Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Bewaffnung.
ners. Die älteste, echteste und edelste Kriegswaffe ist daher das
Schwert, weil es nie amphibisch für Krieg und Handwerk gebraucht
werden kann 1). Hinzufügen wollen wir gleich hier, dass in Europa
bis jetzt die Erfindung der Schwerter nicht höher hinaufreicht als
in das Bronzezeitalter, während wir später anderwärts einen Fall
kennen lernen werden, dass es auch Schwerter in der Steinzeit
geben kann.

Bogen und Pfeil müssen überall dort verschwinden, wo die
Jagd nicht mehr ein Lebenserwerb ist, oder wo es Jagd überhaupt
gar nicht geben kann. Sowie wir uns aber von Neu-Guinea öst-
lich, nördlich oder süd-süd-östlich bewegen, hört die Jagd auf, weil
allen diesen Inseln die Landsäugethiere fehlen, abgesehen von den
Fledermäusen, den gezähmten Schweinen, den Hunden und Ratten.
Es erregte desshalb nicht wenig Aufsehen, als vor etlichen Jahren
Haast auf der Südinsel Neu-Seelands ein wildes Säugethier, frei-
lich wieder ein schwimmendes, nämlich eine Fischotter entdeckte.
Dass es auf jenen Inseln aber keine Säugethierwelt geben kann,
erklärt sich einfach aus ihrem Ursprung, denn die Koralleninseln
entstehen erst, wenn von der Flur eines früher versunkenen Fest-
landes aus seichten Untiefen Polypen mit ihren Kalkästen wall-
artige Riffe heraufbauen. Oder wir haben es mit vulcanischen
Bauwerken zu thun, die zunächst unterseeisch gebildet, und dann
allmählich durch Auswürfe über den Spiegel des Meeres aufge-
schüttet wurden. Alle jene Inseln standen nie, oder doch wenig-
stens nicht mehr seit den tertiären Zeiten, auch Neuseeland nicht,
mit irgend einem Festlande in Verbindung, so dass also alle solche
Säugethiere, die nicht zu fliegen und nicht zu schwimmen ver-
mögen, jene Inseln nicht erreichen konnten. Folglich hängt das
Verschwinden von Bogen und Pfeil mit dem geologischen Ursprung
jener Inseln zusammen.

Dass dies der wahre und letzte Grund sei, wird uns auf einem
andern Schauplatz bestätigt. In Westindien haben wir nicht kleine
und schmale Korallenbauten vor uns, sondern geräumige Körper
wie Cuba, Haiti, Jamaica und Puertorico. Aber selbst diesen ge-
räumigen Inseln fehlten, mit Ausnahme von Cuba, alle grössere
Landsäugethiere, denn zur Zeit der Ankunft der Spanier gab es
ausser den Fledermäusen überhaupt dort nur fünf Arten von kleinen

1) D. h. das Schwert der Bronzezeit, welches nur für den Stoss geeignet war.

Die Bewaffnung.
ners. Die älteste, echteste und edelste Kriegswaffe ist daher das
Schwert, weil es nie amphibisch für Krieg und Handwerk gebraucht
werden kann 1). Hinzufügen wollen wir gleich hier, dass in Europa
bis jetzt die Erfindung der Schwerter nicht höher hinaufreicht als
in das Bronzezeitalter, während wir später anderwärts einen Fall
kennen lernen werden, dass es auch Schwerter in der Steinzeit
geben kann.

Bogen und Pfeil müssen überall dort verschwinden, wo die
Jagd nicht mehr ein Lebenserwerb ist, oder wo es Jagd überhaupt
gar nicht geben kann. Sowie wir uns aber von Neu-Guinea öst-
lich, nördlich oder süd-süd-östlich bewegen, hört die Jagd auf, weil
allen diesen Inseln die Landsäugethiere fehlen, abgesehen von den
Fledermäusen, den gezähmten Schweinen, den Hunden und Ratten.
Es erregte desshalb nicht wenig Aufsehen, als vor etlichen Jahren
Haast auf der Südinsel Neu-Seelands ein wildes Säugethier, frei-
lich wieder ein schwimmendes, nämlich eine Fischotter entdeckte.
Dass es auf jenen Inseln aber keine Säugethierwelt geben kann,
erklärt sich einfach aus ihrem Ursprung, denn die Koralleninseln
entstehen erst, wenn von der Flur eines früher versunkenen Fest-
landes aus seichten Untiefen Polypen mit ihren Kalkästen wall-
artige Riffe heraufbauen. Oder wir haben es mit vulcanischen
Bauwerken zu thun, die zunächst unterseeisch gebildet, und dann
allmählich durch Auswürfe über den Spiegel des Meeres aufge-
schüttet wurden. Alle jene Inseln standen nie, oder doch wenig-
stens nicht mehr seit den tertiären Zeiten, auch Neuseeland nicht,
mit irgend einem Festlande in Verbindung, so dass also alle solche
Säugethiere, die nicht zu fliegen und nicht zu schwimmen ver-
mögen, jene Inseln nicht erreichen konnten. Folglich hängt das
Verschwinden von Bogen und Pfeil mit dem geologischen Ursprung
jener Inseln zusammen.

Dass dies der wahre und letzte Grund sei, wird uns auf einem
andern Schauplatz bestätigt. In Westindien haben wir nicht kleine
und schmale Korallenbauten vor uns, sondern geräumige Körper
wie Cuba, Haiti, Jamaica und Puertorico. Aber selbst diesen ge-
räumigen Inseln fehlten, mit Ausnahme von Cuba, alle grössere
Landsäugethiere, denn zur Zeit der Ankunft der Spanier gab es
ausser den Fledermäusen überhaupt dort nur fünf Arten von kleinen

1) D. h. das Schwert der Bronzezeit, welches nur für den Stoss geeignet war.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0209" n="191"/><fw place="top" type="header">Die Bewaffnung.</fw><lb/>
ners. Die älteste, echteste und edelste Kriegswaffe ist daher das<lb/>
Schwert, weil es nie amphibisch für Krieg und Handwerk gebraucht<lb/>
werden kann <note place="foot" n="1)">D. h. das Schwert der Bronzezeit, welches nur für den Stoss geeignet war.</note>. Hinzufügen wollen wir gleich hier, dass in Europa<lb/>
bis jetzt die Erfindung der Schwerter nicht höher hinaufreicht als<lb/>
in das Bronzezeitalter, während wir später anderwärts einen Fall<lb/>
kennen lernen werden, dass es auch Schwerter in der Steinzeit<lb/>
geben kann.</p><lb/>
          <p>Bogen und Pfeil müssen überall dort verschwinden, wo die<lb/>
Jagd nicht mehr ein Lebenserwerb ist, oder wo es Jagd überhaupt<lb/>
gar nicht geben kann. Sowie wir uns aber von Neu-Guinea öst-<lb/>
lich, nördlich oder süd-süd-östlich bewegen, hört die Jagd auf, weil<lb/>
allen diesen Inseln die Landsäugethiere fehlen, abgesehen von den<lb/>
Fledermäusen, den gezähmten Schweinen, den Hunden und Ratten.<lb/>
Es erregte desshalb nicht wenig Aufsehen, als vor etlichen Jahren<lb/>
Haast auf der Südinsel Neu-Seelands ein wildes Säugethier, frei-<lb/>
lich wieder ein schwimmendes, nämlich eine Fischotter entdeckte.<lb/>
Dass es auf jenen Inseln aber keine Säugethierwelt geben kann,<lb/>
erklärt sich einfach aus ihrem Ursprung, denn die Koralleninseln<lb/>
entstehen erst, wenn von der Flur eines früher versunkenen Fest-<lb/>
landes aus seichten Untiefen Polypen mit ihren Kalkästen wall-<lb/>
artige Riffe heraufbauen. Oder wir haben es mit vulcanischen<lb/>
Bauwerken zu thun, die zunächst unterseeisch gebildet, und dann<lb/>
allmählich durch Auswürfe über den Spiegel des Meeres aufge-<lb/>
schüttet wurden. Alle jene Inseln standen nie, oder doch wenig-<lb/>
stens nicht mehr seit den tertiären Zeiten, auch Neuseeland nicht,<lb/>
mit irgend einem Festlande in Verbindung, so dass also alle solche<lb/>
Säugethiere, die nicht zu fliegen und nicht zu schwimmen ver-<lb/>
mögen, jene Inseln nicht erreichen konnten. Folglich hängt das<lb/>
Verschwinden von Bogen und Pfeil mit dem geologischen Ursprung<lb/>
jener Inseln zusammen.</p><lb/>
          <p>Dass dies der wahre und letzte Grund sei, wird uns auf einem<lb/>
andern Schauplatz bestätigt. In Westindien haben wir nicht kleine<lb/>
und schmale Korallenbauten vor uns, sondern geräumige Körper<lb/>
wie Cuba, Haiti, Jamaica und Puertorico. Aber selbst diesen ge-<lb/>
räumigen Inseln fehlten, mit Ausnahme von Cuba, alle grössere<lb/>
Landsäugethiere, denn zur Zeit der Ankunft der Spanier gab es<lb/>
ausser den Fledermäusen überhaupt dort nur fünf Arten von kleinen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[191/0209] Die Bewaffnung. ners. Die älteste, echteste und edelste Kriegswaffe ist daher das Schwert, weil es nie amphibisch für Krieg und Handwerk gebraucht werden kann 1). Hinzufügen wollen wir gleich hier, dass in Europa bis jetzt die Erfindung der Schwerter nicht höher hinaufreicht als in das Bronzezeitalter, während wir später anderwärts einen Fall kennen lernen werden, dass es auch Schwerter in der Steinzeit geben kann. Bogen und Pfeil müssen überall dort verschwinden, wo die Jagd nicht mehr ein Lebenserwerb ist, oder wo es Jagd überhaupt gar nicht geben kann. Sowie wir uns aber von Neu-Guinea öst- lich, nördlich oder süd-süd-östlich bewegen, hört die Jagd auf, weil allen diesen Inseln die Landsäugethiere fehlen, abgesehen von den Fledermäusen, den gezähmten Schweinen, den Hunden und Ratten. Es erregte desshalb nicht wenig Aufsehen, als vor etlichen Jahren Haast auf der Südinsel Neu-Seelands ein wildes Säugethier, frei- lich wieder ein schwimmendes, nämlich eine Fischotter entdeckte. Dass es auf jenen Inseln aber keine Säugethierwelt geben kann, erklärt sich einfach aus ihrem Ursprung, denn die Koralleninseln entstehen erst, wenn von der Flur eines früher versunkenen Fest- landes aus seichten Untiefen Polypen mit ihren Kalkästen wall- artige Riffe heraufbauen. Oder wir haben es mit vulcanischen Bauwerken zu thun, die zunächst unterseeisch gebildet, und dann allmählich durch Auswürfe über den Spiegel des Meeres aufge- schüttet wurden. Alle jene Inseln standen nie, oder doch wenig- stens nicht mehr seit den tertiären Zeiten, auch Neuseeland nicht, mit irgend einem Festlande in Verbindung, so dass also alle solche Säugethiere, die nicht zu fliegen und nicht zu schwimmen ver- mögen, jene Inseln nicht erreichen konnten. Folglich hängt das Verschwinden von Bogen und Pfeil mit dem geologischen Ursprung jener Inseln zusammen. Dass dies der wahre und letzte Grund sei, wird uns auf einem andern Schauplatz bestätigt. In Westindien haben wir nicht kleine und schmale Korallenbauten vor uns, sondern geräumige Körper wie Cuba, Haiti, Jamaica und Puertorico. Aber selbst diesen ge- räumigen Inseln fehlten, mit Ausnahme von Cuba, alle grössere Landsäugethiere, denn zur Zeit der Ankunft der Spanier gab es ausser den Fledermäusen überhaupt dort nur fünf Arten von kleinen 1) D. h. das Schwert der Bronzezeit, welches nur für den Stoss geeignet war.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/209
Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/209>, abgerufen am 23.12.2024.