alle oben aufgezählten Thiere nicht den Wald, sondern Grasfluren bis an und in die Wüste bewohnen, und wir die neue Welt vor- zugsweise als ein Wald- und die alte vorzugsweise als ein Steppen- land kennen gelernt haben, so ist auch erklärlich, warum ein grösserer Artemeichthum an grasfressenden Säugethieren bei uns sich finden konnte, unter denen das scharfe, nach seinem Vortheil spähende Auge des Menschen bald diejenigen auswählte, die ihn nähren, kleiden, seine Lasten tragen oder seine Arbeiten verrich- ten konnten.
Allen denjenigen die sich seit Zimmermann mit der Ortskunde der Thiere beschäftigt haben, ist es aufgefallen, dass die alte Welt an grossen und an kräftigen Gestalten unter den Säugethieren viel reicher sei als Amerika. Das grösste Thier Südamerika's ist der Tapir, das gewaltigste des nördlichen Festlandes der graue Bär. Es fehlen daher der neuen Welt unsere grossen Thierge- stalten, der Elephant, das Nashorn, das Nilpferd, die Giraffe, das Kamel. Nicht minder bezeichnend ist es aber wie sich andere Thiere gegenüberstehen, nämlich in der
Alten Welt:
Neuen Welt:
Löwe
Puma
Tiger
Unze
Krokodil
Alligator
Katarrhine Affen, darunter menschen- ähnliche ungeschwänzte
platyrrhine Affen mit Roll- und Greifschwänzen.
Neben unserm Löwen würde der feige Puma wie eine Jam- mergestalt erscheinen. Wie hätten auch so kleine Festlande als Nord- oder Südamerika sind einen so fürstlichen Waidmann her- vorbringen können? Wenn unser Dichter den Löwen einen Wüsten- könig nennt, so hat er uns zu einem glücklichen Worte geholfen. Dem Monarchen gebührt aber auch ein königliches Revier, welches selbst jetzt noch, vielfach geschmälert, durch ganz Afrika und Vorderasien reicht, ehemals aber auch europäische Gebiete mit einschloss. Ebenso hat der Tiger, oder der Königstiger, wie man die schauerlich schöne Thiergestalt mit Recht nennt, einen halben Welttheil zum Revier, denn vom kaspischen Meer streift er bis an den Amur, wo die Russen bei ihrem Vordringen im vorletzten Jahrzehnt wahrnahmen, dass sein Gebiet bis an und theilweise über die Grenzen der Pelzthiere reiche, südwärts aber ist er bis zur äussersten Spitze Asiens in der Halbinsel Malaka vorgedrungen,
Die amerikanische Urbevölkerung.
alle oben aufgezählten Thiere nicht den Wald, sondern Grasfluren bis an und in die Wüste bewohnen, und wir die neue Welt vor- zugsweise als ein Wald- und die alte vorzugsweise als ein Steppen- land kennen gelernt haben, so ist auch erklärlich, warum ein grösserer Artemeichthum an grasfressenden Säugethieren bei uns sich finden konnte, unter denen das scharfe, nach seinem Vortheil spähende Auge des Menschen bald diejenigen auswählte, die ihn nähren, kleiden, seine Lasten tragen oder seine Arbeiten verrich- ten konnten.
Allen denjenigen die sich seit Zimmermann mit der Ortskunde der Thiere beschäftigt haben, ist es aufgefallen, dass die alte Welt an grossen und an kräftigen Gestalten unter den Säugethieren viel reicher sei als Amerika. Das grösste Thier Südamerika’s ist der Tapir, das gewaltigste des nördlichen Festlandes der graue Bär. Es fehlen daher der neuen Welt unsere grossen Thierge- stalten, der Elephant, das Nashorn, das Nilpferd, die Giraffe, das Kamel. Nicht minder bezeichnend ist es aber wie sich andere Thiere gegenüberstehen, nämlich in der
Alten Welt:
Neuen Welt:
Löwe
Puma
Tiger
Unze
Krokodil
Alligator
Katarrhine Affen, darunter menschen- ähnliche ungeschwänzte
platyrrhine Affen mit Roll- und Greifschwänzen.
Neben unserm Löwen würde der feige Puma wie eine Jam- mergestalt erscheinen. Wie hätten auch so kleine Festlande als Nord- oder Südamerika sind einen so fürstlichen Waidmann her- vorbringen können? Wenn unser Dichter den Löwen einen Wüsten- könig nennt, so hat er uns zu einem glücklichen Worte geholfen. Dem Monarchen gebührt aber auch ein königliches Revier, welches selbst jetzt noch, vielfach geschmälert, durch ganz Afrika und Vorderasien reicht, ehemals aber auch europäische Gebiete mit einschloss. Ebenso hat der Tiger, oder der Königstiger, wie man die schauerlich schöne Thiergestalt mit Recht nennt, einen halben Welttheil zum Revier, denn vom kaspischen Meer streift er bis an den Amur, wo die Russen bei ihrem Vordringen im vorletzten Jahrzehnt wahrnahmen, dass sein Gebiet bis an und theilweise über die Grenzen der Pelzthiere reiche, südwärts aber ist er bis zur äussersten Spitze Asiens in der Halbinsel Malaka vorgedrungen,
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[443/0461]
Die amerikanische Urbevölkerung.
alle oben aufgezählten Thiere nicht den Wald, sondern Grasfluren
bis an und in die Wüste bewohnen, und wir die neue Welt vor-
zugsweise als ein Wald- und die alte vorzugsweise als ein Steppen-
land kennen gelernt haben, so ist auch erklärlich, warum ein
grösserer Artemeichthum an grasfressenden Säugethieren bei uns
sich finden konnte, unter denen das scharfe, nach seinem Vortheil
spähende Auge des Menschen bald diejenigen auswählte, die ihn
nähren, kleiden, seine Lasten tragen oder seine Arbeiten verrich-
ten konnten.
Allen denjenigen die sich seit Zimmermann mit der Ortskunde
der Thiere beschäftigt haben, ist es aufgefallen, dass die alte Welt
an grossen und an kräftigen Gestalten unter den Säugethieren
viel reicher sei als Amerika. Das grösste Thier Südamerika’s ist
der Tapir, das gewaltigste des nördlichen Festlandes der graue
Bär. Es fehlen daher der neuen Welt unsere grossen Thierge-
stalten, der Elephant, das Nashorn, das Nilpferd, die Giraffe, das
Kamel. Nicht minder bezeichnend ist es aber wie sich andere
Thiere gegenüberstehen, nämlich in der
Alten Welt: Neuen Welt:
Löwe Puma
Tiger Unze
Krokodil Alligator
Katarrhine Affen, darunter menschen-
ähnliche ungeschwänzte platyrrhine Affen mit Roll- und
Greifschwänzen.
Neben unserm Löwen würde der feige Puma wie eine Jam-
mergestalt erscheinen. Wie hätten auch so kleine Festlande als
Nord- oder Südamerika sind einen so fürstlichen Waidmann her-
vorbringen können? Wenn unser Dichter den Löwen einen Wüsten-
könig nennt, so hat er uns zu einem glücklichen Worte geholfen.
Dem Monarchen gebührt aber auch ein königliches Revier, welches
selbst jetzt noch, vielfach geschmälert, durch ganz Afrika und
Vorderasien reicht, ehemals aber auch europäische Gebiete mit
einschloss. Ebenso hat der Tiger, oder der Königstiger, wie man
die schauerlich schöne Thiergestalt mit Recht nennt, einen halben
Welttheil zum Revier, denn vom kaspischen Meer streift er bis
an den Amur, wo die Russen bei ihrem Vordringen im vorletzten
Jahrzehnt wahrnahmen, dass sein Gebiet bis an und theilweise
über die Grenzen der Pelzthiere reiche, südwärts aber ist er bis
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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 443. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/461>, abgerufen am 23.12.2024.
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