Bei den halbpapuanischen Bewohnern der Palauinseln geniessen die Frauen ein unbegrenztes Recht jeden Mann, der in ihre Bade- plätze eindringt, zu schlagen, mit Geldbussen zu strafen oder, wenn es sogleich geschehen kann, zu tödten 1).
Bis in die sogenannte Renthierzeit Europas können wir das Vorkommen von Bekleidung nachweisen, da in den Höhlen des Perigord beinerne Nadeln entdeckt worden sind 2), ja ein gleicher Fund in der Culturschicht an der Schussenquelle zeigt uns, dass die Bewohner Schwabens in der Eiszeit schon genäht haben 3). In beiden Fällen deutet aber das Vorkommen mennigrother Farben- knollen gleichzeitig auf Hautmalerei.
Die Wahl der Bekleidungsstoffe hing immer ab von dem Nah- rungserwerb der Menschenstämme. Bei Jägern und Hirten sind es daher die Felle der erlegten Thiere, welche verwendet werden. Belehrend ist aber auch, dass die Erfindungsgabe auf weit ge- trennten Räumen dasselbe Auskunftsmittel ersann. Die einfachste Art einer Bedeckung besteht darin, dass, wie oben bereits gezeigt wurde, Blätter oder Laubbüschel in eine Lendenschnur gesteckt werden. An eine solche Lendenschnur werden anderwärts wie diess von papuani- schen Frauen auf Neu-Guinea, oder den Palauinseln geschieht, Schilfe oder Binsen aufgereiht. Da in den letzteren Fällen eine allzuhäufige Erneuerung nöthig war, ersetzte man die Grashalme durch Bast- schnüre oder Lederriemen und so entstand für das weibliche Ge- schlecht der Fransengürtel am Colorado Nordamerikas bei den Mohavestämmen und ihren Nachbarn, in der Südsee bei den Fidschi, wo er Liku heisst, so wie bei den Neucaledoniern 4) und endlich in Südafrika bei den Kafirn 5). Ausschliesslich den Poly- nesiern gehört die Tapa an, bekanntlich nichts weiter als die weich geklopfte Rinde des Papiermaulbeerbaums (Broussonetia pa- pyrifera). Das Flechten von Körben und Matten führte dann, wo Verfeinerung eintrat und höhere Ansprüche sich regten, zur We- berei. Als die polynesischen Maori nach Neu-Seeland wanderten, brachten sie aus der Heimath schon alle Geheimnisse der Matten- verfertigung mit. Sie fanden an ihrem neuen Wohnorte in den Blatt-
1)Karl Semper, Die Palauinseln. Leipzig 1873. S. 68.
2) S. oben S. 40.
3) S. oben. S. 42.
4) Vgl. Knoblauch im Ausland 1866. S. 447.
5) S. die Zulumädchen bei G. Fritsch, die Eingebornen Südafrikas. S. 24.
Bekleidung und Obdach.
Bei den halbpapuanischen Bewohnern der Palauinseln geniessen die Frauen ein unbegrenztes Recht jeden Mann, der in ihre Bade- plätze eindringt, zu schlagen, mit Geldbussen zu strafen oder, wenn es sogleich geschehen kann, zu tödten 1).
Bis in die sogenannte Renthierzeit Europas können wir das Vorkommen von Bekleidung nachweisen, da in den Höhlen des Périgord beinerne Nadeln entdeckt worden sind 2), ja ein gleicher Fund in der Culturschicht an der Schussenquelle zeigt uns, dass die Bewohner Schwabens in der Eiszeit schon genäht haben 3). In beiden Fällen deutet aber das Vorkommen mennigrother Farben- knollen gleichzeitig auf Hautmalerei.
Die Wahl der Bekleidungsstoffe hing immer ab von dem Nah- rungserwerb der Menschenstämme. Bei Jägern und Hirten sind es daher die Felle der erlegten Thiere, welche verwendet werden. Belehrend ist aber auch, dass die Erfindungsgabe auf weit ge- trennten Räumen dasselbe Auskunftsmittel ersann. Die einfachste Art einer Bedeckung besteht darin, dass, wie oben bereits gezeigt wurde, Blätter oder Laubbüschel in eine Lendenschnur gesteckt werden. An eine solche Lendenschnur werden anderwärts wie diess von papuani- schen Frauen auf Neu-Guinea, oder den Palauinseln geschieht, Schilfe oder Binsen aufgereiht. Da in den letzteren Fällen eine allzuhäufige Erneuerung nöthig war, ersetzte man die Grashalme durch Bast- schnüre oder Lederriemen und so entstand für das weibliche Ge- schlecht der Fransengürtel am Colorado Nordamerikas bei den Mohavestämmen und ihren Nachbarn, in der Südsee bei den Fidschi, wo er Liku heisst, so wie bei den Neucaledoniern 4) und endlich in Südafrika bei den Kafirn 5). Ausschliesslich den Poly- nesiern gehört die Tapa an, bekanntlich nichts weiter als die weich geklopfte Rinde des Papiermaulbeerbaums (Broussonetia pa- pyrifera). Das Flechten von Körben und Matten führte dann, wo Verfeinerung eintrat und höhere Ansprüche sich regten, zur We- berei. Als die polynesischen Maori nach Neu-Seeland wanderten, brachten sie aus der Heimath schon alle Geheimnisse der Matten- verfertigung mit. Sie fanden an ihrem neuen Wohnorte in den Blatt-
1)Karl Semper, Die Palauinseln. Leipzig 1873. S. 68.
2) S. oben S. 40.
3) S. oben. S. 42.
4) Vgl. Knoblauch im Ausland 1866. S. 447.
5) S. die Zulumädchen bei G. Fritsch, die Eingebornen Südafrikas. S. 24.
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Bekleidung und Obdach.
Bei den halbpapuanischen Bewohnern der Palauinseln geniessen
die Frauen ein unbegrenztes Recht jeden Mann, der in ihre Bade-
plätze eindringt, zu schlagen, mit Geldbussen zu strafen oder, wenn
es sogleich geschehen kann, zu tödten 1).
Bis in die sogenannte Renthierzeit Europas können wir das
Vorkommen von Bekleidung nachweisen, da in den Höhlen des
Périgord beinerne Nadeln entdeckt worden sind 2), ja ein gleicher
Fund in der Culturschicht an der Schussenquelle zeigt uns, dass
die Bewohner Schwabens in der Eiszeit schon genäht haben 3).
In beiden Fällen deutet aber das Vorkommen mennigrother Farben-
knollen gleichzeitig auf Hautmalerei.
Die Wahl der Bekleidungsstoffe hing immer ab von dem Nah-
rungserwerb der Menschenstämme. Bei Jägern und Hirten sind es
daher die Felle der erlegten Thiere, welche verwendet werden.
Belehrend ist aber auch, dass die Erfindungsgabe auf weit ge-
trennten Räumen dasselbe Auskunftsmittel ersann. Die einfachste Art
einer Bedeckung besteht darin, dass, wie oben bereits gezeigt wurde,
Blätter oder Laubbüschel in eine Lendenschnur gesteckt werden. An
eine solche Lendenschnur werden anderwärts wie diess von papuani-
schen Frauen auf Neu-Guinea, oder den Palauinseln geschieht, Schilfe
oder Binsen aufgereiht. Da in den letzteren Fällen eine allzuhäufige
Erneuerung nöthig war, ersetzte man die Grashalme durch Bast-
schnüre oder Lederriemen und so entstand für das weibliche Ge-
schlecht der Fransengürtel am Colorado Nordamerikas bei den
Mohavestämmen und ihren Nachbarn, in der Südsee bei den
Fidschi, wo er Liku heisst, so wie bei den Neucaledoniern 4) und
endlich in Südafrika bei den Kafirn 5). Ausschliesslich den Poly-
nesiern gehört die Tapa an, bekanntlich nichts weiter als die
weich geklopfte Rinde des Papiermaulbeerbaums (Broussonetia pa-
pyrifera). Das Flechten von Körben und Matten führte dann, wo
Verfeinerung eintrat und höhere Ansprüche sich regten, zur We-
berei. Als die polynesischen Maori nach Neu-Seeland wanderten,
brachten sie aus der Heimath schon alle Geheimnisse der Matten-
verfertigung mit. Sie fanden an ihrem neuen Wohnorte in den Blatt-
1) Karl Semper, Die Palauinseln. Leipzig 1873. S. 68.
2) S. oben S. 40.
3) S. oben. S. 42.
4) Vgl. Knoblauch im Ausland 1866. S. 447.
5) S. die Zulumädchen bei G. Fritsch, die Eingebornen Südafrikas. S. 24.
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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/200>, abgerufen am 23.12.2024.
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