der Beherrschten. Mongolen und Mandschu mochten Dynastien stiften, geändert wurde aber in China damit nichts als der Name des Herrscherhauses.
Arbeitsamkeit und Freude am Kindersegen haben die Chine- sen zu einem Volke von mehr als 350 Millionen Köpfen anschwellen lassen. Mit dieser Verdichtung war zugleich die sociale Zucht geboten. Jede Vermehrung der Bevölkerung auf einer gegebenen Fläche legt dem Menschen den Zwang auf seine gesellschaftlichen Instincte weiter auszubilden. Ohne Schutz des Lebens und Eigen- thums, ohne Beobachtung ehelicher Treue, ohne strenge Wahr- haftigkeit vor Gericht könnte eine zahlreiche Gesellschaft gar nicht gedeihen, sondern müsste an innerer Zerrüttung zu Grunde gehen. In den Bevölkerungsziffern liegt an sich schon die Gewähr gesellschaftlicher Verfeinerungen. Gleichzeitig sind mit ihnen auch die technischen Fortschritte ganz unausbleiblich. Wo wir es mit Jahrtausenden und Millionen Menschen zu thun haben, spielt der Zufall als Vater der Erfindungen gewiss eine grosse Rolle. Er wird zum Lehrmeister der Kunstgriffe, und er vermehrt beständig den Schatz der Erfahrungen. So war es unvermeidlich dass die Chinesen, die schon zwei Jahrtausende vor Christus nach Millionen zählten, ihre Gewerbe auf eine noch jetzt theilweise staunenswerthe Höhe empor heben konnten.
Dabei blieb es aber. Ueberall bemerken wir dass die Chinesen nicht über eine gewisse Höhe geistiger Entwicklung hinaus ge- langen. Sie haben selbständig eine eigne Schrift, aber nur Sylben- zeichen, nicht Lautzeichen erfunden; sie hatten den Plattendruck längst gekannt, aber die früh benutzten beweglichen Typen wieder aufgegeben. Sie hatten die Nordweisung der Magnetnadel ent- deckt, aber benutzten sie nie als Compass, sie kannten das Pulver, aber nie die Feuerrohre 1), sie haben das Rechnenbrett, aber nicht den Stellenwerth der Zahlen erfunden, astronomische Vorgänge seit Jahrtausenden beobachtet, aber die Thierkreistheilung von auswärts sich zuführen lassen.
Carl Ritter hat sich vielfach mit dem Gedanken beschäftigt, dass der Gang der Culturgeschichte ein anderer geworden wäre wenn das chinesische und das römische Kaiserreich sich inniger
1) Der chinesische Ausdruck für Kanone ist ein Fremdwort aus dem Abendlande. Huc, das chinesische Reich. Bd. 2. S. 78.
Südostasiaten mit einsylbigen Sprachen.
der Beherrschten. Mongolen und Mandschu mochten Dynastien stiften, geändert wurde aber in China damit nichts als der Name des Herrscherhauses.
Arbeitsamkeit und Freude am Kindersegen haben die Chine- sen zu einem Volke von mehr als 350 Millionen Köpfen anschwellen lassen. Mit dieser Verdichtung war zugleich die sociale Zucht geboten. Jede Vermehrung der Bevölkerung auf einer gegebenen Fläche legt dem Menschen den Zwang auf seine gesellschaftlichen Instincte weiter auszubilden. Ohne Schutz des Lebens und Eigen- thums, ohne Beobachtung ehelicher Treue, ohne strenge Wahr- haftigkeit vor Gericht könnte eine zahlreiche Gesellschaft gar nicht gedeihen, sondern müsste an innerer Zerrüttung zu Grunde gehen. In den Bevölkerungsziffern liegt an sich schon die Gewähr gesellschaftlicher Verfeinerungen. Gleichzeitig sind mit ihnen auch die technischen Fortschritte ganz unausbleiblich. Wo wir es mit Jahrtausenden und Millionen Menschen zu thun haben, spielt der Zufall als Vater der Erfindungen gewiss eine grosse Rolle. Er wird zum Lehrmeister der Kunstgriffe, und er vermehrt beständig den Schatz der Erfahrungen. So war es unvermeidlich dass die Chinesen, die schon zwei Jahrtausende vor Christus nach Millionen zählten, ihre Gewerbe auf eine noch jetzt theilweise staunenswerthe Höhe empor heben konnten.
Dabei blieb es aber. Ueberall bemerken wir dass die Chinesen nicht über eine gewisse Höhe geistiger Entwicklung hinaus ge- langen. Sie haben selbständig eine eigne Schrift, aber nur Sylben- zeichen, nicht Lautzeichen erfunden; sie hatten den Plattendruck längst gekannt, aber die früh benutzten beweglichen Typen wieder aufgegeben. Sie hatten die Nordweisung der Magnetnadel ent- deckt, aber benutzten sie nie als Compass, sie kannten das Pulver, aber nie die Feuerrohre 1), sie haben das Rechnenbrett, aber nicht den Stellenwerth der Zahlen erfunden, astronomische Vorgänge seit Jahrtausenden beobachtet, aber die Thierkreistheilung von auswärts sich zuführen lassen.
Carl Ritter hat sich vielfach mit dem Gedanken beschäftigt, dass der Gang der Culturgeschichte ein anderer geworden wäre wenn das chinesische und das römische Kaiserreich sich inniger
1) Der chinesische Ausdruck für Kanone ist ein Fremdwort aus dem Abendlande. Huc, das chinesische Reich. Bd. 2. S. 78.
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Südostasiaten mit einsylbigen Sprachen.
der Beherrschten. Mongolen und Mandschu mochten Dynastien
stiften, geändert wurde aber in China damit nichts als der Name
des Herrscherhauses.
Arbeitsamkeit und Freude am Kindersegen haben die Chine-
sen zu einem Volke von mehr als 350 Millionen Köpfen anschwellen
lassen. Mit dieser Verdichtung war zugleich die sociale Zucht
geboten. Jede Vermehrung der Bevölkerung auf einer gegebenen
Fläche legt dem Menschen den Zwang auf seine gesellschaftlichen
Instincte weiter auszubilden. Ohne Schutz des Lebens und Eigen-
thums, ohne Beobachtung ehelicher Treue, ohne strenge Wahr-
haftigkeit vor Gericht könnte eine zahlreiche Gesellschaft gar
nicht gedeihen, sondern müsste an innerer Zerrüttung zu Grunde
gehen. In den Bevölkerungsziffern liegt an sich schon die Gewähr
gesellschaftlicher Verfeinerungen. Gleichzeitig sind mit ihnen auch
die technischen Fortschritte ganz unausbleiblich. Wo wir es mit
Jahrtausenden und Millionen Menschen zu thun haben, spielt der
Zufall als Vater der Erfindungen gewiss eine grosse Rolle. Er
wird zum Lehrmeister der Kunstgriffe, und er vermehrt beständig
den Schatz der Erfahrungen. So war es unvermeidlich dass die
Chinesen, die schon zwei Jahrtausende vor Christus nach Millionen
zählten, ihre Gewerbe auf eine noch jetzt theilweise staunenswerthe
Höhe empor heben konnten.
Dabei blieb es aber. Ueberall bemerken wir dass die Chinesen
nicht über eine gewisse Höhe geistiger Entwicklung hinaus ge-
langen. Sie haben selbständig eine eigne Schrift, aber nur Sylben-
zeichen, nicht Lautzeichen erfunden; sie hatten den Plattendruck
längst gekannt, aber die früh benutzten beweglichen Typen wieder
aufgegeben. Sie hatten die Nordweisung der Magnetnadel ent-
deckt, aber benutzten sie nie als Compass, sie kannten das Pulver,
aber nie die Feuerrohre 1), sie haben das Rechnenbrett, aber nicht
den Stellenwerth der Zahlen erfunden, astronomische Vorgänge
seit Jahrtausenden beobachtet, aber die Thierkreistheilung von
auswärts sich zuführen lassen.
Carl Ritter hat sich vielfach mit dem Gedanken beschäftigt,
dass der Gang der Culturgeschichte ein anderer geworden wäre
wenn das chinesische und das römische Kaiserreich sich inniger
1) Der chinesische Ausdruck für Kanone ist ein Fremdwort aus dem
Abendlande. Huc, das chinesische Reich. Bd. 2. S. 78.
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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/416>, abgerufen am 23.12.2024.
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