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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

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wieder innerlich und äußerlich aufzurichten und
zu verjüngen. Besonders suchte er den Steg,
worüber alle seine Saiten gezogen waren und
den der Ritter und sein Bruder vor Linda um¬
gerissen hatten, wieder aufzustellen, nehmlich
sein stolzes Bewußtseyn, das an der grausa¬
men Demüthigung so sehr darnieder lag. Wie
nur reine Bruder-Achtung und heiliges Anbe¬
ten einer göttlichen Reliquie einen wunden Stolz
sanft erwärmen und beleben kann, so versucht'
es der biedere Albano. Allein ohne Genug¬
thuung am Spanier, dem Anstifter des Unheils
und dem Verführer des Ritters, laufe, wie
Schoppe selber sagte, sein Rückgrad nie wieder
steilrecht und sein Rückenmark bleibe gebogen.
Nur Albano's Duel mit dem Oheim war fri¬
sches Wasser für ihn; es mußte ihm mehrmals
erzählt werden. Sein durstiger Wunsch war,
so gesund zu werden als er zum Kriege mit
dem Spanier brauchte und dann als ein Tol¬
ler ihm die Beichte aller Streiche und Gaukle¬
reien auf einem Sterbebette, worauf er ihn zu
legen dachte, abzupressen: "dann (setzt' er je¬
desmal lächelnd hinzu) kann es mir wohl egal

wieder innerlich und äußerlich aufzurichten und
zu verjüngen. Beſonders ſuchte er den Steg,
worüber alle ſeine Saiten gezogen waren und
den der Ritter und ſein Bruder vor Linda um¬
geriſſen hatten, wieder aufzuſtellen, nehmlich
ſein ſtolzes Bewußtſeyn, das an der grauſa¬
men Demüthigung ſo ſehr darnieder lag. Wie
nur reine Bruder-Achtung und heiliges Anbe¬
ten einer göttlichen Reliquie einen wunden Stolz
ſanft erwärmen und beleben kann, ſo verſucht'
es der biedere Albano. Allein ohne Genug¬
thuung am Spanier, dem Anſtifter des Unheils
und dem Verführer des Ritters, laufe, wie
Schoppe ſelber ſagte, ſein Rückgrad nie wieder
ſteilrecht und ſein Rückenmark bleibe gebogen.
Nur Albano's Duel mit dem Oheim war fri¬
ſches Waſſer für ihn; es mußte ihm mehrmals
erzählt werden. Sein durſtiger Wunſch war,
ſo geſund zu werden als er zum Kriege mit
dem Spanier brauchte und dann als ein Tol¬
ler ihm die Beichte aller Streiche und Gaukle¬
reien auf einem Sterbebette, worauf er ihn zu
legen dachte, abzupreſſen: „dann (ſetzt' er je¬
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[470/0482] wieder innerlich und äußerlich aufzurichten und zu verjüngen. Beſonders ſuchte er den Steg, worüber alle ſeine Saiten gezogen waren und den der Ritter und ſein Bruder vor Linda um¬ geriſſen hatten, wieder aufzuſtellen, nehmlich ſein ſtolzes Bewußtſeyn, das an der grauſa¬ men Demüthigung ſo ſehr darnieder lag. Wie nur reine Bruder-Achtung und heiliges Anbe¬ ten einer göttlichen Reliquie einen wunden Stolz ſanft erwärmen und beleben kann, ſo verſucht' es der biedere Albano. Allein ohne Genug¬ thuung am Spanier, dem Anſtifter des Unheils und dem Verführer des Ritters, laufe, wie Schoppe ſelber ſagte, ſein Rückgrad nie wieder ſteilrecht und ſein Rückenmark bleibe gebogen. Nur Albano's Duel mit dem Oheim war fri¬ ſches Waſſer für ihn; es mußte ihm mehrmals erzählt werden. Sein durſtiger Wunſch war, ſo geſund zu werden als er zum Kriege mit dem Spanier brauchte und dann als ein Tol¬ ler ihm die Beichte aller Streiche und Gaukle¬ reien auf einem Sterbebette, worauf er ihn zu legen dachte, abzupreſſen: „dann (ſetzt' er je¬ desmal lächelnd hinzu) kann es mir wohl egal

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 470. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/482>, abgerufen am 22.11.2024.