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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Die amerikanische Urbevölkerung.
halb man sie auch polysynthetische genannt hat. Ist das richtig,
so beging man bisher einen grossen Fehler der Sprache der
Innuit eine ganz vereinsamte Stellung anzuweisen. Wie die
uralaltaischen Sprachen bedient sie sich zur Sinnbegrenzung nur
der Suffixe, zugleich aber ist sie befähigt einen vielgliedrigen Satz
in ein einziges Wort zusammenzufassen, also polysynthetisch zu ver-
fahren. Der Grönländer bildet ein einziges Wort, wenn er den Ge-
danken ausdrücken will: Er sagt dass auch Du eilig hingehen
wollest, um Dir ein schönes Messer zu kaufen 1). Nicht rasch genug
können wir jedoch hinzusetzen, dass die lockere Zusammenfügung
von Wurzeln noch nicht der echten Einverleibung gleiche, da in
den amerikanischen Sprachen die zusammengefügten Sylben stets
um etliche Laute verkürzt werden. Die höchste Ausbildung der
Einverleibung schreibt Steinthal wie wir sahen2) dem Nahuatl in
Mexico zu, welches das Object zwischen Subject und Thatwort
einschiebt und alle drei zu einem Ganzen zusammenschmilzt.
Dieses Verfahren ist aber nicht den amerikanischen Sprachen aus-
schliesslich eigen, sondern kommt auch in der uralaltaischen Familie
und zwar bei den ugrischen und bulgarischen Gruppen im Magyari-
schen, Ostjakischen, Wogulischen und im Mordwinischen vor.
In der letztgenannten Sprache und zumal in der Mokscha Mund-
art sind die Verbalflexionen und objectiven Personalpronomina
völlig nach mexicanischem Muster auf das dichteste verwebt3).
Diese Thatsache belehrt uns, dass im Schoosse von streng suffi-
girenden Sprachen etliche zur Einverleibung fortschritten und diess
zeigt uns eine innere Verwandtschaft der amerikanischen mit den
uralaltaischen Sprachen.

Ausserdem fehlt es nicht an einer Fülle von Erfindungen, Ge-
bräuchen und Mythen welche die Nordasiaten mit den Eingebor-
nen Amerikas theilen. Wir wollen jedoch keinen Werth darauf

1) Nämlich:
Messer schön kaufen hingehen eilen wollen ebenfalls Du auch er sagt:
sauig- ik- sini- ariartok- asuar- omar- y- otit- tog- og.
David Cranz, Historie von Grönland. Buch III, cap. 6. § 44. Bd. 1. S. 286.
2) S. oben S. 128.
3) Im Mokscha heisst palasamak du küssest mich, und palaftärämak,
wenn du mich nicht geküsst haben würdest. Ahlquist, Mokscha- mord-
winische Grammatik. Petersburg 1861. S. 60.

Die amerikanische Urbevölkerung.
halb man sie auch polysynthetische genannt hat. Ist das richtig,
so beging man bisher einen grossen Fehler der Sprache der
Innuit eine ganz vereinsamte Stellung anzuweisen. Wie die
uralaltaischen Sprachen bedient sie sich zur Sinnbegrenzung nur
der Suffixe, zugleich aber ist sie befähigt einen vielgliedrigen Satz
in ein einziges Wort zusammenzufassen, also polysynthetisch zu ver-
fahren. Der Grönländer bildet ein einziges Wort, wenn er den Ge-
danken ausdrücken will: Er sagt dass auch Du eilig hingehen
wollest, um Dir ein schönes Messer zu kaufen 1). Nicht rasch genug
können wir jedoch hinzusetzen, dass die lockere Zusammenfügung
von Wurzeln noch nicht der echten Einverleibung gleiche, da in
den amerikanischen Sprachen die zusammengefügten Sylben stets
um etliche Laute verkürzt werden. Die höchste Ausbildung der
Einverleibung schreibt Steinthal wie wir sahen2) dem Nahuatl in
Mexico zu, welches das Object zwischen Subject und Thatwort
einschiebt und alle drei zu einem Ganzen zusammenschmilzt.
Dieses Verfahren ist aber nicht den amerikanischen Sprachen aus-
schliesslich eigen, sondern kommt auch in der uralaltaischen Familie
und zwar bei den ugrischen und bulgarischen Gruppen im Magyari-
schen, Ostjakischen, Wogulischen und im Mordwinischen vor.
In der letztgenannten Sprache und zumal in der Mokscha Mund-
art sind die Verbalflexionen und objectiven Personalpronomina
völlig nach mexicanischem Muster auf das dichteste verwebt3).
Diese Thatsache belehrt uns, dass im Schoosse von streng suffi-
girenden Sprachen etliche zur Einverleibung fortschritten und diess
zeigt uns eine innere Verwandtschaft der amerikanischen mit den
uralaltaischen Sprachen.

Ausserdem fehlt es nicht an einer Fülle von Erfindungen, Ge-
bräuchen und Mythen welche die Nordasiaten mit den Eingebor-
nen Amerikas theilen. Wir wollen jedoch keinen Werth darauf

1) Nämlich:
Messer schön kaufen hingehen eilen wollen ebenfalls Du auch er sagt:
sauig- ik- sini- ariartok- asuar- omar- y- otit- tog- og.
David Cranz, Historie von Grönland. Buch III, cap. 6. § 44. Bd. 1. S. 286.
2) S. oben S. 128.
3) Im Mokscha heisst palasamak du küssest mich, und palaftärämak,
wenn du mich nicht geküsst haben würdest. Ahlquist, Mokscha- mord-
winische Grammatik. Petersburg 1861. S. 60.
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[434/0452] Die amerikanische Urbevölkerung. halb man sie auch polysynthetische genannt hat. Ist das richtig, so beging man bisher einen grossen Fehler der Sprache der Innuit eine ganz vereinsamte Stellung anzuweisen. Wie die uralaltaischen Sprachen bedient sie sich zur Sinnbegrenzung nur der Suffixe, zugleich aber ist sie befähigt einen vielgliedrigen Satz in ein einziges Wort zusammenzufassen, also polysynthetisch zu ver- fahren. Der Grönländer bildet ein einziges Wort, wenn er den Ge- danken ausdrücken will: Er sagt dass auch Du eilig hingehen wollest, um Dir ein schönes Messer zu kaufen 1). Nicht rasch genug können wir jedoch hinzusetzen, dass die lockere Zusammenfügung von Wurzeln noch nicht der echten Einverleibung gleiche, da in den amerikanischen Sprachen die zusammengefügten Sylben stets um etliche Laute verkürzt werden. Die höchste Ausbildung der Einverleibung schreibt Steinthal wie wir sahen 2) dem Nahuatl in Mexico zu, welches das Object zwischen Subject und Thatwort einschiebt und alle drei zu einem Ganzen zusammenschmilzt. Dieses Verfahren ist aber nicht den amerikanischen Sprachen aus- schliesslich eigen, sondern kommt auch in der uralaltaischen Familie und zwar bei den ugrischen und bulgarischen Gruppen im Magyari- schen, Ostjakischen, Wogulischen und im Mordwinischen vor. In der letztgenannten Sprache und zumal in der Mokscha Mund- art sind die Verbalflexionen und objectiven Personalpronomina völlig nach mexicanischem Muster auf das dichteste verwebt 3). Diese Thatsache belehrt uns, dass im Schoosse von streng suffi- girenden Sprachen etliche zur Einverleibung fortschritten und diess zeigt uns eine innere Verwandtschaft der amerikanischen mit den uralaltaischen Sprachen. Ausserdem fehlt es nicht an einer Fülle von Erfindungen, Ge- bräuchen und Mythen welche die Nordasiaten mit den Eingebor- nen Amerikas theilen. Wir wollen jedoch keinen Werth darauf 1) Nämlich: Messer schön kaufen hingehen eilen wollen ebenfalls Du auch er sagt: sauig- ik- sini- ariartok- asuar- omar- y- otit- tog- og. David Cranz, Historie von Grönland. Buch III, cap. 6. § 44. Bd. 1. S. 286. 2) S. oben S. 128. 3) Im Mokscha heisst palasamak du küssest mich, und palaftärämak, wenn du mich nicht geküsst haben würdest. Ahlquist, Mokscha- mord- winische Grammatik. Petersburg 1861. S. 60.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 434. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/452>, abgerufen am 23.12.2024.