Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.

Bild:
<< vorherige Seite

eines gewissen Beicht-Vaters.
sentlichen Stücken der Busse nicht zuzehlen/ die Genugthuungniemand
sich selbst
absoluiren
könne, wird
in etwas er-
wogen.

aber der Wercke völlig verwerffen. Nichts destoweniger
aber vertheydigen sie dennoch: Es könne sich niemand selbst
absolviren. Dahero kommt es auch/ daß ein Priester den an-
dern wiederum zum Beicht-Vater annimmt. Carpzovs
raison
habe nur in vorhergehenden Noten beygebracht. Al-
lein wenn ich nun die gemeine Meinung annehme/ so prae-
senti
ren ja unsere Geistlichen in dem Actu absolutionis mehr
als einerley. Denn wenn sie die Sünde vergeben/ so thun
sie solches an GOttes statt. Sie sind keine schlechte Men-
schen/ was man ihnen beichtet/ entdecket man GOtt. GOtt
redet durch sie/ GOtt absoluiret durch sie a). Bey derglei-
chen Zustand aber bleiben sie dennoch sündige Menschen.
Diese bedürffen der absolution. Da sie nun an GOttes
statt als Beicht-Väter sitzen/ und dennoch sündige Menschen

ver-
a) Damit man mir hier nicht eine Meinung andichte, welche ichErläuterung
wegen einer zu
machenden ob-
jection.

nimmermehr hege, und mich einer contradiction beschuldige, so
muß ich erinnern, daß ich dieses nur kat' anthropon geschrieben.
Denn wenn die Worte, so Christus gesprochen: Welchen ihr die
Sünde vergebet, denen sind sie vergeben
&c. alle Priester
angehen, wenn diese ferner währender Beichte und absolution
nicht als blosse Menschen, sondern an GOttes statt da sitzen, so
kan es nicht anders seyn, als daß sie sich auch von ihren Sünden
absoluiren können. Der Carpzovius, von welchem ich in man-
chen Dingen gar viel halte, hat solches nicht erwogen, sonst wür-
de er vielleicht auch gesehen haben, woher es kommt, daß man
insgemein vorgiebt: Niemand könne sich selbst absoluiren. Man
darff es auch diesem Mann nicht vor übel auslegen. Er ware mit
zu vielen Verrichtungen beladen. Diese verhinderten, daß er das
wenigste, was er in dem Kirchen-Recht geschrieben, wohl hat über-
legen können. Uber dieses, so ware er kein sonderlicher Held in
der Kirchen-Historie. Er liesse sich damit begnügen, die Meinun-
gen derer Canonisten in die fora der Protestirenden einzuführen.
a) Con-
(Recht der Beicht-Stühle.) a a

eines gewiſſen Beicht-Vaters.
ſentlichen Stuͤcken der Buſſe nicht zuzehlen/ die Genugthuungniemand
ſich ſelbſt
abſoluiren
koͤnne, wird
in etwas eꝛ-
wogen.

aber der Wercke voͤllig verwerffen. Nichts deſtoweniger
aber vertheydigen ſie dennoch: Es koͤnne ſich niemand ſelbſt
abſolviren. Dahero kommt es auch/ daß ein Prieſter den an-
dern wiederum zum Beicht-Vater annimmt. Carpzovs
raiſon
habe nur in vorhergehenden Noten beygebracht. Al-
lein wenn ich nun die gemeine Meinung annehme/ ſo præ-
ſenti
ren ja unſere Geiſtlichen in dem Actu abſolutionis mehr
als einerley. Denn wenn ſie die Suͤnde vergeben/ ſo thun
ſie ſolches an GOttes ſtatt. Sie ſind keine ſchlechte Men-
ſchen/ was man ihnen beichtet/ entdecket man GOtt. GOtt
redet durch ſie/ GOtt abſoluiret durch ſie a). Bey derglei-
chen Zuſtand aber bleiben ſie dennoch ſuͤndige Menſchen.
Dieſe beduͤrffen der abſolution. Da ſie nun an GOttes
ſtatt als Beicht-Vaͤter ſitzen/ und dennoch ſuͤndige Menſchen

ver-
a) Damit man mir hier nicht eine Meinung andichte, welche ichErlaͤuterung
wegen einer zu
machenden ob-
jection.

nimmermehr hege, und mich einer contradiction beſchuldige, ſo
muß ich erinnern, daß ich dieſes nur κατ᾽ ἄνϑρωπον geſchrieben.
Denn wenn die Worte, ſo Chriſtus geſprochen: Welchen ihr die
Suͤnde vergebet, denen ſind ſie vergeben
&c. alle Prieſter
angehen, wenn dieſe ferner waͤhrender Beichte und abſolution
nicht als bloſſe Menſchen, ſondern an GOttes ſtatt da ſitzen, ſo
kan es nicht anders ſeyn, als daß ſie ſich auch von ihren Suͤnden
abſoluiren koͤnnen. Der Carpzovius, von welchem ich in man-
chen Dingen gar viel halte, hat ſolches nicht erwogen, ſonſt wuͤr-
de er vielleicht auch geſehen haben, woher es kommt, daß man
insgemein vorgiebt: Niemand koͤnne ſich ſelbſt abſoluiren. Man
darff es auch dieſem Mann nicht vor uͤbel auslegen. Er ware mit
zu vielen Verrichtungen beladen. Dieſe verhinderten, daß er das
wenigſte, was er in dem Kirchen-Recht geſchrieben, wohl hat uͤber-
legen koͤnnen. Uber dieſes, ſo ware er kein ſonderlicher Held in
der Kirchen-Hiſtorie. Er lieſſe ſich damit begnuͤgen, die Meinun-
gen derer Canoniſten in die fora der Proteſtirenden einzufuͤhren.
a) Con-
(Recht der Beicht-Stuͤhle.) a a
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0204" n="185"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">eines gewi&#x017F;&#x017F;en Beicht-Vaters.</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">&#x017F;entlichen Stu&#x0364;cken</hi> der Bu&#x017F;&#x017F;e nicht zuzehlen/ die Genugthuung<note place="right">niemand<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t<lb/><hi rendition="#aq">ab&#x017F;olui</hi>ren<lb/>
ko&#x0364;nne, wird<lb/>
in etwas e&#xA75B;-<lb/>
wogen.</note><lb/>
aber der Wercke vo&#x0364;llig verwerffen. Nichts de&#x017F;toweniger<lb/>
aber vertheydigen &#x017F;ie dennoch: <hi rendition="#fr">Es ko&#x0364;nne &#x017F;ich niemand &#x017F;elb&#x017F;t</hi><lb/><hi rendition="#aq">ab&#x017F;olvi</hi>ren. Dahero kommt es auch/ daß ein Prie&#x017F;ter den an-<lb/>
dern wiederum zum Beicht-Vater annimmt. <hi rendition="#aq">Carpzovs<lb/>
rai&#x017F;on</hi> habe nur in vorhergehenden Noten beygebracht. Al-<lb/>
lein wenn ich nun die gemeine Meinung annehme/ &#x017F;o <hi rendition="#aq">præ-<lb/>
&#x017F;enti</hi>ren ja un&#x017F;ere Gei&#x017F;tlichen in dem <hi rendition="#aq">Actu ab&#x017F;olutionis</hi> mehr<lb/>
als einerley. Denn wenn &#x017F;ie die Su&#x0364;nde vergeben/ &#x017F;o thun<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;olches an <hi rendition="#fr">GOttes &#x017F;tatt.</hi> Sie &#x017F;ind keine &#x017F;chlechte Men-<lb/>
&#x017F;chen/ was man ihnen beichtet/ entdecket man GOtt. GOtt<lb/>
redet durch &#x017F;ie/ GOtt <hi rendition="#aq">ab&#x017F;olui</hi>ret durch &#x017F;ie <note place="foot" n="a)">Damit man mir hier nicht eine Meinung andichte, welche ich<note place="right">Erla&#x0364;uterung<lb/>
wegen einer zu<lb/>
machenden <hi rendition="#aq">ob-<lb/>
jection.</hi></note><lb/>
nimmermehr hege, und mich <hi rendition="#fr">einer</hi> <hi rendition="#aq">contradiction</hi> be&#x017F;chuldige, &#x017F;o<lb/>
muß ich erinnern, daß ich die&#x017F;es nur &#x03BA;&#x03B1;&#x03C4;&#x1FBD; &#x1F04;&#x03BD;&#x03D1;&#x03C1;&#x03C9;&#x03C0;&#x03BF;&#x03BD; ge&#x017F;chrieben.<lb/>
Denn wenn die Worte, &#x017F;o Chri&#x017F;tus ge&#x017F;prochen: <hi rendition="#fr">Welchen ihr die<lb/>
Su&#x0364;nde vergebet, denen &#x017F;ind &#x017F;ie vergeben</hi> <hi rendition="#aq">&amp;c.</hi> alle Prie&#x017F;ter<lb/>
angehen, wenn die&#x017F;e ferner wa&#x0364;hrender Beichte und <hi rendition="#aq">ab&#x017F;olution</hi><lb/>
nicht als blo&#x017F;&#x017F;e Men&#x017F;chen, &#x017F;ondern an GOttes &#x017F;tatt da &#x017F;itzen, &#x017F;o<lb/>
kan es nicht anders &#x017F;eyn, als daß &#x017F;ie &#x017F;ich auch von ihren Su&#x0364;nden<lb/><hi rendition="#aq">ab&#x017F;olui</hi>ren ko&#x0364;nnen. Der <hi rendition="#aq">Carpzovius,</hi> von welchem ich in man-<lb/>
chen Dingen gar viel halte, hat &#x017F;olches nicht erwogen, &#x017F;on&#x017F;t wu&#x0364;r-<lb/>
de er vielleicht auch ge&#x017F;ehen haben, woher es kommt, daß man<lb/>
insgemein vorgiebt: Niemand ko&#x0364;nne &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t <hi rendition="#aq">ab&#x017F;olui</hi>ren. Man<lb/>
darff es auch die&#x017F;em Mann nicht vor u&#x0364;bel auslegen. Er ware mit<lb/>
zu vielen Verrichtungen beladen. Die&#x017F;e verhinderten, daß er das<lb/>
wenig&#x017F;te, was er in dem Kirchen-Recht ge&#x017F;chrieben, wohl hat u&#x0364;ber-<lb/>
legen ko&#x0364;nnen. Uber die&#x017F;es, &#x017F;o ware er kein &#x017F;onderlicher Held in<lb/>
der Kirchen-Hi&#x017F;torie. Er lie&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ich damit begnu&#x0364;gen, die Meinun-<lb/>
gen derer Canoni&#x017F;ten in die <hi rendition="#aq">fora</hi> der <hi rendition="#aq">Prote&#x017F;ti</hi>renden einzufu&#x0364;hren.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">a) <hi rendition="#i">Con-</hi></hi></fw></note>. Bey derglei-<lb/>
chen Zu&#x017F;tand aber bleiben &#x017F;ie dennoch &#x017F;u&#x0364;ndige Men&#x017F;chen.<lb/>
Die&#x017F;e bedu&#x0364;rffen der <hi rendition="#aq">ab&#x017F;olution.</hi> Da &#x017F;ie nun an GOttes<lb/>
&#x017F;tatt als Beicht-Va&#x0364;ter &#x017F;itzen/ und dennoch &#x017F;u&#x0364;ndige Men&#x017F;chen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ver-</fw><lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">(Recht der Beicht-Stu&#x0364;hle.)</hi> a a</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[185/0204] eines gewiſſen Beicht-Vaters. ſentlichen Stuͤcken der Buſſe nicht zuzehlen/ die Genugthuung aber der Wercke voͤllig verwerffen. Nichts deſtoweniger aber vertheydigen ſie dennoch: Es koͤnne ſich niemand ſelbſt abſolviren. Dahero kommt es auch/ daß ein Prieſter den an- dern wiederum zum Beicht-Vater annimmt. Carpzovs raiſon habe nur in vorhergehenden Noten beygebracht. Al- lein wenn ich nun die gemeine Meinung annehme/ ſo præ- ſentiren ja unſere Geiſtlichen in dem Actu abſolutionis mehr als einerley. Denn wenn ſie die Suͤnde vergeben/ ſo thun ſie ſolches an GOttes ſtatt. Sie ſind keine ſchlechte Men- ſchen/ was man ihnen beichtet/ entdecket man GOtt. GOtt redet durch ſie/ GOtt abſoluiret durch ſie a). Bey derglei- chen Zuſtand aber bleiben ſie dennoch ſuͤndige Menſchen. Dieſe beduͤrffen der abſolution. Da ſie nun an GOttes ſtatt als Beicht-Vaͤter ſitzen/ und dennoch ſuͤndige Menſchen ver- niemand ſich ſelbſt abſoluiren koͤnne, wird in etwas eꝛ- wogen. a) Damit man mir hier nicht eine Meinung andichte, welche ich nimmermehr hege, und mich einer contradiction beſchuldige, ſo muß ich erinnern, daß ich dieſes nur κατ᾽ ἄνϑρωπον geſchrieben. Denn wenn die Worte, ſo Chriſtus geſprochen: Welchen ihr die Suͤnde vergebet, denen ſind ſie vergeben &c. alle Prieſter angehen, wenn dieſe ferner waͤhrender Beichte und abſolution nicht als bloſſe Menſchen, ſondern an GOttes ſtatt da ſitzen, ſo kan es nicht anders ſeyn, als daß ſie ſich auch von ihren Suͤnden abſoluiren koͤnnen. Der Carpzovius, von welchem ich in man- chen Dingen gar viel halte, hat ſolches nicht erwogen, ſonſt wuͤr- de er vielleicht auch geſehen haben, woher es kommt, daß man insgemein vorgiebt: Niemand koͤnne ſich ſelbſt abſoluiren. Man darff es auch dieſem Mann nicht vor uͤbel auslegen. Er ware mit zu vielen Verrichtungen beladen. Dieſe verhinderten, daß er das wenigſte, was er in dem Kirchen-Recht geſchrieben, wohl hat uͤber- legen koͤnnen. Uber dieſes, ſo ware er kein ſonderlicher Held in der Kirchen-Hiſtorie. Er lieſſe ſich damit begnuͤgen, die Meinun- gen derer Canoniſten in die fora der Proteſtirenden einzufuͤhren. a) Con- (Recht der Beicht-Stuͤhle.) a a

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/204
Zitationshilfe: Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/204>, abgerufen am 22.11.2024.