Blute zukommt, und die daher auch Antheil haben an dem nau- tischen Ruhm der grössten europäischen Seemacht. Endlich be- wohnen die Holländer ebenfalls ein Inselgebiet, welches durch eine Senkung entstanden ist, und nicht vorhanden war, als die britischen Inseln noch dem nordeuropäischen Festlande angehörten.
Wir dürfen also auf denjenigen Räumen der neuen Welt, die einem gleichen Ursprung ihre Gestaltung verdanken, auch eine gleiche Entwicklung ihrer Bewohner erwarten. Aus anderwärts mitgetheilten physischen Vergleichen ergab sich aber, dass auch die Inselwelt der sogenannten nordwestlichen Durchfahrt als Trümmer eines ehemaligen Zusammenhanges zwischen dem kleinen Welttheil Grönland und dem Festlande Nord-Amerikas angesehen werden muss, und ferner, dass da, wo sich Nord- und Südamerika nähern, am atlantischen Rande der seichten caribischen und mexicanischen Golfe, als Reste eines ehemaligen Zusammenhanges die Antillen stehen geblieben sind. Ist also die Entwicklung der menschlichen Gesittung abhängig von der Gunst örtlicher Gestaltungen, so müssten wir im amerikanischen Polarmeere und in den beiden central-amerikanischen Golfen, die der neuen Welt einen Ersatz für unser einst so beglücktes Mittelmeer gewährten, die höchsten Blüthen der Schifffahrtskunde antreffen. Und in der That werden unsere Erwartungen nicht völlig getäuscht.
Inselwelten haben jedoch auch vielfach als letzte Asyle für schwache oder veraltete Schöpfungsgestalten gedient, denen auf dem Festlande der Kampf um das Dasein zu heiss geworden war, und die nur dort noch länger bestehen konnten, wo das Meer sie vor ihren rüstigen Bedrängern schützte. Die kleinen und grossen Antillen, so wie die Bahama-Gruppe waren vor 1492 von einem sanften aber höchst unkriegerischen Menschenschlag bewohnt, den Herr v. Martius Taini genannt hat. Die wenigen erhaltenen Reste ihrer Sprache, meistens Ortsnamen, verstatten keine feste Begrün- dung ihrer Abkunft, doch nimmt man in neuester Zeit an, dass sie in Verwandtschaft standen mit den Arowaken Südamerikas, die noch gegenwärtig die Guayanas bewohnen. Sie unternahmen keine weiten Seereisen, höchstens dass die Bewohner im Süden Haiti's sich gelegentlich nach Jamaica oder die von Jamaica nach Haiti wagten 1). Von ihren Inseln aber waren sie schon 1492 theil-
1) Auf Jamaica wurden die grössten Fahrzeuge der Antillen bis zu 96 Fuss Länge und 8 Fuss Breite erbaut. Bernaldez, Reyes Catol. cap. 124. p. 310.
Fahrzeuge und Seetüchtigkeit.
Blute zukommt, und die daher auch Antheil haben an dem nau- tischen Ruhm der grössten europäischen Seemacht. Endlich be- wohnen die Holländer ebenfalls ein Inselgebiet, welches durch eine Senkung entstanden ist, und nicht vorhanden war, als die britischen Inseln noch dem nordeuropäischen Festlande angehörten.
Wir dürfen also auf denjenigen Räumen der neuen Welt, die einem gleichen Ursprung ihre Gestaltung verdanken, auch eine gleiche Entwicklung ihrer Bewohner erwarten. Aus anderwärts mitgetheilten physischen Vergleichen ergab sich aber, dass auch die Inselwelt der sogenannten nordwestlichen Durchfahrt als Trümmer eines ehemaligen Zusammenhanges zwischen dem kleinen Welttheil Grönland und dem Festlande Nord-Amerikas angesehen werden muss, und ferner, dass da, wo sich Nord- und Südamerika nähern, am atlantischen Rande der seichten caribischen und mexicanischen Golfe, als Reste eines ehemaligen Zusammenhanges die Antillen stehen geblieben sind. Ist also die Entwicklung der menschlichen Gesittung abhängig von der Gunst örtlicher Gestaltungen, so müssten wir im amerikanischen Polarmeere und in den beiden central-amerikanischen Golfen, die der neuen Welt einen Ersatz für unser einst so beglücktes Mittelmeer gewährten, die höchsten Blüthen der Schifffahrtskunde antreffen. Und in der That werden unsere Erwartungen nicht völlig getäuscht.
Inselwelten haben jedoch auch vielfach als letzte Asyle für schwache oder veraltete Schöpfungsgestalten gedient, denen auf dem Festlande der Kampf um das Dasein zu heiss geworden war, und die nur dort noch länger bestehen konnten, wo das Meer sie vor ihren rüstigen Bedrängern schützte. Die kleinen und grossen Antillen, so wie die Bahamá-Gruppe waren vor 1492 von einem sanften aber höchst unkriegerischen Menschenschlag bewohnt, den Herr v. Martius Taini genannt hat. Die wenigen erhaltenen Reste ihrer Sprache, meistens Ortsnamen, verstatten keine feste Begrün- dung ihrer Abkunft, doch nimmt man in neuester Zeit an, dass sie in Verwandtschaft standen mit den Arowaken Südamerikas, die noch gegenwärtig die Guayanas bewohnen. Sie unternahmen keine weiten Seereisen, höchstens dass die Bewohner im Süden Haiti’s sich gelegentlich nach Jamaica oder die von Jamaica nach Haiti wagten 1). Von ihren Inseln aber waren sie schon 1492 theil-
1) Auf Jamaica wurden die grössten Fahrzeuge der Antillen bis zu 96 Fuss Länge und 8 Fuss Breite erbaut. Bernaldez, Reyes Catól. cap. 124. p. 310.
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Fahrzeuge und Seetüchtigkeit.
Blute zukommt, und die daher auch Antheil haben an dem nau-
tischen Ruhm der grössten europäischen Seemacht. Endlich be-
wohnen die Holländer ebenfalls ein Inselgebiet, welches durch eine
Senkung entstanden ist, und nicht vorhanden war, als die britischen
Inseln noch dem nordeuropäischen Festlande angehörten.
Wir dürfen also auf denjenigen Räumen der neuen Welt, die
einem gleichen Ursprung ihre Gestaltung verdanken, auch eine
gleiche Entwicklung ihrer Bewohner erwarten. Aus anderwärts
mitgetheilten physischen Vergleichen ergab sich aber, dass auch
die Inselwelt der sogenannten nordwestlichen Durchfahrt als Trümmer
eines ehemaligen Zusammenhanges zwischen dem kleinen Welttheil
Grönland und dem Festlande Nord-Amerikas angesehen werden
muss, und ferner, dass da, wo sich Nord- und Südamerika nähern,
am atlantischen Rande der seichten caribischen und mexicanischen
Golfe, als Reste eines ehemaligen Zusammenhanges die Antillen
stehen geblieben sind. Ist also die Entwicklung der menschlichen
Gesittung abhängig von der Gunst örtlicher Gestaltungen, so
müssten wir im amerikanischen Polarmeere und in den beiden
central-amerikanischen Golfen, die der neuen Welt einen Ersatz
für unser einst so beglücktes Mittelmeer gewährten, die höchsten
Blüthen der Schifffahrtskunde antreffen. Und in der That werden
unsere Erwartungen nicht völlig getäuscht.
Inselwelten haben jedoch auch vielfach als letzte Asyle für
schwache oder veraltete Schöpfungsgestalten gedient, denen auf
dem Festlande der Kampf um das Dasein zu heiss geworden war,
und die nur dort noch länger bestehen konnten, wo das Meer sie
vor ihren rüstigen Bedrängern schützte. Die kleinen und grossen
Antillen, so wie die Bahamá-Gruppe waren vor 1492 von einem
sanften aber höchst unkriegerischen Menschenschlag bewohnt, den
Herr v. Martius Taini genannt hat. Die wenigen erhaltenen Reste
ihrer Sprache, meistens Ortsnamen, verstatten keine feste Begrün-
dung ihrer Abkunft, doch nimmt man in neuester Zeit an, dass
sie in Verwandtschaft standen mit den Arowaken Südamerikas, die
noch gegenwärtig die Guayanas bewohnen. Sie unternahmen
keine weiten Seereisen, höchstens dass die Bewohner im Süden
Haiti’s sich gelegentlich nach Jamaica oder die von Jamaica nach
Haiti wagten 1). Von ihren Inseln aber waren sie schon 1492 theil-
1) Auf Jamaica wurden die grössten Fahrzeuge der Antillen bis zu 96 Fuss
Länge und 8 Fuss Breite erbaut. Bernaldez, Reyes Catól. cap. 124. p. 310.
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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/231>, abgerufen am 23.12.2024.
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