Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

scheinen sie recht bestimmt zu seyn, zu ganzen
Menschen; wie etwan ein Fürst seyn muß, weil
dieser für seine allseitige Bestimmung allseitige
Richtungen und Kenntnisse haben muß."

Sie standen gerade, als er dies sagte, auf
dem Aventinischen Berge, vor sich die Cestius-
Pyramide, dieses Epitaphium des Ketzer-Got¬
tesackers, worin so mancher unausgebildete
Künstler und Jüngling schläft, und nahe dabei
der hohe Scherben-Berg *) (monte testaccio),
wovor Albano immer mit einem ekeln kahlen
Gefühl schaaler Ödheit vorbeigieng. Der Stoß
der väterlichen Ideen gegen seine und die Ver¬
wandtschaft des Scherben-Bergs mit dem Frem¬
den-Kirchhof machten, daß Albano mehr sich
als dem Vater antwortete, mit einem geschmol¬
zenen Eisen-Tropfen des Unwillens im Auge:
"ein solcher namenloser Töpfer-Berg ist im Gan¬
zen auch die Geschichte der Völker. -- Aber man
möchte sich doch lieber auf der Stelle tödten

als
*) Wohin seit Servius Tullius Zeit alle Scher¬
ben geworfen werden.

ſcheinen ſie recht beſtimmt zu ſeyn, zu ganzen
Menſchen; wie etwan ein Fürſt ſeyn muß, weil
dieſer für ſeine allſeitige Beſtimmung allſeitige
Richtungen und Kenntniſſe haben muß.“

Sie ſtanden gerade, als er dies ſagte, auf
dem Aventiniſchen Berge, vor ſich die Ceſtius-
Pyramide, dieſes Epitaphium des Ketzer-Got¬
tesackers, worin ſo mancher unausgebildete
Künſtler und Jüngling ſchläft, und nahe dabei
der hohe Scherben-Berg *) (monte testaccio),
wovor Albano immer mit einem ekeln kahlen
Gefühl ſchaaler Ödheit vorbeigieng. Der Stoß
der väterlichen Ideen gegen ſeine und die Ver¬
wandtſchaft des Scherben-Bergs mit dem Frem¬
den-Kirchhof machten, daß Albano mehr ſich
als dem Vater antwortete, mit einem geſchmol¬
zenen Eiſen-Tropfen des Unwillens im Auge:
„ein ſolcher namenloſer Töpfer-Berg iſt im Gan¬
zen auch die Geſchichte der Völker. — Aber man
möchte ſich doch lieber auf der Stelle tödten

als
*) Wohin ſeit Servius Tullius Zeit alle Scher¬
ben geworfen werden.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0076" n="64"/>
&#x017F;cheinen &#x017F;ie recht be&#x017F;timmt zu &#x017F;eyn, zu <hi rendition="#g">ganzen</hi><lb/>
Men&#x017F;chen; wie etwan ein Für&#x017F;t &#x017F;eyn muß, weil<lb/>
die&#x017F;er für &#x017F;eine all&#x017F;eitige Be&#x017F;timmung all&#x017F;eitige<lb/>
Richtungen und Kenntni&#x017F;&#x017F;e haben muß.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Sie &#x017F;tanden gerade, als er dies &#x017F;agte, auf<lb/>
dem Aventini&#x017F;chen Berge, vor &#x017F;ich die Ce&#x017F;tius-<lb/>
Pyramide, die&#x017F;es Epitaphium des Ketzer-Got¬<lb/>
tesackers, worin &#x017F;o mancher unausgebildete<lb/>
Kün&#x017F;tler und Jüngling &#x017F;chläft, und nahe dabei<lb/>
der hohe Scherben-Berg <note place="foot" n="*)"><lb/>
Wohin &#x017F;eit Servius Tullius Zeit alle Scher¬<lb/>
ben geworfen werden.</note> (<hi rendition="#aq">monte testaccio</hi>),<lb/>
wovor Albano immer mit einem ekeln kahlen<lb/>
Gefühl &#x017F;chaaler Ödheit vorbeigieng. Der Stoß<lb/>
der väterlichen Ideen gegen &#x017F;eine und die Ver¬<lb/>
wandt&#x017F;chaft des Scherben-Bergs mit dem Frem¬<lb/>
den-Kirchhof machten, daß Albano mehr &#x017F;ich<lb/>
als dem Vater antwortete, mit einem ge&#x017F;chmol¬<lb/>
zenen Ei&#x017F;en-Tropfen des Unwillens im Auge:<lb/>
&#x201E;ein &#x017F;olcher namenlo&#x017F;er Töpfer-Berg i&#x017F;t im Gan¬<lb/>
zen auch die Ge&#x017F;chichte der Völker. &#x2014; Aber man<lb/>
möchte &#x017F;ich doch lieber auf der Stelle tödten<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">als<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[64/0076] ſcheinen ſie recht beſtimmt zu ſeyn, zu ganzen Menſchen; wie etwan ein Fürſt ſeyn muß, weil dieſer für ſeine allſeitige Beſtimmung allſeitige Richtungen und Kenntniſſe haben muß.“ Sie ſtanden gerade, als er dies ſagte, auf dem Aventiniſchen Berge, vor ſich die Ceſtius- Pyramide, dieſes Epitaphium des Ketzer-Got¬ tesackers, worin ſo mancher unausgebildete Künſtler und Jüngling ſchläft, und nahe dabei der hohe Scherben-Berg *) (monte testaccio), wovor Albano immer mit einem ekeln kahlen Gefühl ſchaaler Ödheit vorbeigieng. Der Stoß der väterlichen Ideen gegen ſeine und die Ver¬ wandtſchaft des Scherben-Bergs mit dem Frem¬ den-Kirchhof machten, daß Albano mehr ſich als dem Vater antwortete, mit einem geſchmol¬ zenen Eiſen-Tropfen des Unwillens im Auge: „ein ſolcher namenloſer Töpfer-Berg iſt im Gan¬ zen auch die Geſchichte der Völker. — Aber man möchte ſich doch lieber auf der Stelle tödten als *) Wohin ſeit Servius Tullius Zeit alle Scher¬ ben geworfen werden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/76
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/76>, abgerufen am 23.11.2024.