nen ferne Waldhorntöne heraus, welche gut¬ meinende Landleute vor Albano's Erziehungs¬ hause als Grüße brachten. "Wie kommt's, (sagte Julienne,) daß im Freien und Nachts auch die unbedeutendste Musik gefällig und rüh¬ rend wird?" -- "Vielleicht weil unsere innere heller und reiner dazu mittönt" sagte Idoine. -- "Und weil vor der Sphärenmusik des Uni¬ versums menschliche Kunst und menschliche Ein¬ falt am Ende gleich groß sind" setzte Albano dazu. "Das meint' ich eben, denn sie ist doch auch nur in uns" sagte Idoine und sah ihm liebreich und offen in die Augen, die vor ihren zusanken, wie wenn ihn jetzt der Mond, der milde Nachsommer der Sonne, blendend über¬ glänzte.
Sie wandte sich seit der Kirchenfeier öfter an ihn, ihre süße Stimme war theilnehmender obwohl zitternder, die jungfräuliche Scheu vor Lianens Ähnlichkeit schien besiegt oder verges¬ sen, so wie an jenem Abende im letzten Gar¬ ten; in ihr hatte sich unter Speners Rede ihr Daseyn entschieden und an der Liebe der Jung¬ frau waren, wie an einem Frühling durch
nen ferne Waldhorntöne heraus, welche gut¬ meinende Landleute vor Albano's Erziehungs¬ hauſe als Grüße brachten. „Wie kommt's, (ſagte Julienne,) daß im Freien und Nachts auch die unbedeutendſte Muſik gefällig und rüh¬ rend wird?“ — „Vielleicht weil unſere innere heller und reiner dazu mittönt“ ſagte Idoine. — „Und weil vor der Sphärenmuſik des Uni¬ verſums menſchliche Kunſt und menſchliche Ein¬ falt am Ende gleich groß ſind“ ſetzte Albano dazu. „Das meint' ich eben, denn ſie iſt doch auch nur in uns“ ſagte Idoine und ſah ihm liebreich und offen in die Augen, die vor ihren zuſanken, wie wenn ihn jetzt der Mond, der milde Nachſommer der Sonne, blendend über¬ glänzte.
Sie wandte ſich ſeit der Kirchenfeier öfter an ihn, ihre ſüße Stimme war theilnehmender obwohl zitternder, die jungfräuliche Scheu vor Lianens Ähnlichkeit ſchien beſiegt oder verges¬ ſen, ſo wie an jenem Abende im letzten Gar¬ ten; in ihr hatte ſich unter Speners Rede ihr Daſeyn entſchieden und an der Liebe der Jung¬ frau waren, wie an einem Frühling durch
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nen ferne Waldhorntöne heraus, welche gut¬
meinende Landleute vor Albano's Erziehungs¬
hauſe als Grüße brachten. „Wie kommt's,
(ſagte Julienne,) daß im Freien und Nachts
auch die unbedeutendſte Muſik gefällig und rüh¬
rend wird?“ — „Vielleicht weil unſere innere
heller und reiner dazu mittönt“ ſagte Idoine.
— „Und weil vor der Sphärenmuſik des Uni¬
verſums menſchliche Kunſt und menſchliche Ein¬
falt am Ende gleich groß ſind“ ſetzte Albano
dazu. „Das meint' ich eben, denn ſie iſt doch
auch nur in uns“ ſagte Idoine und ſah ihm
liebreich und offen in die Augen, die vor ihren
zuſanken, wie wenn ihn jetzt der Mond, der
milde Nachſommer der Sonne, blendend über¬
glänzte.
Sie wandte ſich ſeit der Kirchenfeier öfter
an ihn, ihre ſüße Stimme war theilnehmender
obwohl zitternder, die jungfräuliche Scheu vor
Lianens Ähnlichkeit ſchien beſiegt oder verges¬
ſen, ſo wie an jenem Abende im letzten Gar¬
ten; in ihr hatte ſich unter Speners Rede ihr
Daſeyn entſchieden und an der Liebe der Jung¬
frau waren, wie an einem Frühling durch
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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 568. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/580>, abgerufen am 23.11.2024.
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