einer sagen: Man muß also GOTT alles bringen, was man hat? Man bringe nicht alles, wenn man nicht ver- meinet, man sey alles schuldig, was man hat. Ja man müste die Güther auf eine solche Weise darreichen/ daß man dafür hält, man habe in diesem mehr, was man GOtt überlassen, als was man zuvor gehabt. Denn was die Men- schen haben, ist zeitlich; was man aber GOtt überläst, ist ewig. Wenn man am besten versichert seyn wolte/ daß die Sün- den erlassen wären/ so müste man alles/ was man hätte/ dahin geben. Dieses ist wiederum Saluiani Philosophiec). Es möchte einer sagen, man müste alles bringen. Jch aber sage, daß dieses alles ein weniges ist. Denn weißt jemand, ob die Gaben das Maaß der Sünde abtragen? Weißt jemand, ob die Versöhnung so groß als die Beleidigung ist? Weißt ein Mensch, mit wie viel er seine Sünden bezahlen könne, so brauche er sich zur Auslösung solcher Wissenschafft. Weißt er es aber nicht, warum solte er nicht so viel zur Gabe brin- gen, als er kan? Und wenn er die Sünden nach der Grösse des Werths nicht abtragen kan, so mag er es nur nach der Fröm- migkeit des Gemüthes thun. Wenn alle Leute solchen Vorstellungen Platz gegeben/ so würde die Clerisey alle Gü- ter an sich gebracht haben. Die Layen hätten so dann ein- zig und allein ihrer Gnade leben müssen. Saluianus hat an
sich
quae Deo relinquit, praestari aestimet, quam in illis, quae prius ha- buit. Quia hoc quod habetur ab homine temporarium est: quod autem Deo relinquitur, sempiternum.
c)Idem cit. l. Totum inquit aliquis oblaturus est? At ego dico, esse hoc totum parum. Quid enim jam scit aliquis, an peccato- rum mensuram oblata compensent? Jam scit aliquis, an tantum sit in officio placationis, quantum est in offensione discriminis? Si nouit quisquam hominum peccatorum, quanta redimere deli- cta possit, vtatur scientia ad redemptionem. Si vero nescit; cur non tantum offerat, quantum potest? vt si compensare peccata non valet pretii magnitudine, saltim mentis deuotione com- penset.
d) Sal-
m m 2
Beicht-Pfennig.
einer ſagen: Man muß alſo GOTT alles bringen, was man hat? Man bringe nicht alles, wenn man nicht ver- meinet, man ſey alles ſchuldig, was man hat. Ja man muͤſte die Guͤther auf eine ſolche Weiſe darreichen/ daß man dafuͤr haͤlt, man habe in dieſem mehr, was man GOtt uͤberlaſſen, als was man zuvor gehabt. Denn was die Men- ſchen haben, iſt zeitlich; was man aber GOtt uͤberlaͤſt, iſt ewig. Wenn man am beſten verſichert ſeyn wolte/ daß die Suͤn- den erlaſſen waͤren/ ſo muͤſte man alles/ was man haͤtte/ dahin geben. Dieſes iſt wiederum Saluiani Philoſophiec). Es moͤchte einer ſagen, man muͤſte alles bringen. Jch aber ſage, daß dieſes alles ein weniges iſt. Denn weißt jemand, ob die Gaben das Maaß der Suͤnde abtragen? Weißt jemand, ob die Verſoͤhnung ſo groß als die Beleidigung iſt? Weißt ein Menſch, mit wie viel er ſeine Suͤnden bezahlen koͤnne, ſo brauche er ſich zur Ausloͤſung ſolcher Wiſſenſchafft. Weißt er es aber nicht, warum ſolte er nicht ſo viel zur Gabe brin- gen, als er kan? Und wenn er die Suͤnden nach der Groͤſſe des Werths nicht abtragen kan, ſo mag er es nur nach der Froͤm- migkeit des Gemuͤthes thun. Wenn alle Leute ſolchen Vorſtellungen Platz gegeben/ ſo wuͤrde die Cleriſey alle Guͤ- ter an ſich gebracht haben. Die Layen haͤtten ſo dann ein- zig und allein ihrer Gnade leben muͤſſen. Saluianus hat an
ſich
quæ Deo relinquit, præſtari æſtimet, quam in illis, quæ prius ha- buit. Quia hoc quod habetur ab homine temporarium eſt: quod autem Deo relinquitur, ſempiternum.
c)Idem cit. l. Totum inquit aliquis oblaturus eſt? At ego dico, eſſe hoc totum parum. Quid enim jam ſcit aliquis, an peccato- rum menſuram oblata compenſent? Jam ſcit aliquis, an tantum ſit in officio placationis, quantum eſt in offenſione diſcriminis? Si nouit quisquam hominum peccatorum, quanta redimere deli- cta posſit, vtatur ſcientia ad redemptionem. Si vero neſcit; cur non tantum offerat, quantum poteſt? vt ſi compenſare peccata non valet pretii magnitudine, ſaltim mentis deuotione com- penſet.
d) Sal-
m m 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0294"n="275"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Beicht-Pfennig.</hi></fw><lb/><hirendition="#fr">einer ſagen: Man muß alſo <hirendition="#g">GOTT</hi> alles bringen, was<lb/>
man hat? Man bringe nicht alles, wenn man nicht ver-<lb/>
meinet, man ſey alles ſchuldig, was man hat.</hi> Ja<lb/>
man muͤſte die Guͤther auf eine ſolche Weiſe darreichen/<lb/><hirendition="#fr">daß man dafuͤr haͤlt, man habe in dieſem mehr, was man GOtt<lb/>
uͤberlaſſen, als was man zuvor gehabt. Denn was die Men-<lb/>ſchen haben, iſt zeitlich; was man aber GOtt uͤberlaͤſt, iſt ewig.</hi><lb/>
Wenn man am beſten verſichert ſeyn wolte/ daß die Suͤn-<lb/>
den erlaſſen waͤren/ ſo muͤſte man alles/ was man haͤtte/<lb/>
dahin geben. Dieſes iſt wiederum <hirendition="#aq">Saluiani Philoſophie</hi><noteplace="foot"n="c)"><hirendition="#aq">Idem <hirendition="#i">cit. l.</hi> Totum inquit aliquis oblaturus eſt? At ego dico,</hi><noteplace="right">Die Gaben t<supplied>il</supplied>-<lb/>
gen die Suͤn-<lb/>
den.</note><lb/><hirendition="#aq">eſſe hoc totum parum. Quid enim jam ſcit aliquis, an peccato-<lb/>
rum menſuram oblata compenſent? Jam ſcit aliquis, an tantum<lb/>ſit in officio placationis, quantum eſt in offenſione diſcriminis?<lb/>
Si nouit quisquam hominum peccatorum, quanta redimere deli-<lb/>
cta posſit, vtatur ſcientia ad redemptionem. Si vero neſcit; cur<lb/>
non tantum offerat, quantum poteſt? vt ſi compenſare peccata<lb/>
non valet pretii magnitudine, ſaltim mentis deuotione com-<lb/>
penſet.</hi><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#aq">d) Sal-</hi></fw></note>.<lb/><hirendition="#fr">Es moͤchte einer ſagen, man muͤſte alles bringen. Jch aber<lb/>ſage, daß dieſes alles ein weniges iſt. Denn weißt jemand, ob<lb/>
die Gaben das Maaß der Suͤnde abtragen? Weißt jemand,<lb/>
ob die Verſoͤhnung ſo groß als die Beleidigung iſt? Weißt<lb/>
ein Menſch, mit wie viel er ſeine Suͤnden bezahlen koͤnne, ſo<lb/>
brauche er ſich zur Ausloͤſung ſolcher Wiſſenſchafft. Weißt<lb/>
er es aber nicht, warum ſolte er nicht ſo viel zur Gabe brin-<lb/>
gen, als er kan? Und wenn er die Suͤnden nach der Groͤſſe des<lb/>
Werths nicht abtragen kan, ſo mag er es nur nach der Froͤm-<lb/>
migkeit des Gemuͤthes thun.</hi> Wenn alle Leute ſolchen<lb/>
Vorſtellungen Platz gegeben/ ſo wuͤrde die <hirendition="#aq">Cleri</hi>ſey alle Guͤ-<lb/>
ter an ſich gebracht haben. Die Layen haͤtten ſo dann ein-<lb/>
zig und allein ihrer Gnade leben muͤſſen. <hirendition="#aq">Saluianus</hi> hat an<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſich</fw><lb/><notexml:id="h71"prev="#h70"place="foot"n="(b)"><hirendition="#aq">quæ Deo relinquit, præſtari æſtimet, quam in illis, quæ prius ha-<lb/>
buit. Quia hoc quod habetur ab homine temporarium eſt:<lb/>
quod autem Deo relinquitur, ſempiternum.</hi></note><lb/><fwplace="bottom"type="sig">m m 2</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[275/0294]
Beicht-Pfennig.
einer ſagen: Man muß alſo GOTT alles bringen, was
man hat? Man bringe nicht alles, wenn man nicht ver-
meinet, man ſey alles ſchuldig, was man hat. Ja
man muͤſte die Guͤther auf eine ſolche Weiſe darreichen/
daß man dafuͤr haͤlt, man habe in dieſem mehr, was man GOtt
uͤberlaſſen, als was man zuvor gehabt. Denn was die Men-
ſchen haben, iſt zeitlich; was man aber GOtt uͤberlaͤſt, iſt ewig.
Wenn man am beſten verſichert ſeyn wolte/ daß die Suͤn-
den erlaſſen waͤren/ ſo muͤſte man alles/ was man haͤtte/
dahin geben. Dieſes iſt wiederum Saluiani Philoſophie c).
Es moͤchte einer ſagen, man muͤſte alles bringen. Jch aber
ſage, daß dieſes alles ein weniges iſt. Denn weißt jemand, ob
die Gaben das Maaß der Suͤnde abtragen? Weißt jemand,
ob die Verſoͤhnung ſo groß als die Beleidigung iſt? Weißt
ein Menſch, mit wie viel er ſeine Suͤnden bezahlen koͤnne, ſo
brauche er ſich zur Ausloͤſung ſolcher Wiſſenſchafft. Weißt
er es aber nicht, warum ſolte er nicht ſo viel zur Gabe brin-
gen, als er kan? Und wenn er die Suͤnden nach der Groͤſſe des
Werths nicht abtragen kan, ſo mag er es nur nach der Froͤm-
migkeit des Gemuͤthes thun. Wenn alle Leute ſolchen
Vorſtellungen Platz gegeben/ ſo wuͤrde die Cleriſey alle Guͤ-
ter an ſich gebracht haben. Die Layen haͤtten ſo dann ein-
zig und allein ihrer Gnade leben muͤſſen. Saluianus hat an
ſich
(b)
c) Idem cit. l. Totum inquit aliquis oblaturus eſt? At ego dico,
eſſe hoc totum parum. Quid enim jam ſcit aliquis, an peccato-
rum menſuram oblata compenſent? Jam ſcit aliquis, an tantum
ſit in officio placationis, quantum eſt in offenſione diſcriminis?
Si nouit quisquam hominum peccatorum, quanta redimere deli-
cta posſit, vtatur ſcientia ad redemptionem. Si vero neſcit; cur
non tantum offerat, quantum poteſt? vt ſi compenſare peccata
non valet pretii magnitudine, ſaltim mentis deuotione com-
penſet.
d) Sal-
(b) quæ Deo relinquit, præſtari æſtimet, quam in illis, quæ prius ha-
buit. Quia hoc quod habetur ab homine temporarium eſt:
quod autem Deo relinquitur, ſempiternum.
m m 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/294>, abgerufen am 20.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.