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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Der Bau der menschlichen Sprache.
vielleicht in späterer Zeit die Verschmelzung der Begrenzungszusätze
(Suffixe) mit dem herrschenden Wort sich gänzlich vollzöge.

Lehrreich ist es daher, dass wir auf einem andern Sprachge-
biete, nämlich bei den nichtarischen Bewohnern Südindiens oder
der Dravidagruppe ebenfalls lautharmonische Gesetze, jedoch mit
rückwärts gerichteter Wirkung antreffen. Dort nämlich tritt der
Vocal der sinnbegrenzenden Sylbe als Herrscher auf und zwingt
den Vocal der vorausgehenden Hauptwurzel, sich mit ihm in Wohl-
klang zu setzen. Die Worte katti Messer und puli Tiger, ver-
wandeln sich durch den Begrenzungszusatz lu, der eine Mehrheit
ausdrückt, nicht in katti-lu und puli-lu, sondern in kattulu die
Messer und pululu die Tiger 1).

Wenn die uralaltaischen Sprachen die sinnbegrenzenden Wur-
zeln stets der Hauptwurzel nachfolgen lassen, also zu den nach-
setzenden (suffigirenden) Sprachen gehören, so finden wir in ganz
Südafrika bis zum Aequator mit einziger Ausnahme der Hotten-
totten und Buschmänner innig verwandte Sprachen, welche sämmt-
lich die sinnbegrenzenden Sylben der Hauptwurzel vorausschicken,
jedoch auch Zusätze (Suffixe) nicht ausschliessen. Wenn wir bei
der Delagoabai an der Ostküste beginnen und nach Süden fort-
schreiten, stossen wir auf Flüsse mit den Namen Um-komanzi, Um-zuti,
Um-kuzi, Um-volosi, Um-hlutane, Um-lazi, Um-gababa, Um-kamazi,
Um-tenta u. s. f. 2) Daraus könnte man schliessen, dass das Präfix
Um Wasser bedeute, wie im Deutschen das Suffix -ach in Namen
wie Bacharach, Aichach, Stockach, Lörrach, Elzach. Doch finden
sich auch südafrikanische Namen für Berge und Ortsnamen, denen
die Sylbe um vorausgeht. Hordennamen werden gebildet durch
die Vorsatzsilbe ma, Ma-tebele, Ma-sai, Ma-kua, Ma-ravi, Ma-kololo,
oder durch das Doppelpräfix a-ma, wie Ama-khosa, Ama-pondo,
Ama-tonga, Ama-zulu, wofür wir setzen könnten: die Leute des
Häuptlings Xosa, Pondo, Tonga, Zulu. Vielleicht gab es in einer nicht
allzugrossen Vergangenheit einen Häuptling Namens Suto, nach ihm
benannten sich die Ba-suto als Leute des Suto, der einzelne hiess ein
Ma-suto, ihr Land nannten sie Le-suto und ihre Sprache Se-suto. Aus
diesem Beispiele erkennen wir, welche sinnbegrenzenden Wirkungen

1) Dr. Friedr. Müller, Reise der Fregatte Novara. Linguistischer
Theil. S. 81.
2) Bacmeister im Ausland. 1871. No. 25. S. 577.

Der Bau der menschlichen Sprache.
vielleicht in späterer Zeit die Verschmelzung der Begrenzungszusätze
(Suffixe) mit dem herrschenden Wort sich gänzlich vollzöge.

Lehrreich ist es daher, dass wir auf einem andern Sprachge-
biete, nämlich bei den nichtarischen Bewohnern Südindiens oder
der Dravidagruppe ebenfalls lautharmonische Gesetze, jedoch mit
rückwärts gerichteter Wirkung antreffen. Dort nämlich tritt der
Vocal der sinnbegrenzenden Sylbe als Herrscher auf und zwingt
den Vocal der vorausgehenden Hauptwurzel, sich mit ihm in Wohl-
klang zu setzen. Die Worte katti Messer und puli Tiger, ver-
wandeln sich durch den Begrenzungszusatz lu, der eine Mehrheit
ausdrückt, nicht in katti-lu und puli-lu, sondern in kattulu die
Messer und pululu die Tiger 1).

Wenn die uralaltaischen Sprachen die sinnbegrenzenden Wur-
zeln stets der Hauptwurzel nachfolgen lassen, also zu den nach-
setzenden (suffigirenden) Sprachen gehören, so finden wir in ganz
Südafrika bis zum Aequator mit einziger Ausnahme der Hotten-
totten und Buschmänner innig verwandte Sprachen, welche sämmt-
lich die sinnbegrenzenden Sylben der Hauptwurzel vorausschicken,
jedoch auch Zusätze (Suffixe) nicht ausschliessen. Wenn wir bei
der Delagoabai an der Ostküste beginnen und nach Süden fort-
schreiten, stossen wir auf Flüsse mit den Namen Um-komanzi, Um-zuti,
Um-kuzi, Um-volosi, Um-hlutane, Um-lazi, Um-gababa, Um-kamazi,
Um-tenta u. s. f. 2) Daraus könnte man schliessen, dass das Präfix
Um Wasser bedeute, wie im Deutschen das Suffix -ach in Namen
wie Bacharach, Aichach, Stockach, Lörrach, Elzach. Doch finden
sich auch südafrikanische Namen für Berge und Ortsnamen, denen
die Sylbe um vorausgeht. Hordennamen werden gebildet durch
die Vorsatzsilbe ma, Ma-tebele, Ma-sai, Ma-kua, Ma-ravi, Ma-kololo,
oder durch das Doppelpräfix a-ma, wie Ama-χosa, Ama-pondo,
Ama-tonga, Ama-zulu, wofür wir setzen könnten: die Leute des
Häuptlings Xosa, Pondo, Tonga, Zulu. Vielleicht gab es in einer nicht
allzugrossen Vergangenheit einen Häuptling Namens Suto, nach ihm
benannten sich die Ba-suto als Leute des Suto, der einzelne hiess ein
Ma-suto, ihr Land nannten sie Le-suto und ihre Sprache Se-suto. Aus
diesem Beispiele erkennen wir, welche sinnbegrenzenden Wirkungen

1) Dr. Friedr. Müller, Reise der Fregatte Novara. Linguistischer
Theil. S. 81.
2) Bacmeister im Ausland. 1871. No. 25. S. 577.
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[125/0143] Der Bau der menschlichen Sprache. vielleicht in späterer Zeit die Verschmelzung der Begrenzungszusätze (Suffixe) mit dem herrschenden Wort sich gänzlich vollzöge. Lehrreich ist es daher, dass wir auf einem andern Sprachge- biete, nämlich bei den nichtarischen Bewohnern Südindiens oder der Dravidagruppe ebenfalls lautharmonische Gesetze, jedoch mit rückwärts gerichteter Wirkung antreffen. Dort nämlich tritt der Vocal der sinnbegrenzenden Sylbe als Herrscher auf und zwingt den Vocal der vorausgehenden Hauptwurzel, sich mit ihm in Wohl- klang zu setzen. Die Worte katti Messer und puli Tiger, ver- wandeln sich durch den Begrenzungszusatz lu, der eine Mehrheit ausdrückt, nicht in katti-lu und puli-lu, sondern in kattulu die Messer und pululu die Tiger 1). Wenn die uralaltaischen Sprachen die sinnbegrenzenden Wur- zeln stets der Hauptwurzel nachfolgen lassen, also zu den nach- setzenden (suffigirenden) Sprachen gehören, so finden wir in ganz Südafrika bis zum Aequator mit einziger Ausnahme der Hotten- totten und Buschmänner innig verwandte Sprachen, welche sämmt- lich die sinnbegrenzenden Sylben der Hauptwurzel vorausschicken, jedoch auch Zusätze (Suffixe) nicht ausschliessen. Wenn wir bei der Delagoabai an der Ostküste beginnen und nach Süden fort- schreiten, stossen wir auf Flüsse mit den Namen Um-komanzi, Um-zuti, Um-kuzi, Um-volosi, Um-hlutane, Um-lazi, Um-gababa, Um-kamazi, Um-tenta u. s. f. 2) Daraus könnte man schliessen, dass das Präfix Um Wasser bedeute, wie im Deutschen das Suffix -ach in Namen wie Bacharach, Aichach, Stockach, Lörrach, Elzach. Doch finden sich auch südafrikanische Namen für Berge und Ortsnamen, denen die Sylbe um vorausgeht. Hordennamen werden gebildet durch die Vorsatzsilbe ma, Ma-tebele, Ma-sai, Ma-kua, Ma-ravi, Ma-kololo, oder durch das Doppelpräfix a-ma, wie Ama-χosa, Ama-pondo, Ama-tonga, Ama-zulu, wofür wir setzen könnten: die Leute des Häuptlings Xosa, Pondo, Tonga, Zulu. Vielleicht gab es in einer nicht allzugrossen Vergangenheit einen Häuptling Namens Suto, nach ihm benannten sich die Ba-suto als Leute des Suto, der einzelne hiess ein Ma-suto, ihr Land nannten sie Le-suto und ihre Sprache Se-suto. Aus diesem Beispiele erkennen wir, welche sinnbegrenzenden Wirkungen 1) Dr. Friedr. Müller, Reise der Fregatte Novara. Linguistischer Theil. S. 81. 2) Bacmeister im Ausland. 1871. No. 25. S. 577.

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/143>, abgerufen am 23.12.2024.