Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

die Feinde, denen Luigi unterlag, und dieser
Bruder selber, der ihn bisher in einer so har¬
ten unbrüderlichen Maske umarmen konnte.
"Wie anders war die treue Schwester!" sagt'
er. "Warum (fuhr er fort) ließ man mich so
manchem stolzen harten Geiste so vielen Dank
schuldig werden für mein bloßes -- Geburts¬
recht? -- Warum traute man nicht meinem
Schweigen eben so gut? -- O so mußt' ich
die arme Todte droben *) verkennen, weil sie
meinem geoffenbarten Stande in jener feindli¬
chen Nacht am Altare ihr schönes Herz auf¬
opferte! So mußt' ich durch Vermuthungen
und Vorsätze so manche rechte Seele verletzen!
Wie unschuldig könnt' ich seyn ohne dies al¬
les!" -- "Beruhigen Sie sich, (sagte Sieben¬
käs mit seiner Rüge,) die Stärke des Feindes
wird zu dem Widerstande geschlagen und von
der Niederlage abgezogen; und was wäre ein
Sieg auf leerem Schlachtfelde gewesen?"

*) Er meint Liane, welche Spener durch die feier¬
liche Enthüllung von Albano's Geburt und Be¬
stimmung einer unter lauter giftigen Blumen
aufgewachsenen Liebe zu entsagen nöthigte.

die Feinde, denen Luigi unterlag, und dieſer
Bruder ſelber, der ihn bisher in einer ſo har¬
ten unbrüderlichen Maske umarmen konnte.
„Wie anders war die treue Schweſter!“ ſagt'
er. „Warum (fuhr er fort) ließ man mich ſo
manchem ſtolzen harten Geiſte ſo vielen Dank
ſchuldig werden für mein bloßes — Geburts¬
recht? — Warum traute man nicht meinem
Schweigen eben ſo gut? — O ſo mußt' ich
die arme Todte droben *) verkennen, weil ſie
meinem geoffenbarten Stande in jener feindli¬
chen Nacht am Altare ihr ſchönes Herz auf¬
opferte! So mußt' ich durch Vermuthungen
und Vorſätze ſo manche rechte Seele verletzen!
Wie unſchuldig könnt' ich ſeyn ohne dies al¬
les!“ — „Beruhigen Sie ſich, (ſagte Sieben¬
käs mit ſeiner Rüge,) die Stärke des Feindes
wird zu dem Widerſtande geſchlagen und von
der Niederlage abgezogen; und was wäre ein
Sieg auf leerem Schlachtfelde geweſen?“

*) Er meint Liane, welche Spener durch die feier¬
liche Enthüllung von Albano's Geburt und Be¬
ſtimmung einer unter lauter giftigen Blumen
aufgewachſenen Liebe zu entſagen nöthigte.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0546" n="534"/>
die Feinde, denen Luigi unterlag, und die&#x017F;er<lb/>
Bruder &#x017F;elber, der ihn bisher in einer &#x017F;o har¬<lb/>
ten unbrüderlichen Maske umarmen konnte.<lb/>
&#x201E;Wie anders war die treue Schwe&#x017F;ter!&#x201C; &#x017F;agt'<lb/>
er. &#x201E;Warum (fuhr er fort) ließ man mich &#x017F;o<lb/>
manchem &#x017F;tolzen harten Gei&#x017F;te &#x017F;o vielen Dank<lb/>
&#x017F;chuldig werden für mein bloßes &#x2014; Geburts¬<lb/>
recht? &#x2014; Warum traute man nicht meinem<lb/>
Schweigen eben &#x017F;o gut? &#x2014; O &#x017F;o mußt' ich<lb/>
die arme Todte droben <note place="foot" n="*)"><lb/>
Er meint Liane, welche Spener durch die feier¬<lb/>
liche Enthüllung von Albano's Geburt und Be¬<lb/>
&#x017F;timmung einer unter lauter giftigen Blumen<lb/>
aufgewach&#x017F;enen Liebe zu ent&#x017F;agen nöthigte.</note> verkennen, weil &#x017F;ie<lb/>
meinem geoffenbarten Stande in jener feindli¬<lb/>
chen Nacht am Altare ihr &#x017F;chönes Herz auf¬<lb/>
opferte! So mußt' ich durch Vermuthungen<lb/>
und Vor&#x017F;ätze &#x017F;o manche rechte Seele verletzen!<lb/>
Wie un&#x017F;chuldig könnt' ich &#x017F;eyn ohne dies al¬<lb/>
les!&#x201C; &#x2014; &#x201E;Beruhigen Sie &#x017F;ich, (&#x017F;agte Sieben¬<lb/>
käs mit &#x017F;einer Rüge,) die Stärke des Feindes<lb/>
wird zu dem Wider&#x017F;tande ge&#x017F;chlagen und von<lb/>
der Niederlage abgezogen; und was wäre ein<lb/>
Sieg auf leerem Schlachtfelde gewe&#x017F;en?&#x201C;<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[534/0546] die Feinde, denen Luigi unterlag, und dieſer Bruder ſelber, der ihn bisher in einer ſo har¬ ten unbrüderlichen Maske umarmen konnte. „Wie anders war die treue Schweſter!“ ſagt' er. „Warum (fuhr er fort) ließ man mich ſo manchem ſtolzen harten Geiſte ſo vielen Dank ſchuldig werden für mein bloßes — Geburts¬ recht? — Warum traute man nicht meinem Schweigen eben ſo gut? — O ſo mußt' ich die arme Todte droben *) verkennen, weil ſie meinem geoffenbarten Stande in jener feindli¬ chen Nacht am Altare ihr ſchönes Herz auf¬ opferte! So mußt' ich durch Vermuthungen und Vorſätze ſo manche rechte Seele verletzen! Wie unſchuldig könnt' ich ſeyn ohne dies al¬ les!“ — „Beruhigen Sie ſich, (ſagte Sieben¬ käs mit ſeiner Rüge,) die Stärke des Feindes wird zu dem Widerſtande geſchlagen und von der Niederlage abgezogen; und was wäre ein Sieg auf leerem Schlachtfelde geweſen?“ *) Er meint Liane, welche Spener durch die feier¬ liche Enthüllung von Albano's Geburt und Be¬ ſtimmung einer unter lauter giftigen Blumen aufgewachſenen Liebe zu entſagen nöthigte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/546
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 534. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/546>, abgerufen am 22.11.2024.