Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

seiner Liebe bisher seicht umhergelaufen war,
schossen brausend zusammen und faßten und
trugen Eine Gestalt -- -- "Weine nicht, mein
guter Mensch, wir lieben uns ja immer wie¬
der," sagte Linda und die zarte schöne Lippe
gab ihm den ersten innigen Kuß. Da kreisete
das Feuerrad der Entzückung mit ihm reissend
um und um den darauf geflochtenen Kopf weh¬
ten die Flammen-Kreise hoch auf. Aus Furcht,
erblickt zu werden, wenn er erblicke und aus
Lust hatt' er die Augen geschlossen, jetzt that
er sie auf, -- so nahe an sich und in seinen
Armen sah er nun die hohe Gestalt, das stolze
blühende Antlitz und die feuchten warmen Lie¬
bes-Augen. "Du Himmlische, (sagt' er,) tödte
mich in dieser Stunde, damit ich sterbe im Him¬
mel. Wie will ich nachher noch leben? --
Könnt' ich meine Seele in meine Thränen gies¬
sen und mein Leben in Deines, und wäre dann
nicht mehr!"

"Albano, (sagte sie) warum bist Du heute
so anders, so traurig und weich?" --

"Nenne mich (sagt' er) lieber bei Deinem
Namen, wie die Liebenden auf Otaheiti die Na¬

ſeiner Liebe bisher ſeicht umhergelaufen war,
ſchoſſen brauſend zuſammen und faßten und
trugen Eine Geſtalt — — „Weine nicht, mein
guter Menſch, wir lieben uns ja immer wie¬
der,“ ſagte Linda und die zarte ſchöne Lippe
gab ihm den erſten innigen Kuß. Da kreiſete
das Feuerrad der Entzückung mit ihm reiſſend
um und um den darauf geflochtenen Kopf weh¬
ten die Flammen-Kreiſe hoch auf. Aus Furcht,
erblickt zu werden, wenn er erblicke und aus
Luſt hatt' er die Augen geſchloſſen, jetzt that
er ſie auf, — ſo nahe an ſich und in ſeinen
Armen ſah er nun die hohe Geſtalt, das ſtolze
blühende Antlitz und die feuchten warmen Lie¬
bes-Augen. „Du Himmliſche, (ſagt' er,) tödte
mich in dieſer Stunde, damit ich ſterbe im Him¬
mel. Wie will ich nachher noch leben? —
Könnt' ich meine Seele in meine Thränen gies¬
ſen und mein Leben in Deines, und wäre dann
nicht mehr!“

„Albano, (ſagte ſie) warum biſt Du heute
ſo anders, ſo traurig und weich?“ —

„Nenne mich (ſagt' er) lieber bei Deinem
Namen, wie die Liebenden auf Otaheiti die Na¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0385" n="373"/>
&#x017F;einer Liebe bisher &#x017F;eicht umhergelaufen war,<lb/>
&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en brau&#x017F;end zu&#x017F;ammen und faßten und<lb/>
trugen Eine Ge&#x017F;talt &#x2014; &#x2014; &#x201E;Weine nicht, mein<lb/>
guter Men&#x017F;ch, wir lieben uns ja immer wie¬<lb/>
der,&#x201C; &#x017F;agte Linda und die zarte &#x017F;chöne Lippe<lb/>
gab ihm den er&#x017F;ten innigen Kuß. Da krei&#x017F;ete<lb/>
das Feuerrad der Entzückung mit ihm rei&#x017F;&#x017F;end<lb/>
um und um den darauf geflochtenen Kopf weh¬<lb/>
ten die Flammen-Krei&#x017F;e hoch auf. Aus Furcht,<lb/>
erblickt zu werden, wenn er erblicke und aus<lb/>
Lu&#x017F;t hatt' er die Augen ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, jetzt that<lb/>
er &#x017F;ie auf, &#x2014; &#x017F;o nahe an &#x017F;ich und in &#x017F;einen<lb/>
Armen &#x017F;ah er nun die hohe Ge&#x017F;talt, das &#x017F;tolze<lb/>
blühende Antlitz und die feuchten warmen Lie¬<lb/>
bes-Augen. &#x201E;Du Himmli&#x017F;che, (&#x017F;agt' er,) tödte<lb/>
mich in die&#x017F;er Stunde, damit ich &#x017F;terbe im Him¬<lb/>
mel. Wie will ich nachher noch leben? &#x2014;<lb/>
Könnt' ich meine Seele in meine Thränen gies¬<lb/>
&#x017F;en und mein Leben in Deines, und wäre dann<lb/>
nicht mehr!&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Albano, (&#x017F;agte &#x017F;ie) warum bi&#x017F;t Du heute<lb/>
&#x017F;o anders, &#x017F;o traurig und weich?&#x201C; &#x2014;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Nenne mich (&#x017F;agt' er) lieber bei Deinem<lb/>
Namen, wie die Liebenden auf Otaheiti die Na¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[373/0385] ſeiner Liebe bisher ſeicht umhergelaufen war, ſchoſſen brauſend zuſammen und faßten und trugen Eine Geſtalt — — „Weine nicht, mein guter Menſch, wir lieben uns ja immer wie¬ der,“ ſagte Linda und die zarte ſchöne Lippe gab ihm den erſten innigen Kuß. Da kreiſete das Feuerrad der Entzückung mit ihm reiſſend um und um den darauf geflochtenen Kopf weh¬ ten die Flammen-Kreiſe hoch auf. Aus Furcht, erblickt zu werden, wenn er erblicke und aus Luſt hatt' er die Augen geſchloſſen, jetzt that er ſie auf, — ſo nahe an ſich und in ſeinen Armen ſah er nun die hohe Geſtalt, das ſtolze blühende Antlitz und die feuchten warmen Lie¬ bes-Augen. „Du Himmliſche, (ſagt' er,) tödte mich in dieſer Stunde, damit ich ſterbe im Him¬ mel. Wie will ich nachher noch leben? — Könnt' ich meine Seele in meine Thränen gies¬ ſen und mein Leben in Deines, und wäre dann nicht mehr!“ „Albano, (ſagte ſie) warum biſt Du heute ſo anders, ſo traurig und weich?“ — „Nenne mich (ſagt' er) lieber bei Deinem Namen, wie die Liebenden auf Otaheiti die Na¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/385
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/385>, abgerufen am 22.11.2024.