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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

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gucken lassen, und das medizinische Kollegium
steckte ihn mit seiner brauchbaren Idee herein,
weil sie am Ende doch jeder Inspektor zum Am¬
thieren haben muß, er sey toll oder nicht. Un¬
ter allen hier im Hause gefallen wir uns bei¬
de am meisten. Er sondirte mich zu meinem
Vortheil; und ich kann ihn sehr brauchen zur
Freiheit, nur greif' ich seinen faulen fixen Fleck
nicht an. Bloß einen Abendsegen -- weil sie
kein Gebetbuch haben -- improvisir' ich oft
beiden vor und flechte in den Segen Winke, die
kurmäßig für das Paar seyn könnten, wenn's
wollte. So wandeln wir beide in den Irrgän¬
gen dieses Irrgartens vor den Pazienten vor¬
bei -- hinter ihm, dem unheilbaren Hub von
allen, geh' ich ganz tolerant -- im Kränzchen
herrscht allgemeine Polemik und Skepsis wie
in keinem andern Universitätsgebäude -- -- Es
ist zum Tollwerden, sagt er leise zu mir, es ist
zum Tollseyn, sagt man in diesem Palais d'ega¬
lite
, versetz' ich -- Ich schneide ihm die Pa¬
zienten in Schatten aus für sein Manuskript
-- Wie die Kinder noch etwas haben, das ih¬
nen selber kindisch vorkommt, so haben die

gucken laſſen, und das mediziniſche Kollegium
ſteckte ihn mit ſeiner brauchbaren Idee herein,
weil ſie am Ende doch jeder Inſpektor zum Am¬
thieren haben muß, er ſey toll oder nicht. Un¬
ter allen hier im Hauſe gefallen wir uns bei¬
de am meiſten. Er ſondirte mich zu meinem
Vortheil; und ich kann ihn ſehr brauchen zur
Freiheit, nur greif' ich ſeinen faulen fixen Fleck
nicht an. Bloß einen Abendſegen — weil ſie
kein Gebetbuch haben — improviſir' ich oft
beiden vor und flechte in den Segen Winke, die
kurmäßig für das Paar ſeyn könnten, wenn's
wollte. So wandeln wir beide in den Irrgän¬
gen dieſes Irrgartens vor den Pazienten vor¬
bei — hinter ihm, dem unheilbaren Hub von
allen, geh' ich ganz tolerant — im Kränzchen
herrſcht allgemeine Polemik und Skepſis wie
in keinem andern Univerſitätsgebäude — — Es
iſt zum Tollwerden, ſagt er leiſe zu mir, es iſt
zum Tollſeyn, ſagt man in dieſem Palais d'éga¬
lité
, verſetz' ich — Ich ſchneide ihm die Pa¬
zienten in Schatten aus für ſein Manuſkript
— Wie die Kinder noch etwas haben, das ih¬
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[459/0471] gucken laſſen, und das mediziniſche Kollegium ſteckte ihn mit ſeiner brauchbaren Idee herein, weil ſie am Ende doch jeder Inſpektor zum Am¬ thieren haben muß, er ſey toll oder nicht. Un¬ ter allen hier im Hauſe gefallen wir uns bei¬ de am meiſten. Er ſondirte mich zu meinem Vortheil; und ich kann ihn ſehr brauchen zur Freiheit, nur greif' ich ſeinen faulen fixen Fleck nicht an. Bloß einen Abendſegen — weil ſie kein Gebetbuch haben — improviſir' ich oft beiden vor und flechte in den Segen Winke, die kurmäßig für das Paar ſeyn könnten, wenn's wollte. So wandeln wir beide in den Irrgän¬ gen dieſes Irrgartens vor den Pazienten vor¬ bei — hinter ihm, dem unheilbaren Hub von allen, geh' ich ganz tolerant — im Kränzchen herrſcht allgemeine Polemik und Skepſis wie in keinem andern Univerſitätsgebäude — — Es iſt zum Tollwerden, ſagt er leiſe zu mir, es iſt zum Tollſeyn, ſagt man in dieſem Palais d'éga¬ lité, verſetz' ich — Ich ſchneide ihm die Pa¬ zienten in Schatten aus für ſein Manuſkript — Wie die Kinder noch etwas haben, das ih¬ nen ſelber kindiſch vorkommt, ſo haben die

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 459. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/471>, abgerufen am 22.11.2024.