Camp Cove, unweit Sydney, welche in rohen Umrissen Menschen- und Thiergestalten erkennen lassen1). Endlich zeigten auch die Frauen der Stämme am Murray so wie in Neu-Süd-Wales grosse Fingerfertigkeit im Flechten von Binsenkörben.
Bei der früheren Aufzählung der Waffen wurde absichtlich noch nicht des Wurfbrettes gedacht, einer Erfindung, die allen Stämmen ohne Ausnahme gemeinsam ist und die viel grösseren Scharfsinn verräth als der Bumerang, der mehr durch die Seltsam- keit seiner Flugbahnen überrascht, stets aber ein unsicheres Ge- schoss bleibt und dessen Bekanntschaft wahrscheinlich nur einem Zufall verdankt wird. Das Wurfbrett, auf der Innenfläche der Hand befestigt oder mit den drei letzten Fingern festgehalten, am freien Ende aber mit einem Querfalz zum Einlegen des Speeres versehen, vermehrt die Schleuderkraft des menschlichen Armes um das Doppelte. Man denke sich, sagt Jukes2), dass einer unserer Finger an Länge dem Wurfbrett gleich käme, und dass, während wir mit dem Daumen und dem Mittelfinger den Speer hielten, er sich mit dem äussersten Gliede um das Ende des Speeres krümmen könnte, so ist das Geheimniss erklärt, um wie viel durch das Wurfbrett die Anfangsgeschwindigkeit des Speeres beschleunigt werden kann. Leider lässt sich nicht mit Sicherheit entscheiden, ob die Australier nicht vielleicht diese Erfindung entlehnt haben, denn auch die Neu-Caledonier gebrauchen wenn auch nicht das Wurfbrett, doch eine Wurfschlinge. Wir finden übrigens dieses Hilfsmittel noch anderwärts, nämlich bei den Aleuten und den ihnen benachbarten Eskimo, sowie bei den Altmexicanern3).
Die nicht geringe geistige Begabung der Australier ist erst zur Anerkennung gelangt, seitdem wir einen Einblick in ihre Sprachen gewonnen haben. Wenn der Reichthum von Formen zum kurzen Ausdruck feiner Beziehungen über den Rang einer Sprache entscheiden sollte, so müssten uns und allen Völkern Westeuropa's die beinernen Menschenschatten am King George- Sund Neid einflössen, denn ihre Sprache besitzt nicht blos soviel,
1) G. F. Angas, Australia and New Zealand. tom. II. p. 203. p. 275.
2) Voyage of H. M. S. Fly. vol. I. p. 112.
3) v. Langsdorff, Reise um die Welt, Bd. 2. S. 40. David Cranz, Historie von Grönland. Bd. 1. S. 194. Tylor, Anfänge der Cultur. Bd. 1. S. 67.
Die Australier.
Camp Cove, unweit Sydney, welche in rohen Umrissen Menschen- und Thiergestalten erkennen lassen1). Endlich zeigten auch die Frauen der Stämme am Murray so wie in Neu-Süd-Wales grosse Fingerfertigkeit im Flechten von Binsenkörben.
Bei der früheren Aufzählung der Waffen wurde absichtlich noch nicht des Wurfbrettes gedacht, einer Erfindung, die allen Stämmen ohne Ausnahme gemeinsam ist und die viel grösseren Scharfsinn verräth als der Bumerang, der mehr durch die Seltsam- keit seiner Flugbahnen überrascht, stets aber ein unsicheres Ge- schoss bleibt und dessen Bekanntschaft wahrscheinlich nur einem Zufall verdankt wird. Das Wurfbrett, auf der Innenfläche der Hand befestigt oder mit den drei letzten Fingern festgehalten, am freien Ende aber mit einem Querfalz zum Einlegen des Speeres versehen, vermehrt die Schleuderkraft des menschlichen Armes um das Doppelte. Man denke sich, sagt Jukes2), dass einer unserer Finger an Länge dem Wurfbrett gleich käme, und dass, während wir mit dem Daumen und dem Mittelfinger den Speer hielten, er sich mit dem äussersten Gliede um das Ende des Speeres krümmen könnte, so ist das Geheimniss erklärt, um wie viel durch das Wurfbrett die Anfangsgeschwindigkeit des Speeres beschleunigt werden kann. Leider lässt sich nicht mit Sicherheit entscheiden, ob die Australier nicht vielleicht diese Erfindung entlehnt haben, denn auch die Neu-Caledonier gebrauchen wenn auch nicht das Wurfbrett, doch eine Wurfschlinge. Wir finden übrigens dieses Hilfsmittel noch anderwärts, nämlich bei den Alëuten und den ihnen benachbarten Eskimo, sowie bei den Altmexicanern3).
Die nicht geringe geistige Begabung der Australier ist erst zur Anerkennung gelangt, seitdem wir einen Einblick in ihre Sprachen gewonnen haben. Wenn der Reichthum von Formen zum kurzen Ausdruck feiner Beziehungen über den Rang einer Sprache entscheiden sollte, so müssten uns und allen Völkern Westeuropa’s die beinernen Menschenschatten am King George- Sund Neid einflössen, denn ihre Sprache besitzt nicht blos soviel,
1) G. F. Angas, Australia and New Zealand. tom. II. p. 203. p. 275.
2) Voyage of H. M. S. Fly. vol. I. p. 112.
3) v. Langsdorff, Reise um die Welt, Bd. 2. S. 40. David Cranz, Historie von Grönland. Bd. 1. S. 194. Tylor, Anfänge der Cultur. Bd. 1. S. 67.
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Die Australier.
Camp Cove, unweit Sydney, welche in rohen Umrissen Menschen-
und Thiergestalten erkennen lassen 1). Endlich zeigten auch die
Frauen der Stämme am Murray so wie in Neu-Süd-Wales grosse
Fingerfertigkeit im Flechten von Binsenkörben.
Bei der früheren Aufzählung der Waffen wurde absichtlich
noch nicht des Wurfbrettes gedacht, einer Erfindung, die allen
Stämmen ohne Ausnahme gemeinsam ist und die viel grösseren
Scharfsinn verräth als der Bumerang, der mehr durch die Seltsam-
keit seiner Flugbahnen überrascht, stets aber ein unsicheres Ge-
schoss bleibt und dessen Bekanntschaft wahrscheinlich nur einem
Zufall verdankt wird. Das Wurfbrett, auf der Innenfläche der
Hand befestigt oder mit den drei letzten Fingern festgehalten,
am freien Ende aber mit einem Querfalz zum Einlegen des Speeres
versehen, vermehrt die Schleuderkraft des menschlichen Armes um
das Doppelte. Man denke sich, sagt Jukes 2), dass einer unserer
Finger an Länge dem Wurfbrett gleich käme, und dass, während
wir mit dem Daumen und dem Mittelfinger den Speer hielten,
er sich mit dem äussersten Gliede um das Ende des Speeres
krümmen könnte, so ist das Geheimniss erklärt, um wie viel durch
das Wurfbrett die Anfangsgeschwindigkeit des Speeres beschleunigt
werden kann. Leider lässt sich nicht mit Sicherheit entscheiden,
ob die Australier nicht vielleicht diese Erfindung entlehnt haben,
denn auch die Neu-Caledonier gebrauchen wenn auch nicht das
Wurfbrett, doch eine Wurfschlinge. Wir finden übrigens dieses
Hilfsmittel noch anderwärts, nämlich bei den Alëuten und den
ihnen benachbarten Eskimo, sowie bei den Altmexicanern 3).
Die nicht geringe geistige Begabung der Australier ist erst
zur Anerkennung gelangt, seitdem wir einen Einblick in ihre
Sprachen gewonnen haben. Wenn der Reichthum von Formen
zum kurzen Ausdruck feiner Beziehungen über den Rang einer
Sprache entscheiden sollte, so müssten uns und allen Völkern
Westeuropa’s die beinernen Menschenschatten am King George-
Sund Neid einflössen, denn ihre Sprache besitzt nicht blos soviel,
1) G. F. Angas, Australia and New Zealand. tom. II. p. 203. p. 275.
2) Voyage of H. M. S. Fly. vol. I. p. 112.
3) v. Langsdorff, Reise um die Welt, Bd. 2. S. 40. David Cranz,
Historie von Grönland. Bd. 1. S. 194. Tylor, Anfänge der Cultur. Bd. 1.
S. 67.
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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/369>, abgerufen am 23.12.2024.
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