Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

mit dem Grabe schloß sich der Janustempel
deines Lebens zu, du gequälter und quälender
Geist," dachte Abano voll Mitleiden, denn er
hatte den Todten sonst so sehr geliebt. Droben
auf dem Gartenberg mit einem Lindenbaum
ruhte seine sanfte Schwester, der freundliche,
liebliche Friedensengel mitten im Kriegsgetüm¬
mel des Lebens, Sie der ewige Friede, wie
Er der ewige Krieg. Er beschloß hinauf zu
gehen und allein oben bei der Himmelsbraut
zu seyn und auf dem den Blumen geweihten
Boden das Beet aufzusuchen, unter welchen
ihre Blumen-Asche sich vor den Stürmen zu¬
gedeckt. Da er den Vorsatz nur dachte, so
drangen Thränenströme wie Schmerzen aus
seinen Augen; denn die bisherigen Nachtwa¬
chen und Sorgen hatten ihn träumerisch-auf¬
gelöset und so manches Unglück in so kurzer
Zeit dazu, das ihm das schöne feste Leben von
einem Ende zum andern mit giftigem Stachel
und Zahn durchgraben hatte.

A!s er in der noch mondlosen aber stern¬
reichen Dämmerung, worin nur der Abendstern
der Mond war, gleichsam ein kleinerer Spie¬

mit dem Grabe ſchloß ſich der Janustempel
deines Lebens zu, du gequälter und quälender
Geiſt,“ dachte Abano voll Mitleiden, denn er
hatte den Todten ſonſt ſo ſehr geliebt. Droben
auf dem Gartenberg mit einem Lindenbaum
ruhte ſeine ſanfte Schweſter, der freundliche,
liebliche Friedensengel mitten im Kriegsgetüm¬
mel des Lebens, Sie der ewige Friede, wie
Er der ewige Krieg. Er beſchloß hinauf zu
gehen und allein oben bei der Himmelsbraut
zu ſeyn und auf dem den Blumen geweihten
Boden das Beet aufzuſuchen, unter welchen
ihre Blumen-Aſche ſich vor den Stürmen zu¬
gedeckt. Da er den Vorſatz nur dachte, ſo
drangen Thränenſtröme wie Schmerzen aus
ſeinen Augen; denn die bisherigen Nachtwa¬
chen und Sorgen hatten ihn träumeriſch-auf¬
gelöſet und ſo manches Unglück in ſo kurzer
Zeit dazu, das ihm das ſchöne feſte Leben von
einem Ende zum andern mit giftigem Stachel
und Zahn durchgraben hatte.

A!s er in der noch mondloſen aber ſtern¬
reichen Dämmerung, worin nur der Abendſtern
der Mond war, gleichſam ein kleinerer Spie¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0499" n="487"/>
mit dem Grabe &#x017F;chloß &#x017F;ich der Janustempel<lb/>
deines Lebens zu, du gequälter und quälender<lb/>
Gei&#x017F;t,&#x201C; dachte Abano voll Mitleiden, denn er<lb/>
hatte den Todten &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;o &#x017F;ehr geliebt. Droben<lb/>
auf dem Gartenberg mit einem Lindenbaum<lb/>
ruhte &#x017F;eine &#x017F;anfte Schwe&#x017F;ter, der freundliche,<lb/>
liebliche Friedensengel mitten im Kriegsgetüm¬<lb/>
mel des Lebens, Sie der ewige Friede, wie<lb/>
Er der ewige Krieg. Er be&#x017F;chloß hinauf zu<lb/>
gehen und allein oben bei der Himmelsbraut<lb/>
zu &#x017F;eyn und auf dem den Blumen geweihten<lb/>
Boden das Beet aufzu&#x017F;uchen, unter welchen<lb/>
ihre Blumen-A&#x017F;che &#x017F;ich vor den Stürmen zu¬<lb/>
gedeckt. Da er den Vor&#x017F;atz nur dachte, &#x017F;o<lb/>
drangen Thränen&#x017F;tröme wie Schmerzen aus<lb/>
&#x017F;einen Augen; denn die bisherigen Nachtwa¬<lb/>
chen und Sorgen hatten ihn träumeri&#x017F;ch-auf¬<lb/>
gelö&#x017F;et und &#x017F;o manches Unglück in &#x017F;o kurzer<lb/>
Zeit dazu, das ihm das &#x017F;chöne fe&#x017F;te Leben von<lb/>
einem Ende zum andern mit giftigem Stachel<lb/>
und Zahn durchgraben hatte.</p><lb/>
          <p>A!s er in der noch mondlo&#x017F;en aber &#x017F;tern¬<lb/>
reichen Dämmerung, worin nur der Abend&#x017F;tern<lb/>
der Mond war, gleich&#x017F;am ein kleinerer Spie¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[487/0499] mit dem Grabe ſchloß ſich der Janustempel deines Lebens zu, du gequälter und quälender Geiſt,“ dachte Abano voll Mitleiden, denn er hatte den Todten ſonſt ſo ſehr geliebt. Droben auf dem Gartenberg mit einem Lindenbaum ruhte ſeine ſanfte Schweſter, der freundliche, liebliche Friedensengel mitten im Kriegsgetüm¬ mel des Lebens, Sie der ewige Friede, wie Er der ewige Krieg. Er beſchloß hinauf zu gehen und allein oben bei der Himmelsbraut zu ſeyn und auf dem den Blumen geweihten Boden das Beet aufzuſuchen, unter welchen ihre Blumen-Aſche ſich vor den Stürmen zu¬ gedeckt. Da er den Vorſatz nur dachte, ſo drangen Thränenſtröme wie Schmerzen aus ſeinen Augen; denn die bisherigen Nachtwa¬ chen und Sorgen hatten ihn träumeriſch-auf¬ gelöſet und ſo manches Unglück in ſo kurzer Zeit dazu, das ihm das ſchöne feſte Leben von einem Ende zum andern mit giftigem Stachel und Zahn durchgraben hatte. A!s er in der noch mondloſen aber ſtern¬ reichen Dämmerung, worin nur der Abendſtern der Mond war, gleichſam ein kleinerer Spie¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/499
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 487. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/499>, abgerufen am 22.11.2024.