Einfluss des Handels auf die räumliche Verbreitung der Völker.
und in der Erde abhängt. Gold und Gold waren die Fingerzeige zu den Völkerwanderungen nach dem Stillen Meere.
Mit Australien ist es ähnlich gegangen wie mit Californien Eine alte Karte im Britischen Museum, die kürzlich aufgefunden worden ist, hat die überraschende Enthüllung gebracht, dass die Portugiesen im Jahr 1601 einen nördlichen Punkt jenes Festlandes besucht hatten 1). Nach ihnen gelangten Niederländer häufig an die West- und Nord-, sowie zu zwei verschiedenenmalen an die Südküste, daher noch jetzt vielfach nach ihnen jener Erdtheil Neu- Holland genannt wird. Doch waren für sie jene Länderräume das nämliche, was den Spaniern im 16. Jahrhundert die Vereinigten Staaten gewesen sind: werthlose Gebiete -- tierras de ningun provecho. Mit dem gleichen Auge betrachteten die Engländer ihre Entdeckungen an der Ostküste Australiens, als sie am Schluss des vorigen Jahrhunderts sie zu einem Verbannungsort für Sträflinge erhoben. So blieb Australien vernachlässigt von Portugiesen, Hol- ländern und Briten, bis der Ruf Gold erschallte, und flugs eine neue Zeit der Völkereinwanderung anbrach.
Vor etwa fünf Jahren hörten wir, dass die Russen unter dem Namen Aliaska ihren Antheil an der Neuen Welt der grossen Union verkauft hätten. Wie kamen aber die Russen nach Aliaska? Liefen sie etwa aus der Ostsee oder dem weissen Meer um das Cap Horn oder um das Cap der guten Hoffnung? Gewiss nicht! Sie stiegen vielmehr im Jahre 1577 über den Ural nach dem Ob hinab, nicht etwa, weil es damals schon zu eng geworden wäre in ihrer Heimath, sondern weil sie die Aussicht auf raschen Gewinn in die Niederungen trieb. Wie die Spanier den Caziken der neuen Welt ihre goldenen Ringe und Spangen von den Knöcheln ab- streiften, so fanden die Kosaken, wie die Conquistadoren Sibiriens genannt werden, bei den Häuptlingen der nordasiatischen Jäger- stämme Vorräthe an edlen Rauchwaaren. Die Beutelust trieb sie mit unglaublicher Geschwindigkeit gegen Osten, und wir sehen sie um 1639 schon das ochotskische Gestade erreichen. Im Berings-Meer fanden sie das geschätzteste aller Pelzwerke, die Seeotter, zu Stellers Zeiten noch äusserst zahlreich, jetzt im Aussterben be- griffen oder ausgestorben. Natürlich mussten immer neue jung-
1) R. H. Major, Discovery of Australia by the Portuguees in 1601. London 1861.
Einfluss des Handels auf die räumliche Verbreitung der Völker.
und in der Erde abhängt. Gold und Gold waren die Fingerzeige zu den Völkerwanderungen nach dem Stillen Meere.
Mit Australien ist es ähnlich gegangen wie mit Californien Eine alte Karte im Britischen Museum, die kürzlich aufgefunden worden ist, hat die überraschende Enthüllung gebracht, dass die Portugiesen im Jahr 1601 einen nördlichen Punkt jenes Festlandes besucht hatten 1). Nach ihnen gelangten Niederländer häufig an die West- und Nord-, sowie zu zwei verschiedenenmalen an die Südküste, daher noch jetzt vielfach nach ihnen jener Erdtheil Neu- Holland genannt wird. Doch waren für sie jene Länderräume das nämliche, was den Spaniern im 16. Jahrhundert die Vereinigten Staaten gewesen sind: werthlose Gebiete — tierras de ningun provecho. Mit dem gleichen Auge betrachteten die Engländer ihre Entdeckungen an der Ostküste Australiens, als sie am Schluss des vorigen Jahrhunderts sie zu einem Verbannungsort für Sträflinge erhoben. So blieb Australien vernachlässigt von Portugiesen, Hol- ländern und Briten, bis der Ruf Gold erschallte, und flugs eine neue Zeit der Völkereinwanderung anbrach.
Vor etwa fünf Jahren hörten wir, dass die Russen unter dem Namen Aliaska ihren Antheil an der Neuen Welt der grossen Union verkauft hätten. Wie kamen aber die Russen nach Aliaska? Liefen sie etwa aus der Ostsee oder dem weissen Meer um das Cap Horn oder um das Cap der guten Hoffnung? Gewiss nicht! Sie stiegen vielmehr im Jahre 1577 über den Ural nach dem Ob hinab, nicht etwa, weil es damals schon zu eng geworden wäre in ihrer Heimath, sondern weil sie die Aussicht auf raschen Gewinn in die Niederungen trieb. Wie die Spanier den Caziken der neuen Welt ihre goldenen Ringe und Spangen von den Knöcheln ab- streiften, so fanden die Kosaken, wie die Conquistadoren Sibiriens genannt werden, bei den Häuptlingen der nordasiatischen Jäger- stämme Vorräthe an edlen Rauchwaaren. Die Beutelust trieb sie mit unglaublicher Geschwindigkeit gegen Osten, und wir sehen sie um 1639 schon das ochotskische Gestade erreichen. Im Berings-Meer fanden sie das geschätzteste aller Pelzwerke, die Seeotter, zu Stellers Zeiten noch äusserst zahlreich, jetzt im Aussterben be- griffen oder ausgestorben. Natürlich mussten immer neue jung-
1) R. H. Major, Discovery of Australia by the Portuguees in 1601. London 1861.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0239"n="221"/><fwplace="top"type="header">Einfluss des Handels auf die räumliche Verbreitung der Völker.</fw><lb/>
und in der Erde abhängt. Gold und Gold waren die Fingerzeige<lb/>
zu den Völkerwanderungen nach dem Stillen Meere.</p><lb/><p>Mit Australien ist es ähnlich gegangen wie mit Californien<lb/>
Eine alte Karte im Britischen Museum, die kürzlich aufgefunden<lb/>
worden ist, hat die überraschende Enthüllung gebracht, dass die<lb/>
Portugiesen im Jahr 1601 einen nördlichen Punkt jenes Festlandes<lb/>
besucht hatten <noteplace="foot"n="1)">R. H. <hirendition="#g">Major</hi>, Discovery of Australia by the Portuguees in 1601.<lb/>
London 1861.</note>. Nach ihnen gelangten Niederländer häufig an<lb/>
die West- und Nord-, sowie zu zwei verschiedenenmalen an die<lb/>
Südküste, daher noch jetzt vielfach nach ihnen jener Erdtheil Neu-<lb/>
Holland genannt wird. Doch waren für sie jene Länderräume das<lb/>
nämliche, was den Spaniern im 16. Jahrhundert die Vereinigten<lb/>
Staaten gewesen sind: werthlose Gebiete —<hirendition="#i">tierras de ningun<lb/>
provecho</hi>. Mit dem gleichen Auge betrachteten die Engländer ihre<lb/>
Entdeckungen an der Ostküste Australiens, als sie am Schluss des<lb/>
vorigen Jahrhunderts sie zu einem Verbannungsort für Sträflinge<lb/>
erhoben. So blieb Australien vernachlässigt von Portugiesen, Hol-<lb/>
ländern und Briten, bis der Ruf Gold erschallte, und flugs eine<lb/>
neue Zeit der Völkereinwanderung anbrach.</p><lb/><p>Vor etwa fünf Jahren hörten wir, dass die Russen unter dem<lb/>
Namen Aliaska ihren Antheil an der Neuen Welt der grossen<lb/>
Union verkauft hätten. Wie kamen aber die Russen nach Aliaska?<lb/>
Liefen sie etwa aus der Ostsee oder dem weissen Meer um das<lb/>
Cap Horn oder um das Cap der guten Hoffnung? Gewiss nicht!<lb/>
Sie stiegen vielmehr im Jahre 1577 über den Ural nach dem Ob<lb/>
hinab, nicht etwa, weil es damals schon zu eng geworden wäre in<lb/>
ihrer Heimath, sondern weil sie die Aussicht auf raschen Gewinn<lb/>
in die Niederungen trieb. Wie die Spanier den Caziken der neuen<lb/>
Welt ihre goldenen Ringe und Spangen von den Knöcheln ab-<lb/>
streiften, so fanden die Kosaken, wie die Conquistadoren Sibiriens<lb/>
genannt werden, bei den Häuptlingen der nordasiatischen Jäger-<lb/>
stämme Vorräthe an edlen Rauchwaaren. Die Beutelust trieb sie<lb/>
mit unglaublicher Geschwindigkeit gegen Osten, und wir sehen sie<lb/>
um 1639 schon das ochotskische Gestade erreichen. Im Berings-Meer<lb/>
fanden sie das geschätzteste aller Pelzwerke, die Seeotter, zu<lb/>
Stellers Zeiten noch äusserst zahlreich, jetzt im Aussterben be-<lb/>
griffen oder ausgestorben. Natürlich mussten immer neue jung-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[221/0239]
Einfluss des Handels auf die räumliche Verbreitung der Völker.
und in der Erde abhängt. Gold und Gold waren die Fingerzeige
zu den Völkerwanderungen nach dem Stillen Meere.
Mit Australien ist es ähnlich gegangen wie mit Californien
Eine alte Karte im Britischen Museum, die kürzlich aufgefunden
worden ist, hat die überraschende Enthüllung gebracht, dass die
Portugiesen im Jahr 1601 einen nördlichen Punkt jenes Festlandes
besucht hatten 1). Nach ihnen gelangten Niederländer häufig an
die West- und Nord-, sowie zu zwei verschiedenenmalen an die
Südküste, daher noch jetzt vielfach nach ihnen jener Erdtheil Neu-
Holland genannt wird. Doch waren für sie jene Länderräume das
nämliche, was den Spaniern im 16. Jahrhundert die Vereinigten
Staaten gewesen sind: werthlose Gebiete — tierras de ningun
provecho. Mit dem gleichen Auge betrachteten die Engländer ihre
Entdeckungen an der Ostküste Australiens, als sie am Schluss des
vorigen Jahrhunderts sie zu einem Verbannungsort für Sträflinge
erhoben. So blieb Australien vernachlässigt von Portugiesen, Hol-
ländern und Briten, bis der Ruf Gold erschallte, und flugs eine
neue Zeit der Völkereinwanderung anbrach.
Vor etwa fünf Jahren hörten wir, dass die Russen unter dem
Namen Aliaska ihren Antheil an der Neuen Welt der grossen
Union verkauft hätten. Wie kamen aber die Russen nach Aliaska?
Liefen sie etwa aus der Ostsee oder dem weissen Meer um das
Cap Horn oder um das Cap der guten Hoffnung? Gewiss nicht!
Sie stiegen vielmehr im Jahre 1577 über den Ural nach dem Ob
hinab, nicht etwa, weil es damals schon zu eng geworden wäre in
ihrer Heimath, sondern weil sie die Aussicht auf raschen Gewinn
in die Niederungen trieb. Wie die Spanier den Caziken der neuen
Welt ihre goldenen Ringe und Spangen von den Knöcheln ab-
streiften, so fanden die Kosaken, wie die Conquistadoren Sibiriens
genannt werden, bei den Häuptlingen der nordasiatischen Jäger-
stämme Vorräthe an edlen Rauchwaaren. Die Beutelust trieb sie
mit unglaublicher Geschwindigkeit gegen Osten, und wir sehen sie
um 1639 schon das ochotskische Gestade erreichen. Im Berings-Meer
fanden sie das geschätzteste aller Pelzwerke, die Seeotter, zu
Stellers Zeiten noch äusserst zahlreich, jetzt im Aussterben be-
griffen oder ausgestorben. Natürlich mussten immer neue jung-
1) R. H. Major, Discovery of Australia by the Portuguees in 1601.
London 1861.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/239>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.