die Rothhäute der Vereinigten Staaten inne hatten, ist berechnet worden, dass Jägerstämme zu ihrem Unterhalte für jeden Kopf 13/4 engl. Q. Meilen nöthig haben, während in einem vergleichbaren Erdstrich, nämlich in Belgien, 320 Köpfe auf einer engl. Q. Meile wohnen1).
Nur eine blühende Landwirthschaft verstattet eine hohe Ver- dichtung. Der Ackerbauer aber kann nicht Waffen führen, die eine beständige Uebung und seltene Fertigkeiten erfordern. Um sich gegen ferne Geschosse von Jägerstämmen zu sichern, wird er vielmehr seinen Körper durch eine Bedeckung von Watte, wie in Amerika, oder durch Leder, oder durch Metall schützen. Ferner wird er das zerstreute Gefecht, welches mit Jägerart viel Aehn- lichkeit hat, aufgeben und in Gliedern sich zusammenschliessen. In Amerika sehen wir diese Neuerung bei allen Culturvölkern voll- zogen. Die Mexicaner und Yukateken hatten nicht bloss Schutz- waffen, sondern sie führten das Schwert des Steinzeitalters aus Holz geschnitzt und mit einem Falz versehen, in welchen stück- weise die Klinge aus scharfen Obsidianscherben eingefügt wurde. Wie weit wären überhaupt sämmtliche Nahuatlvölker Mittelamerikas zurückgeblieben, wenn sie nicht den Obsidian oder das Iztli unter den Laven ihrer Vulcane gefunden hätten? ein Mineral, das bei jedem geschickten Hammerschlag, wir möchten sagen, in lauter Messerklingen zerspringt, so scharf, dass noch lange nach der Er- oberung die Spanier sich von einheimischen Barbieren mit Obsi- dianscherben rasiren liessen. Bei den Incaperuanern treffen wir hölzerne Helme, mit Watte gepolsterte Wämser, Schwerter aus Kupfer, Streitäxte, Speere und Wurfspiesse2), sowie Fahnen, letztere das beste Zeugniss für eine bereits vorhandene taktische Ein- theilung.
Die Uebergänge bedurften jedenfalls grosser Zeiträume. Hirten- völker legten die Jagdwaffen nicht plötzlich ab, sondern nur nach und nach. Im trojanischen Kriege begegneten sich Völker, die halb Ackerbau, halb Viehzucht trieben. In den Reihen der Achäer treffen wir daher nur zwei oder drei Virtuosen, die Bogen und Pfeil führen, und in der Odyssee fordert die schlaue Penelope ihre Freier zu einem Probeschiessen auf, wobei sich ergibt, dass sie alle
1) Sir John Lubbock, Prehistoric Times. 2d ed. p. 582. sq.
2)Prescott, Conquest of Peru. tom. I, p. 72 sq.
Die Bewaffnung.
die Rothhäute der Vereinigten Staaten inne hatten, ist berechnet worden, dass Jägerstämme zu ihrem Unterhalte für jeden Kopf 1¾ engl. Q. Meilen nöthig haben, während in einem vergleichbaren Erdstrich, nämlich in Belgien, 320 Köpfe auf einer engl. Q. Meile wohnen1).
Nur eine blühende Landwirthschaft verstattet eine hohe Ver- dichtung. Der Ackerbauer aber kann nicht Waffen führen, die eine beständige Uebung und seltene Fertigkeiten erfordern. Um sich gegen ferne Geschosse von Jägerstämmen zu sichern, wird er vielmehr seinen Körper durch eine Bedeckung von Watte, wie in Amerika, oder durch Leder, oder durch Metall schützen. Ferner wird er das zerstreute Gefecht, welches mit Jägerart viel Aehn- lichkeit hat, aufgeben und in Gliedern sich zusammenschliessen. In Amerika sehen wir diese Neuerung bei allen Culturvölkern voll- zogen. Die Mexicaner und Yukateken hatten nicht bloss Schutz- waffen, sondern sie führten das Schwert des Steinzeitalters aus Holz geschnitzt und mit einem Falz versehen, in welchen stück- weise die Klinge aus scharfen Obsidianscherben eingefügt wurde. Wie weit wären überhaupt sämmtliche Nahuatlvölker Mittelamerikas zurückgeblieben, wenn sie nicht den Obsidian oder das Iztli unter den Laven ihrer Vulcane gefunden hätten? ein Mineral, das bei jedem geschickten Hammerschlag, wir möchten sagen, in lauter Messerklingen zerspringt, so scharf, dass noch lange nach der Er- oberung die Spanier sich von einheimischen Barbieren mit Obsi- dianscherben rasiren liessen. Bei den Incaperuanern treffen wir hölzerne Helme, mit Watte gepolsterte Wämser, Schwerter aus Kupfer, Streitäxte, Speere und Wurfspiesse2), sowie Fahnen, letztere das beste Zeugniss für eine bereits vorhandene taktische Ein- theilung.
Die Uebergänge bedurften jedenfalls grosser Zeiträume. Hirten- völker legten die Jagdwaffen nicht plötzlich ab, sondern nur nach und nach. Im trojanischen Kriege begegneten sich Völker, die halb Ackerbau, halb Viehzucht trieben. In den Reihen der Achäer treffen wir daher nur zwei oder drei Virtuosen, die Bogen und Pfeil führen, und in der Odyssee fordert die schlaue Penelope ihre Freier zu einem Probeschiessen auf, wobei sich ergibt, dass sie alle
1) Sir John Lubbock, Prehistoric Times. 2d ed. p. 582. sq.
2)Prescott, Conquest of Peru. tom. I, p. 72 sq.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0218"n="200"/><fwplace="top"type="header">Die Bewaffnung.</fw><lb/>
die Rothhäute der Vereinigten Staaten inne hatten, ist berechnet<lb/>
worden, dass Jägerstämme zu ihrem Unterhalte für jeden Kopf<lb/>
1¾ engl. Q. Meilen nöthig haben, während in einem vergleichbaren<lb/>
Erdstrich, nämlich in Belgien, 320 Köpfe auf einer engl. Q. Meile<lb/>
wohnen<noteplace="foot"n="1)">Sir <hirendition="#g">John Lubbock</hi>, Prehistoric Times. 2d ed. p. 582. sq.</note>.</p><lb/><p>Nur eine blühende Landwirthschaft verstattet eine hohe Ver-<lb/>
dichtung. Der Ackerbauer aber kann nicht Waffen führen, die<lb/>
eine beständige Uebung und seltene Fertigkeiten erfordern. Um<lb/>
sich gegen ferne Geschosse von Jägerstämmen zu sichern, wird er<lb/>
vielmehr seinen Körper durch eine Bedeckung von Watte, wie in<lb/>
Amerika, oder durch Leder, oder durch Metall schützen. Ferner<lb/>
wird er das zerstreute Gefecht, welches mit Jägerart viel Aehn-<lb/>
lichkeit hat, aufgeben und in Gliedern sich zusammenschliessen.<lb/>
In Amerika sehen wir diese Neuerung bei allen Culturvölkern voll-<lb/>
zogen. Die Mexicaner und Yukateken hatten nicht bloss Schutz-<lb/>
waffen, sondern sie führten das Schwert des Steinzeitalters aus<lb/>
Holz geschnitzt und mit einem Falz versehen, in welchen stück-<lb/>
weise die Klinge aus scharfen Obsidianscherben eingefügt wurde.<lb/>
Wie weit wären überhaupt sämmtliche Nahuatlvölker Mittelamerikas<lb/>
zurückgeblieben, wenn sie nicht den Obsidian oder das Iztli unter<lb/>
den Laven ihrer Vulcane gefunden hätten? ein Mineral, das bei<lb/>
jedem geschickten Hammerschlag, wir möchten sagen, in lauter<lb/>
Messerklingen zerspringt, so scharf, dass noch lange nach der Er-<lb/>
oberung die Spanier sich von einheimischen Barbieren mit Obsi-<lb/>
dianscherben rasiren liessen. Bei den Incaperuanern treffen wir<lb/>
hölzerne Helme, mit Watte gepolsterte Wämser, Schwerter aus<lb/>
Kupfer, Streitäxte, Speere und Wurfspiesse<noteplace="foot"n="2)"><hirendition="#g">Prescott</hi>, Conquest of Peru. tom. I, p. 72 sq.</note>, sowie Fahnen, letztere<lb/>
das beste Zeugniss für eine bereits vorhandene taktische Ein-<lb/>
theilung.</p><lb/><p>Die Uebergänge bedurften jedenfalls grosser Zeiträume. Hirten-<lb/>
völker legten die Jagdwaffen nicht plötzlich ab, sondern nur nach<lb/>
und nach. Im trojanischen Kriege begegneten sich Völker, die<lb/>
halb Ackerbau, halb Viehzucht trieben. In den Reihen der Achäer<lb/>
treffen wir daher nur zwei oder drei Virtuosen, die Bogen und<lb/>
Pfeil führen, und in der Odyssee fordert die schlaue Penelope ihre<lb/>
Freier zu einem Probeschiessen auf, wobei sich ergibt, dass sie alle<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[200/0218]
Die Bewaffnung.
die Rothhäute der Vereinigten Staaten inne hatten, ist berechnet
worden, dass Jägerstämme zu ihrem Unterhalte für jeden Kopf
1¾ engl. Q. Meilen nöthig haben, während in einem vergleichbaren
Erdstrich, nämlich in Belgien, 320 Köpfe auf einer engl. Q. Meile
wohnen 1).
Nur eine blühende Landwirthschaft verstattet eine hohe Ver-
dichtung. Der Ackerbauer aber kann nicht Waffen führen, die
eine beständige Uebung und seltene Fertigkeiten erfordern. Um
sich gegen ferne Geschosse von Jägerstämmen zu sichern, wird er
vielmehr seinen Körper durch eine Bedeckung von Watte, wie in
Amerika, oder durch Leder, oder durch Metall schützen. Ferner
wird er das zerstreute Gefecht, welches mit Jägerart viel Aehn-
lichkeit hat, aufgeben und in Gliedern sich zusammenschliessen.
In Amerika sehen wir diese Neuerung bei allen Culturvölkern voll-
zogen. Die Mexicaner und Yukateken hatten nicht bloss Schutz-
waffen, sondern sie führten das Schwert des Steinzeitalters aus
Holz geschnitzt und mit einem Falz versehen, in welchen stück-
weise die Klinge aus scharfen Obsidianscherben eingefügt wurde.
Wie weit wären überhaupt sämmtliche Nahuatlvölker Mittelamerikas
zurückgeblieben, wenn sie nicht den Obsidian oder das Iztli unter
den Laven ihrer Vulcane gefunden hätten? ein Mineral, das bei
jedem geschickten Hammerschlag, wir möchten sagen, in lauter
Messerklingen zerspringt, so scharf, dass noch lange nach der Er-
oberung die Spanier sich von einheimischen Barbieren mit Obsi-
dianscherben rasiren liessen. Bei den Incaperuanern treffen wir
hölzerne Helme, mit Watte gepolsterte Wämser, Schwerter aus
Kupfer, Streitäxte, Speere und Wurfspiesse 2), sowie Fahnen, letztere
das beste Zeugniss für eine bereits vorhandene taktische Ein-
theilung.
Die Uebergänge bedurften jedenfalls grosser Zeiträume. Hirten-
völker legten die Jagdwaffen nicht plötzlich ab, sondern nur nach
und nach. Im trojanischen Kriege begegneten sich Völker, die
halb Ackerbau, halb Viehzucht trieben. In den Reihen der Achäer
treffen wir daher nur zwei oder drei Virtuosen, die Bogen und
Pfeil führen, und in der Odyssee fordert die schlaue Penelope ihre
Freier zu einem Probeschiessen auf, wobei sich ergibt, dass sie alle
1) Sir John Lubbock, Prehistoric Times. 2d ed. p. 582. sq.
2) Prescott, Conquest of Peru. tom. I, p. 72 sq.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/218>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.