Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

"Sie verkennen mich, (sagte Linda,) ich
spreche von einem Verstorbenen." Vor Ju¬
lienne fuhr plötzlich Roquairol's Schatte, ferne
Anklänge der Fürstinn hatten ihn eingeläutet:
"Allmächtiger Gott, (schrie sie auf,) des ver¬
fluchten Selbstmörders Spiel hat Wahrheit?"
-- "Er spielte, was geschah, (sagte Linda ru¬
hig.) Wir brechen ab. Ich reise. Ich verlan¬
ge nichts als meinen Vater." -- Hier hielt
Gaspard den von Starrsucht versteinerten Arm
wie von einem gezückten Dolch bewaffnet, ge¬
gen die Gräfin -- die Finsterniß machte die
Erscheinung schwärzer und wilder -- aber er
brach das Eis des Todes wieder mit kalten
Händen entzwei und bewegte sich und antwor¬
tete mit gelähmter Zunge: "Teufel und Gott!
Der Vater ist da! -- Der wird alles so neh¬
men -- wie es ist -- Weiß Er's?" -- "Wer?"
(fragte Linda.) -- "Und was beschloß Er? --
Himmel! Albano nehmlich." -- Gaspard hatte
in der Leidenschaft zugleich Cromwell's Blöd¬
sinn der Zunge und dessen Schlausinn der Tha¬
ten; und blieb daher jeder Aufwallung, sogar
der liebenden so gram und fern wie "der

„Sie verkennen mich, (ſagte Linda,) ich
ſpreche von einem Verſtorbenen.“ Vor Ju¬
lienne fuhr plötzlich Roquairol's Schatte, ferne
Anklänge der Fürſtinn hatten ihn eingeläutet:
„Allmächtiger Gott, (ſchrie ſie auf,) des ver¬
fluchten Selbſtmörders Spiel hat Wahrheit?“
— „Er ſpielte, was geſchah, (ſagte Linda ru¬
hig.) Wir brechen ab. Ich reiſe. Ich verlan¬
ge nichts als meinen Vater." — Hier hielt
Gaſpard den von Starrſucht verſteinerten Arm
wie von einem gezückten Dolch bewaffnet, ge¬
gen die Gräfin — die Finſterniß machte die
Erſcheinung ſchwärzer und wilder — aber er
brach das Eis des Todes wieder mit kalten
Händen entzwei und bewegte ſich und antwor¬
tete mit gelähmter Zunge: „Teufel und Gott!
Der Vater iſt da! — Der wird alles ſo neh¬
men — wie es iſt — Weiß Er's?“ — „Wer?“
(fragte Linda.) — „Und was beſchloß Er? —
Himmel! Albano nehmlich.“ — Gaſpard hatte
in der Leidenſchaft zugleich Cromwell's Blöd¬
ſinn der Zunge und deſſen Schlauſinn der Tha¬
ten; und blieb daher jeder Aufwallung, ſogar
der liebenden ſo gram und fern wie „der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0457" n="445"/>
          <p>&#x201E;Sie verkennen mich, (&#x017F;agte Linda,) ich<lb/>
&#x017F;preche von einem Ver&#x017F;torbenen.&#x201C; Vor Ju¬<lb/>
lienne fuhr plötzlich Roquairol's Schatte, ferne<lb/>
Anklänge der Für&#x017F;tinn hatten ihn eingeläutet:<lb/>
&#x201E;Allmächtiger Gott, (&#x017F;chrie &#x017F;ie auf,) des ver¬<lb/>
fluchten Selb&#x017F;tmörders Spiel hat Wahrheit?&#x201C;<lb/>
&#x2014; &#x201E;Er &#x017F;pielte, was ge&#x017F;chah, (&#x017F;agte Linda ru¬<lb/>
hig.) Wir brechen ab. Ich rei&#x017F;e. Ich verlan¬<lb/>
ge nichts als meinen Vater." &#x2014; Hier hielt<lb/>
Ga&#x017F;pard den von Starr&#x017F;ucht ver&#x017F;teinerten Arm<lb/>
wie von einem gezückten Dolch bewaffnet, ge¬<lb/>
gen die Gräfin &#x2014; die Fin&#x017F;terniß machte die<lb/>
Er&#x017F;cheinung &#x017F;chwärzer und wilder &#x2014; aber er<lb/>
brach das Eis des Todes wieder mit kalten<lb/>
Händen entzwei und bewegte &#x017F;ich und antwor¬<lb/>
tete mit gelähmter Zunge: &#x201E;Teufel und Gott!<lb/>
Der Vater i&#x017F;t da! &#x2014; Der wird alles &#x017F;o neh¬<lb/>
men &#x2014; wie es i&#x017F;t &#x2014; Weiß Er's?&#x201C; &#x2014; &#x201E;Wer?&#x201C;<lb/>
(fragte Linda.) &#x2014; &#x201E;Und was be&#x017F;chloß Er? &#x2014;<lb/>
Himmel! Albano nehmlich.&#x201C; &#x2014; Ga&#x017F;pard hatte<lb/>
in der Leiden&#x017F;chaft zugleich Cromwell's Blöd¬<lb/>
&#x017F;inn der Zunge und de&#x017F;&#x017F;en Schlau&#x017F;inn der Tha¬<lb/>
ten; und blieb daher jeder Aufwallung, &#x017F;ogar<lb/>
der liebenden &#x017F;o gram und fern wie &#x201E;der<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[445/0457] „Sie verkennen mich, (ſagte Linda,) ich ſpreche von einem Verſtorbenen.“ Vor Ju¬ lienne fuhr plötzlich Roquairol's Schatte, ferne Anklänge der Fürſtinn hatten ihn eingeläutet: „Allmächtiger Gott, (ſchrie ſie auf,) des ver¬ fluchten Selbſtmörders Spiel hat Wahrheit?“ — „Er ſpielte, was geſchah, (ſagte Linda ru¬ hig.) Wir brechen ab. Ich reiſe. Ich verlan¬ ge nichts als meinen Vater." — Hier hielt Gaſpard den von Starrſucht verſteinerten Arm wie von einem gezückten Dolch bewaffnet, ge¬ gen die Gräfin — die Finſterniß machte die Erſcheinung ſchwärzer und wilder — aber er brach das Eis des Todes wieder mit kalten Händen entzwei und bewegte ſich und antwor¬ tete mit gelähmter Zunge: „Teufel und Gott! Der Vater iſt da! — Der wird alles ſo neh¬ men — wie es iſt — Weiß Er's?“ — „Wer?“ (fragte Linda.) — „Und was beſchloß Er? — Himmel! Albano nehmlich.“ — Gaſpard hatte in der Leidenſchaft zugleich Cromwell's Blöd¬ ſinn der Zunge und deſſen Schlauſinn der Tha¬ ten; und blieb daher jeder Aufwallung, ſogar der liebenden ſo gram und fern wie „der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/457
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 445. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/457>, abgerufen am 25.11.2024.