und heiter Handelnde -- klagenlos und hoff¬ nungslos -- nur den Ährenkranz der Thaten, nie den blumigen Brautkranz tragend -- so viele weiße Blüthen zu ihren Füßen, die zu keinem Kranz und Gewinde zusammengehen -- ihre helle reine Seele einem hellen reinen Tone gleich, der seinen Reiz durch nasse wolkige Luft ungetrübt und ungebrochen trägt: so fühlte sie, Idoine sey ihr schwesterlicher verwandt als Lin¬ da, jene sey ihr ein Ideal und Sternbild in ihrem Himmel über ihr, diese ein fremdes, das fern und unsichtbar in einer zweiten Halbkugel des Himmels glänzt; aber in ihr wirkte die weibliche Kraft, fortzulieben fast bis in den Haß hinein, stärker als in irgend einer Frau und sie blieb der alten Freundinn getreu. Idoi¬ ne gehörte unter die weiblichen Seelen, die dem Monde ähnlich sind; blaß und matt muß er am prächtigen Abendhimmel, den Glanz und brennende Wolken schmücken, stehen und kann auf der Erde keinen einzigen Schatten verdrängen, und steigt mit unsichtbaren Strah¬ len, aber das fremde Licht verblicht und seines wächset aus dem Schatten auf, bis zuletzt sein
und heiter Handelnde — klagenlos und hoff¬ nungslos — nur den Ährenkranz der Thaten, nie den blumigen Brautkranz tragend — ſo viele weiße Blüthen zu ihren Füßen, die zu keinem Kranz und Gewinde zuſammengehen — ihre helle reine Seele einem hellen reinen Tone gleich, der ſeinen Reiz durch naſſe wolkige Luft ungetrübt und ungebrochen trägt: ſo fühlte ſie, Idoine ſey ihr ſchweſterlicher verwandt als Lin¬ da, jene ſey ihr ein Ideal und Sternbild in ihrem Himmel über ihr, dieſe ein fremdes, das fern und unſichtbar in einer zweiten Halbkugel des Himmels glänzt; aber in ihr wirkte die weibliche Kraft, fortzulieben faſt bis in den Haß hinein, ſtärker als in irgend einer Frau und ſie blieb der alten Freundinn getreu. Idoi¬ ne gehörte unter die weiblichen Seelen, die dem Monde ähnlich ſind; blaß und matt muß er am prächtigen Abendhimmel, den Glanz und brennende Wolken ſchmücken, ſtehen und kann auf der Erde keinen einzigen Schatten verdrängen, und ſteigt mit unſichtbaren Strah¬ len, aber das fremde Licht verblicht und ſeines wächſet aus dem Schatten auf, bis zuletzt ſein
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und heiter Handelnde — klagenlos und hoff¬
nungslos — nur den Ährenkranz der Thaten,
nie den blumigen Brautkranz tragend — ſo
viele weiße Blüthen zu ihren Füßen, die zu
keinem Kranz und Gewinde zuſammengehen —
ihre helle reine Seele einem hellen reinen Tone
gleich, der ſeinen Reiz durch naſſe wolkige Luft
ungetrübt und ungebrochen trägt: ſo fühlte ſie,
Idoine ſey ihr ſchweſterlicher verwandt als Lin¬
da, jene ſey ihr ein Ideal und Sternbild in
ihrem Himmel über ihr, dieſe ein fremdes, das
fern und unſichtbar in einer zweiten Halbkugel
des Himmels glänzt; aber in ihr wirkte die
weibliche Kraft, fortzulieben faſt bis in den
Haß hinein, ſtärker als in irgend einer Frau
und ſie blieb der alten Freundinn getreu. Idoi¬
ne gehörte unter die weiblichen Seelen, die
dem Monde ähnlich ſind; blaß und matt muß
er am prächtigen Abendhimmel, den Glanz
und brennende Wolken ſchmücken, ſtehen und
kann auf der Erde keinen einzigen Schatten
verdrängen, und ſteigt mit unſichtbaren Strah¬
len, aber das fremde Licht verblicht und ſeines
wächſet aus dem Schatten auf, bis zuletzt ſein
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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/360>, abgerufen am 22.11.2024.
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