Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.II. Abth. I. Cap. Von Erwehlung soll/ was sich gebühret/ so kan ich nicht leugnen/ daß ich da-für halte/ solches Zwang-Recht solte aus denen Evangeli- schen Kirchen gäntzlich verwiesen und verbannet seyn. Die Erfahrung aber wird einen jeden lehren/ daß die Papisten nicht alleine solche abgeschmackte und nichts würdige Prin- cipia hegen. Die Protestirenden machen es gemeiniglich nicht besser. Sie sind noch so treuhertzig/ und beruffen sich auf die Canonisten/ wenn sie ihren Satz beweisen wollen. Woher kommt dieses? Vormahls haben die Juristen sich we- nig oder gar nicht auf die Kirchen-Historie geleget. Auf diese Weise kunten sie die Sachen nicht recht beurtheilen. Sie schrieben also darnieder, was sie bey andern gefunden c). §. VI. Ursache haben müste, 2) daß Erlaubnüß verlanget, und solche auch erhalten werde. Denn wenn man ohne Ursache bey einem an- dern beichtet, so hat es das Ansehen, daß man seinen Pfarrer verach- tet. Dadurch aber versündigte man sich. Diese Unerfahrenheit aber seines eignen Pfarrers soll eine Ursache seyn, daß man zu einem andern gehen kan. vid. cit. can. 3. Von der Erlaubnüß melden sie dieses, es sey nicht genug, daß ich solche verlanget, son- dern ich müste dieselbe auch erhalten haben. Marqa cit. l. n. 484. Es ist eine recht artige Philosophie. Wenn ich nun zu meinem Pfarrer käme und sagte: Lieber Herr, ich halte euch vor unge- schickt, gebt mir doch Erlaubnüß, bey einem andern zu beichten. Wie solte er mir die Wege weisen. Allein sie sagen, es sey genug, wenn man von dem Papst die Erlaubnüß bey einem andern zu beichten erhalten. Marqa cit. l. n. 496. c) Meinung der
Protestiren- den.Viele Protestirende schlendern mit denen Papisten auf einem Weg fort. Unter andern hat solches der berühmte Tübingische Jurist, Harprecht cons. LV. n. 293. gethan. Er raisonniret über den ge- dachten Punct mit denen Canonisten auf einen Schlag. Sein Beweiß ist aus dem jure canonico hergenommen, wie er sich denn auf das c. 2. X. de Paroch. und c. 12. X. de poenit. & remiss. beruffet. Seine Meinung beweiset er so dann ferner aus Carpzovio, De- deken- II. Abth. I. Cap. Von Erwehlung ſoll/ was ſich gebuͤhret/ ſo kan ich nicht leugnen/ daß ich da-fuͤr halte/ ſolches Zwang-Recht ſolte aus denen Evangeli- ſchen Kirchen gaͤntzlich verwieſen und verbannet ſeyn. Die Erfahrung aber wird einen jeden lehren/ daß die Papiſten nicht alleine ſolche abgeſchmackte und nichts wuͤrdige Prin- cipia hegen. Die Proteſtirenden machen es gemeiniglich nicht beſſer. Sie ſind noch ſo treuhertzig/ und beruffen ſich auf die Canoniſten/ wenn ſie ihren Satz beweiſen wollen. Woher kommt dieſes? Vormahls haben die Juriſten ſich we- nig oder gar nicht auf die Kirchen-Hiſtorie geleget. Auf dieſe Weiſe kunten ſie die Sachen nicht recht beurtheilen. Sie ſchrieben alſo darnieder, was ſie bey andern gefunden c). §. VI. Urſache haben muͤſte, 2) daß Erlaubnuͤß verlanget, und ſolche auch erhalten werde. Denn wenn man ohne Urſache bey einem an- dern beichtet, ſo hat es das Anſehen, daß man ſeinen Pfarrer verach- tet. Dadurch aber verſuͤndigte man ſich. Dieſe Unerfahrenheit aber ſeines eignen Pfarrers ſoll eine Urſache ſeyn, daß man zu einem andern gehen kan. vid. cit. can. 3. Von der Erlaubnuͤß melden ſie dieſes, es ſey nicht genug, daß ich ſolche verlanget, ſon- dern ich muͤſte dieſelbe auch erhalten haben. Marqa cit. l. n. 484. Es iſt eine recht artige Philoſophie. Wenn ich nun zu meinem Pfarrer kaͤme und ſagte: Lieber Herr, ich halte euch vor unge- ſchickt, gebt mir doch Erlaubnuͤß, bey einem andern zu beichten. Wie ſolte er mir die Wege weiſen. Allein ſie ſagen, es ſey genug, wenn man von dem Papſt die Erlaubnuͤß bey einem andern zu beichten erhalten. Marqa cit. l. n. 496. c) Meinung der
Proteſtiren- den.Viele Proteſtirende ſchlendern mit denen Papiſten auf einem Weg fort. Unter andern hat ſolches der beruͤhmte Tuͤbingiſche Juriſt, Harprecht conſ. LV. n. 293. gethan. Er raiſonniret uͤber den ge- dachten Punct mit denen Canoniſten auf einen Schlag. Sein Beweiß iſt aus dem jure canonico hergenommen, wie er ſich denn auf das c. 2. X. de Paroch. und c. 12. X. de pœnit. & remiſſ. beruffet. Seine Meinung beweiſet er ſo dann ferner aus Carpzovio, De- deken- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0209" n="190"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II.</hi> Abth. <hi rendition="#aq">I.</hi> Cap. Von Erwehlung</hi></fw><lb/> ſoll/ was ſich gebuͤhret/ ſo kan ich nicht leugnen/ daß ich da-<lb/> fuͤr halte/ ſolches <hi rendition="#fr">Zwang-Recht</hi> ſolte aus denen Evangeli-<lb/> ſchen Kirchen gaͤntzlich verwieſen und verbannet ſeyn. Die<lb/> Erfahrung aber wird einen jeden lehren/ daß die Papiſten<lb/> nicht alleine ſolche abgeſchmackte und nichts wuͤrdige <hi rendition="#aq">Prin-<lb/> cipia</hi> hegen. Die <hi rendition="#aq">Proteſti</hi>renden machen es gemeiniglich<lb/> nicht beſſer. Sie ſind noch ſo treuhertzig/ und beruffen ſich<lb/> auf die Canoniſten/ wenn ſie ihren Satz beweiſen wollen.<lb/> Woher kommt dieſes? Vormahls haben die <hi rendition="#aq">Juri</hi>ſten ſich we-<lb/> nig oder gar nicht auf die Kirchen-Hiſtorie geleget. Auf<lb/> dieſe Weiſe kunten ſie die Sachen nicht recht beurtheilen.<lb/> Sie ſchrieben alſo darnieder, was ſie bey andern gefunden <note xml:id="g82" next="#g83" place="foot" n="c)"><note place="left">Meinung der<lb/><hi rendition="#aq">Proteſti</hi>ren-<lb/> den.</note>Viele <hi rendition="#aq">Proteſti</hi>rende ſchlendern mit denen Papiſten auf einem Weg<lb/> fort. Unter andern hat ſolches der beruͤhmte Tuͤbingiſche Juriſt,<lb/><hi rendition="#aq">Harprecht <hi rendition="#i">conſ. LV. n. 293.</hi></hi> gethan. Er <hi rendition="#aq">raiſonni</hi>ret uͤber den ge-<lb/> dachten Punct mit denen Canoniſten auf einen Schlag. Sein<lb/> Beweiß iſt aus dem <hi rendition="#aq">jure canonico</hi> hergenommen, wie er ſich denn<lb/> auf das <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">c. 2. X. de Paroch.</hi></hi> und <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">c. 12. X. de pœnit. & remiſſ.</hi></hi> beruffet.<lb/> Seine Meinung beweiſet er ſo dann ferner aus <hi rendition="#aq">Carpzovio, De-</hi><lb/> <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">deken-</hi></fw></note>.</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">§. <hi rendition="#aq">VI.</hi></fw><lb/> <p> <note xml:id="g81" prev="#g80" place="foot" n="(b)"><hi rendition="#fr">Urſache</hi> haben muͤſte, 2) daß <hi rendition="#fr">Erlaubnuͤß</hi> verlanget, und ſolche<lb/> auch erhalten werde. Denn wenn man ohne Urſache bey einem an-<lb/> dern beichtet, ſo hat es das Anſehen, daß man ſeinen Pfarrer verach-<lb/> tet. Dadurch aber verſuͤndigte man ſich. Dieſe <hi rendition="#fr">Unerfahrenheit</hi><lb/> aber ſeines eignen Pfarrers ſoll eine Urſache ſeyn, daß man zu<lb/> einem andern gehen kan. <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">vid. cit. can.</hi> 3.</hi> Von der <hi rendition="#fr">Erlaubnuͤß</hi><lb/> melden ſie dieſes, es ſey nicht genug, daß ich ſolche verlanget, ſon-<lb/> dern ich muͤſte dieſelbe auch erhalten haben. <hi rendition="#aq">Marqa <hi rendition="#i">cit. l. n. 484.</hi></hi><lb/> Es iſt eine recht artige <hi rendition="#aq">Philoſophie.</hi> Wenn ich nun zu meinem<lb/> Pfarrer kaͤme und ſagte: Lieber Herr, ich halte euch vor unge-<lb/> ſchickt, gebt mir doch Erlaubnuͤß, bey einem andern zu beichten.<lb/> Wie ſolte er mir die Wege weiſen. Allein ſie ſagen, es ſey genug,<lb/> wenn man von dem Papſt die Erlaubnuͤß bey einem andern zu<lb/> beichten erhalten. <hi rendition="#aq">Marqa <hi rendition="#i">cit. l. n. 496.</hi></hi></note> </p> </div><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [190/0209]
II. Abth. I. Cap. Von Erwehlung
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fuͤr halte/ ſolches Zwang-Recht ſolte aus denen Evangeli-
ſchen Kirchen gaͤntzlich verwieſen und verbannet ſeyn. Die
Erfahrung aber wird einen jeden lehren/ daß die Papiſten
nicht alleine ſolche abgeſchmackte und nichts wuͤrdige Prin-
cipia hegen. Die Proteſtirenden machen es gemeiniglich
nicht beſſer. Sie ſind noch ſo treuhertzig/ und beruffen ſich
auf die Canoniſten/ wenn ſie ihren Satz beweiſen wollen.
Woher kommt dieſes? Vormahls haben die Juriſten ſich we-
nig oder gar nicht auf die Kirchen-Hiſtorie geleget. Auf
dieſe Weiſe kunten ſie die Sachen nicht recht beurtheilen.
Sie ſchrieben alſo darnieder, was ſie bey andern gefunden c).
§. VI.
(b)
c) Viele Proteſtirende ſchlendern mit denen Papiſten auf einem Weg
fort. Unter andern hat ſolches der beruͤhmte Tuͤbingiſche Juriſt,
Harprecht conſ. LV. n. 293. gethan. Er raiſonniret uͤber den ge-
dachten Punct mit denen Canoniſten auf einen Schlag. Sein
Beweiß iſt aus dem jure canonico hergenommen, wie er ſich denn
auf das c. 2. X. de Paroch. und c. 12. X. de pœnit. & remiſſ. beruffet.
Seine Meinung beweiſet er ſo dann ferner aus Carpzovio, De-
deken-
(b) Urſache haben muͤſte, 2) daß Erlaubnuͤß verlanget, und ſolche
auch erhalten werde. Denn wenn man ohne Urſache bey einem an-
dern beichtet, ſo hat es das Anſehen, daß man ſeinen Pfarrer verach-
tet. Dadurch aber verſuͤndigte man ſich. Dieſe Unerfahrenheit
aber ſeines eignen Pfarrers ſoll eine Urſache ſeyn, daß man zu
einem andern gehen kan. vid. cit. can. 3. Von der Erlaubnuͤß
melden ſie dieſes, es ſey nicht genug, daß ich ſolche verlanget, ſon-
dern ich muͤſte dieſelbe auch erhalten haben. Marqa cit. l. n. 484.
Es iſt eine recht artige Philoſophie. Wenn ich nun zu meinem
Pfarrer kaͤme und ſagte: Lieber Herr, ich halte euch vor unge-
ſchickt, gebt mir doch Erlaubnuͤß, bey einem andern zu beichten.
Wie ſolte er mir die Wege weiſen. Allein ſie ſagen, es ſey genug,
wenn man von dem Papſt die Erlaubnuͤß bey einem andern zu
beichten erhalten. Marqa cit. l. n. 496.
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