Schnell faßte sie sich, -- erinnerte Julienne an Linda's Nachtblindheit -- und bat sie ge¬ radezu, ihr als ihre Freundinn nachzugehen, ob sie gleich selber gern ihr dieses Verdienst abstehlen würde, wenn sie dürfte. Julienne eilte in den Garten, fühlte es aber nach, daß Idoine ihr Du nicht erwiedert hatte. Idoine mied das weibliche Du; ungleich den Orienta¬ lerinnen, welche vor Verwandten den Schleier weglassen, nahm sie wie ihre Französinnen, so¬ gar in die Herzlichkeit die zarten Gesetze der Politesse herüber.
Julienne fand ihre Freundinn im Garten in einer dunkeln Laube still, mit tief gesenkten Augen, in Träume eingegraben. Linda fuhr auf: "Sie liebt Ihn! (sagte sie mit Schmerz und Feuer) Hör' es, Julienne, Sie I -- Diese konnt' ihr über das Aussprechen einer Wahrheit, mit der sie gerade aus Idoinens Armen gekommen war, nichts als ihr Erschre¬ cken zeigen; aber Linda nahm es für Erstau¬ nen und fuhr fort: "bei Gott! -- Mein Blick hat sie aufgehascht. O sonst war sie weit nicht so lebhaft und ernst und rührbar und weich --
Schnell faßte ſie ſich, — erinnerte Julienne an Linda's Nachtblindheit — und bat ſie ge¬ radezu, ihr als ihre Freundinn nachzugehen, ob ſie gleich ſelber gern ihr dieſes Verdienſt abſtehlen würde, wenn ſie dürfte. Julienne eilte in den Garten, fühlte es aber nach, daß Idoine ihr Du nicht erwiedert hatte. Idoine mied das weibliche Du; ungleich den Orienta¬ lerinnen, welche vor Verwandten den Schleier weglaſſen, nahm ſie wie ihre Franzöſinnen, ſo¬ gar in die Herzlichkeit die zarten Geſetze der Politeſſe herüber.
Julienne fand ihre Freundinn im Garten in einer dunkeln Laube ſtill, mit tief geſenkten Augen, in Träume eingegraben. Linda fuhr auf: „Sie liebt Ihn! (ſagte ſie mit Schmerz und Feuer) Hör' es, Julienne, Sie I — Dieſe konnt' ihr über das Ausſprechen einer Wahrheit, mit der ſie gerade aus Idoinens Armen gekommen war, nichts als ihr Erſchre¬ cken zeigen; aber Linda nahm es für Erſtau¬ nen und fuhr fort: „bei Gott! — Mein Blick hat ſie aufgehaſcht. O ſonſt war ſie weit nicht ſo lebhaft und ernſt und rührbar und weich —
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Schnell faßte ſie ſich, — erinnerte Julienne
an Linda's Nachtblindheit — und bat ſie ge¬
radezu, ihr als ihre Freundinn nachzugehen,
ob ſie gleich ſelber gern ihr dieſes Verdienſt
abſtehlen würde, wenn ſie dürfte. Julienne
eilte in den Garten, fühlte es aber nach, daß
Idoine ihr Du nicht erwiedert hatte. Idoine
mied das weibliche Du; ungleich den Orienta¬
lerinnen, welche vor Verwandten den Schleier
weglaſſen, nahm ſie wie ihre Franzöſinnen, ſo¬
gar in die Herzlichkeit die zarten Geſetze der
Politeſſe herüber.
Julienne fand ihre Freundinn im Garten
in einer dunkeln Laube ſtill, mit tief geſenkten
Augen, in Träume eingegraben. Linda fuhr
auf: „Sie liebt Ihn! (ſagte ſie mit Schmerz
und Feuer) Hör' es, Julienne, Sie I
— Dieſe konnt' ihr über das Ausſprechen einer
Wahrheit, mit der ſie gerade aus Idoinens
Armen gekommen war, nichts als ihr Erſchre¬
cken zeigen; aber Linda nahm es für Erſtau¬
nen und fuhr fort: „bei Gott! — Mein Blick
hat ſie aufgehaſcht. O ſonſt war ſie weit nicht
ſo lebhaft und ernſt und rührbar und weich —
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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/355>, abgerufen am 22.11.2024.
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