Jagd zu dem Nahrungserwerb der Eingebornen, welche auch als Pfeilschützen von ihren Gegnern gefürchtet werden 1). Zum Fisch- fang verfertigen sie bewundernswerthe Netze 2) und noch mehr zeichnen sie sich aus durch den zierlichen Schnitt ihrer Kähne, die sie aus Baumstämmen aushöhlen bis die Wände nicht dicker sind, als die einer hölzernen Hutschachtel 3). Mit ihnen wagen sie sich weit auf die See hinaus, um beim Fackelglanze Fische zu speeren. Da ihre Sprache noch undurchforscht ist, war es höchst übereilt, ihnen religiöse Regungen abzusprechen. Unter sich verkehren sie freundlich und liebreich, besonders zärtlich ist die Zuneigung zwischen Eltern und Kindern. Zu den niedrigen Menschenstämmen hat man sie wegen ihrer Nacktheit gerechnet und wahrscheinlich auch, weil sie sich den Landungsversuchen stets mit den Waffen widersetzt haben.
Als Schreckbilder der Menschheit sind von allen Seefahrern die Bewohner der ewig feuchten, gleichmässig kühlen Magalhaens- strasse beschrieben worden. Ihre nächsten ethnographischen Ver- wandten sind die Araucanier, jedenfalls haben wir sie als eine physisch schwache Horde zu denken, die nur in dem unwirthlichen Feuerlande eine Rettung vor stärkeren Bedrängern fand. Zwei Erfindungen, die ihnen ausschliesslich angehören, dürfen uns keinen Zweifel übrig lassen, dass es auch diesen geringsten aller Menschen nicht gänzlich an Scharfsinn fehlt. Wie wir später in dem Abschnitt über die nautischen Leistungen der Küstenbevölkerungen zeigen werden, sind die Feuerländer die einzigen Südamerikaner, die von Ecuador bis zum Cap Horn und von Cap Horn bis weit über den La Plata das Meer in hohlen Baumstämmen befahren. Auf diesen Kähnen unterhalten sie beständig ein Feuer, woher ihr Land und sie selbst ihren Namen von Europäern empfangen haben. Bei der hohen Dampfsättigung der Luft gelingt es nämlich sehr schwer Holz in Brand zu stecken. Der Feuerbohrer würde also seinen Dienst wahrscheinlich versagen und daher gehören die Bewohner der Magalhaens'schen Inselwelt zu den wenigen Menschenstämmen, welche Funken aus Eisenkiesen schlagen und sie in Zunder auf- fangen 4). Ferner befolgen sie bei der Vermehrung ihrer Jagdhunde
1)Frederic Mouat, the Andaman Islanders. London 1863. p. 321.
2) l. c. p. 326.
3) l. c. p. 316--318.
4) W. Parker Snow, Off Tierra del Fuego. London 1857. tom. II, p. 360. Vielleicht haben sie aber diese Erfindung erst den Patagoniern ab-
Die Urzustände des Menschengeschlechtes.
Jagd zu dem Nahrungserwerb der Eingebornen, welche auch als Pfeilschützen von ihren Gegnern gefürchtet werden 1). Zum Fisch- fang verfertigen sie bewundernswerthe Netze 2) und noch mehr zeichnen sie sich aus durch den zierlichen Schnitt ihrer Kähne, die sie aus Baumstämmen aushöhlen bis die Wände nicht dicker sind, als die einer hölzernen Hutschachtel 3). Mit ihnen wagen sie sich weit auf die See hinaus, um beim Fackelglanze Fische zu speeren. Da ihre Sprache noch undurchforscht ist, war es höchst übereilt, ihnen religiöse Regungen abzusprechen. Unter sich verkehren sie freundlich und liebreich, besonders zärtlich ist die Zuneigung zwischen Eltern und Kindern. Zu den niedrigen Menschenstämmen hat man sie wegen ihrer Nacktheit gerechnet und wahrscheinlich auch, weil sie sich den Landungsversuchen stets mit den Waffen widersetzt haben.
Als Schreckbilder der Menschheit sind von allen Seefahrern die Bewohner der ewig feuchten, gleichmässig kühlen Magalhaẽs- strasse beschrieben worden. Ihre nächsten ethnographischen Ver- wandten sind die Araucanier, jedenfalls haben wir sie als eine physisch schwache Horde zu denken, die nur in dem unwirthlichen Feuerlande eine Rettung vor stärkeren Bedrängern fand. Zwei Erfindungen, die ihnen ausschliesslich angehören, dürfen uns keinen Zweifel übrig lassen, dass es auch diesen geringsten aller Menschen nicht gänzlich an Scharfsinn fehlt. Wie wir später in dem Abschnitt über die nautischen Leistungen der Küstenbevölkerungen zeigen werden, sind die Feuerländer die einzigen Südamerikaner, die von Ecuador bis zum Cap Horn und von Cap Horn bis weit über den La Plata das Meer in hohlen Baumstämmen befahren. Auf diesen Kähnen unterhalten sie beständig ein Feuer, woher ihr Land und sie selbst ihren Namen von Europäern empfangen haben. Bei der hohen Dampfsättigung der Luft gelingt es nämlich sehr schwer Holz in Brand zu stecken. Der Feuerbohrer würde also seinen Dienst wahrscheinlich versagen und daher gehören die Bewohner der Magalhaẽs’schen Inselwelt zu den wenigen Menschenstämmen, welche Funken aus Eisenkiesen schlagen und sie in Zunder auf- fangen 4). Ferner befolgen sie bei der Vermehrung ihrer Jagdhunde
1)Frederic Mouat, the Andaman Islanders. London 1863. p. 321.
2) l. c. p. 326.
3) l. c. p. 316—318.
4) W. Parker Snow, Off Tierra del Fuego. London 1857. tom. II, p. 360. Vielleicht haben sie aber diese Erfindung erst den Patagoniern ab-
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Die Urzustände des Menschengeschlechtes.
Jagd zu dem Nahrungserwerb der Eingebornen, welche auch als
Pfeilschützen von ihren Gegnern gefürchtet werden 1). Zum Fisch-
fang verfertigen sie bewundernswerthe Netze 2) und noch mehr
zeichnen sie sich aus durch den zierlichen Schnitt ihrer Kähne, die
sie aus Baumstämmen aushöhlen bis die Wände nicht dicker sind,
als die einer hölzernen Hutschachtel 3). Mit ihnen wagen sie sich
weit auf die See hinaus, um beim Fackelglanze Fische zu speeren.
Da ihre Sprache noch undurchforscht ist, war es höchst übereilt,
ihnen religiöse Regungen abzusprechen. Unter sich verkehren sie
freundlich und liebreich, besonders zärtlich ist die Zuneigung zwischen
Eltern und Kindern. Zu den niedrigen Menschenstämmen hat man sie
wegen ihrer Nacktheit gerechnet und wahrscheinlich auch, weil sie
sich den Landungsversuchen stets mit den Waffen widersetzt haben.
Als Schreckbilder der Menschheit sind von allen Seefahrern
die Bewohner der ewig feuchten, gleichmässig kühlen Magalhaẽs-
strasse beschrieben worden. Ihre nächsten ethnographischen Ver-
wandten sind die Araucanier, jedenfalls haben wir sie als eine
physisch schwache Horde zu denken, die nur in dem unwirthlichen
Feuerlande eine Rettung vor stärkeren Bedrängern fand. Zwei
Erfindungen, die ihnen ausschliesslich angehören, dürfen uns keinen
Zweifel übrig lassen, dass es auch diesen geringsten aller Menschen
nicht gänzlich an Scharfsinn fehlt. Wie wir später in dem Abschnitt
über die nautischen Leistungen der Küstenbevölkerungen zeigen
werden, sind die Feuerländer die einzigen Südamerikaner, die von
Ecuador bis zum Cap Horn und von Cap Horn bis weit über den
La Plata das Meer in hohlen Baumstämmen befahren. Auf diesen
Kähnen unterhalten sie beständig ein Feuer, woher ihr Land und
sie selbst ihren Namen von Europäern empfangen haben. Bei der
hohen Dampfsättigung der Luft gelingt es nämlich sehr schwer
Holz in Brand zu stecken. Der Feuerbohrer würde also seinen
Dienst wahrscheinlich versagen und daher gehören die Bewohner
der Magalhaẽs’schen Inselwelt zu den wenigen Menschenstämmen,
welche Funken aus Eisenkiesen schlagen und sie in Zunder auf-
fangen 4). Ferner befolgen sie bei der Vermehrung ihrer Jagdhunde
1) Frederic Mouat, the Andaman Islanders. London 1863. p. 321.
2) l. c. p. 326.
3) l. c. p. 316—318.
4) W. Parker Snow, Off Tierra del Fuego. London 1857. tom. II,
p. 360. Vielleicht haben sie aber diese Erfindung erst den Patagoniern ab-
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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/169>, abgerufen am 15.08.2024.
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