"Das war nicht recht; spät konnte sie sagen, aber nicht nie" sagt' er empfindlich. -- "Ge¬ mäßigt, Freund, (sagte Julienne,) daeauf er¬ innerte sie Dein Vater freundlich an die be¬ dingte Erscheinung des ihrigen, indem er sagte, daß er sehr wünschen müsse, ihr Glück aus sei¬ nen Händen in nähere zu übergeben. Keine künstliche Bedingung darf einen Willen zwin¬ gen oder vernichten, sagte sie. Dein Vater fuhr ruhig fort und setzte dazu, er habe den schönsten Lebensplan für Euch beide in diesem Falle entworfen; im andern aber stehe seine Ein¬ willigung in die Liebe nur so lange offen, als sein Hierseyn, das mit dem Tode seines Freundes endi¬ ge. Dann gieng er gelassen fort wie die Männer pflegen, wenn sie uns recht entrüstet haben."
"Hesperien, Hesperien! (rief Albano zornig.) Linda verdoppelte doch ihr Nein?" -- "O lei¬ der! Aber Bruder?" fragte staunend Julienne. "Lasse mich, (versetzt' er,) ist es denn nicht unge¬ recht, dieses elterliche Antasten der schönsten zarte¬ sten Saiten, deren Klang und Schwung sie auf ein¬ mal tödten, um einen neuen aus ihnen zu ru¬ pfen? Ist's denn nicht sündlich, Göttergeschen¬
„Das war nicht recht; ſpät konnte ſie ſagen, aber nicht nie“ ſagt' er empfindlich. — „Ge¬ mäßigt, Freund, (ſagte Julienne,) daeauf er¬ innerte ſie Dein Vater freundlich an die be¬ dingte Erſcheinung des ihrigen, indem er ſagte, daß er ſehr wünſchen müſſe, ihr Glück aus ſei¬ nen Händen in nähere zu übergeben. Keine künſtliche Bedingung darf einen Willen zwin¬ gen oder vernichten, ſagte ſie. Dein Vater fuhr ruhig fort und ſetzte dazu, er habe den ſchönſten Lebensplan für Euch beide in dieſem Falle entworfen; im andern aber ſtehe ſeine Ein¬ willigung in die Liebe nur ſo lange offen, als ſein Hierſeyn, das mit dem Tode ſeines Freundes endi¬ ge. Dann gieng er gelaſſen fort wie die Männer pflegen, wenn ſie uns recht entrüſtet haben.“
„Heſperien, Heſperien! (rief Albano zornig.) Linda verdoppelte doch ihr Nein?“ — „O lei¬ der! Aber Bruder?“ fragte ſtaunend Julienne. „Laſſe mich, (verſetzt' er,) iſt es denn nicht unge¬ recht, dieſes elterliche Antaſten der ſchönſten zarte¬ ſten Saiten, deren Klang und Schwung ſie auf ein¬ mal tödten, um einen neuen aus ihnen zu ru¬ pfen? Iſt's denn nicht ſündlich, Göttergeſchen¬
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„Das war nicht recht; ſpät konnte ſie ſagen,
aber nicht nie“ ſagt' er empfindlich. — „Ge¬
mäßigt, Freund, (ſagte Julienne,) daeauf er¬
innerte ſie Dein Vater freundlich an die be¬
dingte Erſcheinung des ihrigen, indem er ſagte,
daß er ſehr wünſchen müſſe, ihr Glück aus ſei¬
nen Händen in nähere zu übergeben. Keine
künſtliche Bedingung darf einen Willen zwin¬
gen oder vernichten, ſagte ſie. Dein Vater
fuhr ruhig fort und ſetzte dazu, er habe den
ſchönſten Lebensplan für Euch beide in dieſem
Falle entworfen; im andern aber ſtehe ſeine Ein¬
willigung in die Liebe nur ſo lange offen, als ſein
Hierſeyn, das mit dem Tode ſeines Freundes endi¬
ge. Dann gieng er gelaſſen fort wie die Männer
pflegen, wenn ſie uns recht entrüſtet haben.“
„Heſperien, Heſperien! (rief Albano zornig.)
Linda verdoppelte doch ihr Nein?“ — „O lei¬
der! Aber Bruder?“ fragte ſtaunend Julienne.
„Laſſe mich, (verſetzt' er,) iſt es denn nicht unge¬
recht, dieſes elterliche Antaſten der ſchönſten zarte¬
ſten Saiten, deren Klang und Schwung ſie auf ein¬
mal tödten, um einen neuen aus ihnen zu ru¬
pfen? Iſt's denn nicht ſündlich, Göttergeſchen¬
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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/330>, abgerufen am 22.11.2024.
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