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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

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146. Zykel.

Albano fand in der Verklärung, worin der
Himmel ihm nur der Vergrößerungsspiegel ei¬
ner schimmernden Erde war und die Vergan¬
genheit nur das Vater- und Mutterland hei¬
liger Eltern, in diesem Seelenglanz fand er
das Erziehungshaus, worein er trat, festlich
und als einen Tempel und alles Gemeine und
Schwere geläutert oder nur nachgespielt auf
einer Bühne. Seine Mutter Albine und die
Schwester Rabette kamen mit ihren freudigen
Minen als höhere Menschen an sein bewegtes
Herz. Sie wichen eilig zurück, Julienne flog
die Treppe herab und küßte den Bruder zum
erstenmal öffentlich, in einer schweigenden Ver¬
mischung von Lust und Weh. Als sie ihn los¬
ließ, fieng aus der Nacht im Kirchthurm das
Geläute als Zeichen an, daß der todte Bruder
in die Kirche einziehe; da stürzte sie wieder auf
Albano zurück und weinte unendlich. Sie gieng
mit ihm hinauf, ohne zu sagen, wen er droben
neben dem Pflegevater finde. Eine alte Flö¬
tenuhr, deren mühsames Spiel von jeher selte¬
nen Gästen dargeboten wurde, quoll ihm, als

146. Zykel.

Albano fand in der Verklärung, worin der
Himmel ihm nur der Vergrößerungsſpiegel ei¬
ner ſchimmernden Erde war und die Vergan¬
genheit nur das Vater- und Mutterland hei¬
liger Eltern, in dieſem Seelenglanz fand er
das Erziehungshaus, worein er trat, feſtlich
und als einen Tempel und alles Gemeine und
Schwere geläutert oder nur nachgeſpielt auf
einer Bühne. Seine Mutter Albine und die
Schweſter Rabette kamen mit ihren freudigen
Minen als höhere Menſchen an ſein bewegtes
Herz. Sie wichen eilig zurück, Julienne flog
die Treppe herab und küßte den Bruder zum
erſtenmal öffentlich, in einer ſchweigenden Ver¬
miſchung von Luſt und Weh. Als ſie ihn los¬
ließ, fieng aus der Nacht im Kirchthurm das
Geläute als Zeichen an, daß der todte Bruder
in die Kirche einziehe; da ſtürzte ſie wieder auf
Albano zurück und weinte unendlich. Sie gieng
mit ihm hinauf, ohne zu ſagen, wen er droben
neben dem Pflegevater finde. Eine alte Flö¬
tenuhr, deren mühſames Spiel von jeher ſelte¬
nen Gäſten dargeboten wurde, quoll ihm, als

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[556/0568] 146. Zykel. Albano fand in der Verklärung, worin der Himmel ihm nur der Vergrößerungsſpiegel ei¬ ner ſchimmernden Erde war und die Vergan¬ genheit nur das Vater- und Mutterland hei¬ liger Eltern, in dieſem Seelenglanz fand er das Erziehungshaus, worein er trat, feſtlich und als einen Tempel und alles Gemeine und Schwere geläutert oder nur nachgeſpielt auf einer Bühne. Seine Mutter Albine und die Schweſter Rabette kamen mit ihren freudigen Minen als höhere Menſchen an ſein bewegtes Herz. Sie wichen eilig zurück, Julienne flog die Treppe herab und küßte den Bruder zum erſtenmal öffentlich, in einer ſchweigenden Ver¬ miſchung von Luſt und Weh. Als ſie ihn los¬ ließ, fieng aus der Nacht im Kirchthurm das Geläute als Zeichen an, daß der todte Bruder in die Kirche einziehe; da ſtürzte ſie wieder auf Albano zurück und weinte unendlich. Sie gieng mit ihm hinauf, ohne zu ſagen, wen er droben neben dem Pflegevater finde. Eine alte Flö¬ tenuhr, deren mühſames Spiel von jeher ſelte¬ nen Gäſten dargeboten wurde, quoll ihm, als

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 556. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/568>, abgerufen am 27.11.2024.