Wir treffen bei ihnen unter den Namen Angekok echte nord- asiatische Schamanen, die sich zu den herkömmlichen Zaubercuren und Geisterbeschwörungen in Einsamkeit und unter Fasten so lange vorbereiten "bis ihre Einbildungskraft, wie Cranz treuherzig bemerkt, in Unordnung geräth 1)." Sie verehren einen gütigen Schöpfer Torngarsuk oder Anguta 2) geheissen. Wenn sie aus dem Munde der Heidenbekehrer einen allmächtigen Gott preisen hören, so denken manche, dass ihr Torngarsuk gemeint sei 3). Ihm gegenüber steht eine schadenstiftende weibliche angeblich namenlose Gottheit. Nicht nur an eine Fortdauer nach dem Tode, sondern auch an eine jenseitige Bestrafung der Verbrecher und der Lieblosen wird geglaubt 4). Die Innuit haben sich in ihren Sagen ein arctisches Paradies Namens Akillnek geschaffen und besitzen Erzählungen von Reiseabenteuern, bei denen der orientalische Vogel Roch durch Riesenmöven ersetzt wird. Auch hat man unter ihnen das Märchen von den badenden Jungfrauen angetroffen, die sich bei ihnen -- da der Schwan fehlt -- in Enten verwandeln 5). Hall der so lange unter ihnen weilte, nennt sie das gutherzigste Volk auf dem Erdboden. Für ihren scharfen Verstand spricht die Thatsache, dass sie sehr rasch Domino- und Bretspiele, unter letzteren auch das Schach erlernten 6). Als Leo- pold v. Buch im arktischen Norwegen reiste, überzeugte er sich dass die menschliche Gesellschaft von den dortigen Bewohnern keine geistige Bereicherung beanspruchen dürfe, denn die volle Kraft des Menschen werde gänzlich aufgezehrt durch den Kampf mit einer strengen Natur um die kümmerliche Nothdurft des Lebens. Noch viel mehr aber wie von Norwegen, muss dasselbe im polaren Amerika gelten. Die Eskimo haben freilich aus gewissen Störungen des Mondlaufes nicht die Abplattung der Erde berechnet, sie haben auch nicht das Wasser in seine beiden Luftarten zerlegt, ebensowenig
1) l. c. Buch III, cap. 5. §. 41. Bd. 1. S. 268.
2) So nennt ihn Hall, Life with the Esquimaux. p. 524.
3)David Cranz, Historie von Grönland. Buch 3, cap. 5. §. 39. Bd. 1. S. 264--265.
4)Hall, l. c.
5) H. Rink. Eskimoisk Digtekonst, in For Ide og Virkelighed. Kjoben- havn. Marts. 1870. p. 222. flg.
6)Hall, p. 523.
Die Beringsvölker.
Wir treffen bei ihnen unter den Namen Angekok echte nord- asiatische Schamanen, die sich zu den herkömmlichen Zaubercuren und Geisterbeschwörungen in Einsamkeit und unter Fasten so lange vorbereiten „bis ihre Einbildungskraft, wie Cranz treuherzig bemerkt, in Unordnung geräth 1).“ Sie verehren einen gütigen Schöpfer Torngarsuk oder Anguta 2) geheissen. Wenn sie aus dem Munde der Heidenbekehrer einen allmächtigen Gott preisen hören, so denken manche, dass ihr Torngarsuk gemeint sei 3). Ihm gegenüber steht eine schadenstiftende weibliche angeblich namenlose Gottheit. Nicht nur an eine Fortdauer nach dem Tode, sondern auch an eine jenseitige Bestrafung der Verbrecher und der Lieblosen wird geglaubt 4). Die Innuit haben sich in ihren Sagen ein arctisches Paradies Namens Akillnek geschaffen und besitzen Erzählungen von Reiseabenteuern, bei denen der orientalische Vogel Roch durch Riesenmöven ersetzt wird. Auch hat man unter ihnen das Märchen von den badenden Jungfrauen angetroffen, die sich bei ihnen — da der Schwan fehlt — in Enten verwandeln 5). Hall der so lange unter ihnen weilte, nennt sie das gutherzigste Volk auf dem Erdboden. Für ihren scharfen Verstand spricht die Thatsache, dass sie sehr rasch Domino- und Bretspiele, unter letzteren auch das Schach erlernten 6). Als Leo- pold v. Buch im arktischen Norwegen reiste, überzeugte er sich dass die menschliche Gesellschaft von den dortigen Bewohnern keine geistige Bereicherung beanspruchen dürfe, denn die volle Kraft des Menschen werde gänzlich aufgezehrt durch den Kampf mit einer strengen Natur um die kümmerliche Nothdurft des Lebens. Noch viel mehr aber wie von Norwegen, muss dasselbe im polaren Amerika gelten. Die Eskimo haben freilich aus gewissen Störungen des Mondlaufes nicht die Abplattung der Erde berechnet, sie haben auch nicht das Wasser in seine beiden Luftarten zerlegt, ebensowenig
1) l. c. Buch III, cap. 5. §. 41. Bd. 1. S. 268.
2) So nennt ihn Hall, Life with the Esquimaux. p. 524.
3)David Cranz, Historie von Grönland. Buch 3, cap. 5. §. 39. Bd. 1. S. 264—265.
4)Hall, l. c.
5) H. Rink. Eskimoisk Digtekonst, in For Ide og Virkelighed. Kjoben- havn. Marts. 1870. p. 222. flg.
6)Hall, p. 523.
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Die Beringsvölker.
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asiatische Schamanen, die sich zu den herkömmlichen Zaubercuren
und Geisterbeschwörungen in Einsamkeit und unter Fasten so
lange vorbereiten „bis ihre Einbildungskraft, wie Cranz treuherzig
bemerkt, in Unordnung geräth 1).“ Sie verehren einen gütigen
Schöpfer Torngarsuk oder Anguta 2) geheissen. Wenn sie aus
dem Munde der Heidenbekehrer einen allmächtigen Gott preisen
hören, so denken manche, dass ihr Torngarsuk gemeint sei 3).
Ihm gegenüber steht eine schadenstiftende weibliche angeblich
namenlose Gottheit. Nicht nur an eine Fortdauer nach dem
Tode, sondern auch an eine jenseitige Bestrafung der Verbrecher
und der Lieblosen wird geglaubt 4). Die Innuit haben sich in
ihren Sagen ein arctisches Paradies Namens Akillnek geschaffen
und besitzen Erzählungen von Reiseabenteuern, bei denen der
orientalische Vogel Roch durch Riesenmöven ersetzt wird. Auch
hat man unter ihnen das Märchen von den badenden Jungfrauen
angetroffen, die sich bei ihnen — da der Schwan fehlt — in
Enten verwandeln 5). Hall der so lange unter ihnen weilte, nennt
sie das gutherzigste Volk auf dem Erdboden. Für ihren scharfen
Verstand spricht die Thatsache, dass sie sehr rasch Domino- und
Bretspiele, unter letzteren auch das Schach erlernten 6). Als Leo-
pold v. Buch im arktischen Norwegen reiste, überzeugte er sich
dass die menschliche Gesellschaft von den dortigen Bewohnern
keine geistige Bereicherung beanspruchen dürfe, denn die volle
Kraft des Menschen werde gänzlich aufgezehrt durch den Kampf
mit einer strengen Natur um die kümmerliche Nothdurft des Lebens.
Noch viel mehr aber wie von Norwegen, muss dasselbe im polaren
Amerika gelten. Die Eskimo haben freilich aus gewissen Störungen
des Mondlaufes nicht die Abplattung der Erde berechnet, sie haben
auch nicht das Wasser in seine beiden Luftarten zerlegt, ebensowenig
1) l. c. Buch III, cap. 5. §. 41. Bd. 1. S. 268.
2) So nennt ihn Hall, Life with the Esquimaux. p. 524.
3) David Cranz, Historie von Grönland. Buch 3, cap. 5. §. 39. Bd. 1.
S. 264—265.
4) Hall, l. c.
5) H. Rink. Eskimoisk Digtekonst, in For Ide og Virkelighed. Kjoben-
havn. Marts. 1870. p. 222. flg.
6) Hall, p. 523.
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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/438>, abgerufen am 23.12.2024.
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