schen Dichtung (sagt' er) wäre mir Dein Ge¬ danke leicht gekommen, aber in der Wirklich¬ keit hab' ich keine List!"-- "O Schalk!" sagte sie. So früh und so lang' er nur durfte, sagte er Du, weil er das Herz kannte, besonders das weibliche. -- Bald darauf, als sie noch offen¬ herziger gegen einander gewesen waren, sagte sie: "bleibt Sie unschuldig bei Ihnen, so ha¬ ben Sie niemand beleidigt und niemand hat verlohren; bleibt Sie es nicht, so war Sie es entweder nicht, oder sie verdiente die Probe und Strafe, getäuscht zu werden." -- "Ja, das ist göttlich -- das gehört in den herrlichen Trauerspieler kurz vor dem Ende" sagt' er, wollte sich aber nicht darüber erklären.
Jetzt kam Ziel und Mittelpunkt in die wil¬ den Kreise seines Treibens. Er zerlegte kalt Albano's Briefe der Liebe in große und kleine Buchstaben, bloß um sie pünktlich nachzuma¬ chen; daher fand einmal Albano bei Rabetten seine Handschrift ohne seine Gedanken. Er fragte Rabetten alle kleine Verhältnisse Al¬ bano's ab, um seine Rolle bis ins Kleinste auszuarbeiten; und eben so las er alle italie¬
ſchen Dichtung (ſagt' er) wäre mir Dein Ge¬ danke leicht gekommen, aber in der Wirklich¬ keit hab' ich keine Liſt!“— „O Schalk!“ ſagte ſie. So früh und ſo lang' er nur durfte, ſagte er Du, weil er das Herz kannte, beſonders das weibliche. — Bald darauf, als ſie noch offen¬ herziger gegen einander geweſen waren, ſagte ſie: „bleibt Sie unſchuldig bei Ihnen, ſo ha¬ ben Sie niemand beleidigt und niemand hat verlohren; bleibt Sie es nicht, ſo war Sie es entweder nicht, oder ſie verdiente die Probe und Strafe, getäuſcht zu werden.“ — „Ja, das iſt göttlich — das gehört in den herrlichen Trauerſpieler kurz vor dem Ende“ ſagt' er, wollte ſich aber nicht darüber erklären.
Jetzt kam Ziel und Mittelpunkt in die wil¬ den Kreiſe ſeines Treibens. Er zerlegte kalt Albano's Briefe der Liebe in große und kleine Buchſtaben, bloß um ſie pünktlich nachzuma¬ chen; daher fand einmal Albano bei Rabetten ſeine Handſchrift ohne ſeine Gedanken. Er fragte Rabetten alle kleine Verhältniſſe Al¬ bano's ab, um ſeine Rolle bis ins Kleinſte auszuarbeiten; und eben ſo las er alle italie¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0376"n="364"/>ſchen Dichtung (ſagt' er) wäre mir <hirendition="#g">Dein</hi> Ge¬<lb/>
danke leicht gekommen, aber in der Wirklich¬<lb/>
keit hab' ich keine Liſt!“—„O Schalk!“ſagte<lb/>ſie. So früh und ſo lang' er nur durfte, ſagte<lb/>
er Du, weil er das Herz kannte, beſonders das<lb/>
weibliche. — Bald darauf, als ſie noch offen¬<lb/>
herziger gegen einander geweſen waren, ſagte<lb/>ſie: „bleibt Sie unſchuldig bei Ihnen, ſo ha¬<lb/>
ben Sie niemand beleidigt und niemand hat<lb/>
verlohren; bleibt Sie es nicht, ſo war Sie es<lb/>
entweder nicht, oder ſie verdiente die Probe<lb/>
und Strafe, getäuſcht zu werden.“—„Ja,<lb/>
das iſt göttlich — das gehört in den herrlichen<lb/>
Trauerſpieler kurz vor dem Ende“ſagt' er,<lb/>
wollte ſich aber nicht darüber erklären.</p><lb/><p>Jetzt kam Ziel und Mittelpunkt in die wil¬<lb/>
den Kreiſe ſeines Treibens. Er zerlegte kalt<lb/>
Albano's Briefe der Liebe in große und kleine<lb/>
Buchſtaben, bloß um ſie pünktlich nachzuma¬<lb/>
chen; daher fand einmal Albano bei Rabetten<lb/>ſeine Handſchrift ohne ſeine Gedanken. Er<lb/>
fragte Rabetten alle kleine Verhältniſſe Al¬<lb/>
bano's ab, um ſeine Rolle bis ins Kleinſte<lb/>
auszuarbeiten; und eben ſo las er alle italie¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[364/0376]
ſchen Dichtung (ſagt' er) wäre mir Dein Ge¬
danke leicht gekommen, aber in der Wirklich¬
keit hab' ich keine Liſt!“— „O Schalk!“ ſagte
ſie. So früh und ſo lang' er nur durfte, ſagte
er Du, weil er das Herz kannte, beſonders das
weibliche. — Bald darauf, als ſie noch offen¬
herziger gegen einander geweſen waren, ſagte
ſie: „bleibt Sie unſchuldig bei Ihnen, ſo ha¬
ben Sie niemand beleidigt und niemand hat
verlohren; bleibt Sie es nicht, ſo war Sie es
entweder nicht, oder ſie verdiente die Probe
und Strafe, getäuſcht zu werden.“ — „Ja,
das iſt göttlich — das gehört in den herrlichen
Trauerſpieler kurz vor dem Ende“ ſagt' er,
wollte ſich aber nicht darüber erklären.
Jetzt kam Ziel und Mittelpunkt in die wil¬
den Kreiſe ſeines Treibens. Er zerlegte kalt
Albano's Briefe der Liebe in große und kleine
Buchſtaben, bloß um ſie pünktlich nachzuma¬
chen; daher fand einmal Albano bei Rabetten
ſeine Handſchrift ohne ſeine Gedanken. Er
fragte Rabetten alle kleine Verhältniſſe Al¬
bano's ab, um ſeine Rolle bis ins Kleinſte
auszuarbeiten; und eben ſo las er alle italie¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/376>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.