verwilderte Gewächse Europa’s sollten in Amerika viel rascher sich verbreiten als amerikanische in Europa oder überhaupt in der alten Welt. Und wirklich bestätigt auch die Erfahrung alle Forderungen des Lehrsatzes, haben doch selbst transatlantische Botaniker Amerika den Garten für europäisches Unkraut genannt. Von Buenos-Ayres, ihrem Landungsplatze, aus haben wilde Gewächse Europa’s, wie der Schneckenklee, die Marien- distel, die Kardonen-Artischoke meilenweit die Steppen bekleidet, und die einheimischen Gräser mussten dort vor unsern Raigras- arten (Lolium perenne und L. multiflorum) sowie vor Hordeum maxi- mum und H. pratense zurückweichen. In Nordamerika aber hat einige Küstenstreifen das kleinblumige Wollkraut und die gemeine Brunelle siegreich besetzt. Ueberhaupt sind seit 1492 in Amerika 158 Arten aus Europa und 8 aus anderen Welttheilen eingedrungen, in Europa aus allen Welttheilen nur 38 Gewächse.
Im Stillen wird bereits jeder geneigte Leser auch in der un- widerstehlichen Ausbreitung der Racen unserer Erdveste über die neue Welt nur eine Wiederholung des siegreichen Auftretens unserer sogenannten Unkräuter gefunden haben. Recht lebhaft
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Die amerikanische Urbevölkerung.
der ostwestlichen Erstreckung der grossen Axe gewahrt man
aus nachstehendem Vergleiche der Grössenverhältnisse unter gleichen
Breiten. Es beträgt die Ausdehnung von West noch Ost:
in Nordamerika
unter 50° n. Br. Parallel der Vancouverinsel und Neu-
fundlands 725 d. g. Meilen.
„ 40° „ Parallel von Philadelphia 575 „
„ 30° „ Parallel von New-Orleans 450 „
in der alten Welt
„ 50° „ Parallel der Südwestsspitze Englands 1450 „
„ 40° „ Parallel von Neapel und Peking 1620 „
„ 30° „ Parallel von Kairo 1690 „
Wäre es aber begründet dass auf grösseren Räumen der
Kampf um das Dasein mit grösserer Erbitterung geführt werde,
so müssten auch die Sieger auf dem geräumigen Walplatz den
Siegern auf dem engeren Raume überlegen sein. Sollten also
beispielsweise Gewächse der alten Welt heimlich in der neuen
landen, oder sollten sie dort aus der Aufsicht des Menschen, das
heisst aus Gärten ins Freie entspringen, so müssten sie viel rüstiger
die amerikanischen Arten verdrängen als umgekehrt amerikanische
Arten auf der östlichen Erdveste unsere Gewächse; mit andern
Worten: wilde oder verwilderte Gewächse Europa’s sollten in
Amerika viel rascher sich verbreiten als amerikanische in Europa
oder überhaupt in der alten Welt. Und wirklich bestätigt auch
die Erfahrung alle Forderungen des Lehrsatzes, haben doch selbst
transatlantische Botaniker Amerika den Garten für europäisches
Unkraut genannt. Von Buenos-Ayres, ihrem Landungsplatze, aus
haben wilde Gewächse Europa’s, wie der Schneckenklee, die Marien-
distel, die Kardonen-Artischoke meilenweit die Steppen bekleidet,
und die einheimischen Gräser mussten dort vor unsern Raigras-
arten (Lolium perenne und L. multiflorum) sowie vor Hordeum maxi-
mum und H. pratense zurückweichen. In Nordamerika aber hat
einige Küstenstreifen das kleinblumige Wollkraut und die gemeine
Brunelle siegreich besetzt. Ueberhaupt sind seit 1492 in Amerika
158 Arten aus Europa und 8 aus anderen Welttheilen eingedrungen,
in Europa aus allen Welttheilen nur 38 Gewächse.
Im Stillen wird bereits jeder geneigte Leser auch in der un-
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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 446. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/464>, abgerufen am 22.12.2024.
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